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GHF-Stiftung und Rotes Kreuz wollen Seniorenhaus Wörgl errichten - Land lehnt Wohnbauförderung und Rahmenvertrag weiter ab
vero / 05.08.2008 23:17
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Bereits 2009 wollte die GHF-Stiftung die Pforten zum Seniorenhaus Wörgl aufsperren und das Haus in die Hand des Roten Kreuzes Kufstein als Betreiber übergeben. Wörgls Gemeinderat hatte den Weg durch entsprechende Widmung des rund einen Hektar großen Grundstückes bereits geebnet. Allein, die Projektbetreiber hatten die Rechnung ohne das Land Tirol gemacht - besser gesagt: Kalkuliert hatte man auf der Kostenseite sehr wohl mit der Unterstützung durch Wohnbauförderungsdarlehen und den Abschluss eines Rahmenvertrages zur Abrechnung der Pflegeleistungen für die BewohnerInnen. Die Ablehnung begründete das Land mit "fehlendem Bedarf" und dem Umstand, dass nur öffentliche Heime einen Rahmenvertrag erhalten - private Betreiber allerdings nicht.

"Wir haben seit 2006 eine rechtskräftige Baugenehmigung einschließlich Umwidmung sowie eine Betriebsanlagengenehmigung", erklärt Dr. Arthur Pohl, Präsident der GHF-Stiftung, der sich über die Haltung des Landes Tirol ärgert. Er kritisiert die Bedarfsberechnungen als zu niedrig und kritisiert, dass "wir nicht einmal einen Gesprächstermin bei Landesrat Gschwentner oder Landesrätin Zanon erhalten haben." Die Stiftung glaubt, dass sie ein Anrecht auf Wohnbauförderungsmittel habe und ihr Informationen vorenthalten werden: "Angeblich gibt es von 1991 einen Regierungsbeschluss, wonach der Abschluss von Rahmenverträgen an den Bedarf geknüpft und die Gemeinde Eigentümer oder Baurechtsträger sein muss. Trotz Anfrage unseres Rechtsanwaltes haben wir diesen Beschluss nicht ausgehändigt bekommen", so Pohl.

Mit den Vorwürfen konfrontiert meint Landesrat Hannes Gschwentner - in der Landesregierung bis zur Neuwahl heuer für Soziales und jetzt für die Wohnbauförderung zuständig: "Meine Ansprechpartner in Wörgl waren Bürgermeister Arno Abler und Sozialreferentin Maria Steiner. Während der Bürgermeister dem Projekt positiv gegenüber stand, lehnte es die Sozialreferentin strikt ab. Die Sozialplanung des Landes sieht den Bedarf für 120 weitere Betten in Wörgl nicht gegeben. Ich hatte also keine Veranlassung, mich mit privaten Projektwerbern zu treffen. Was den Regierungsbeschluss betrifft: Dieser regelte die Rahmenverträge für Gebietskörperschaften zur Tariffestsetzung und betraf alle Gemeinden und Ordenshäuser, aber nicht private Einrichtungen."

Gschwentner: "Missbrauch des Tiroler Sozialsystems vermeiden"

Gschwentner lehnt die Hereinnahme privater Betreiber prinzipiell ab: "Wir spüren einen starken Druck deutscher Betreiber auf Tirol und Salzburg, hier Heime zu bauen. Erst vor kurzem wollte wieder ein deutscher Betreiber in Rinn ein Projekt umsetzen. Wenn wir das zulassen, können wir nach dem freien Niederlassungsrecht in der EU nicht verhindern, dass Leute aus dem Ausland unser Sozialsystem ausnutzen. Das wollen wir vermeiden.  Derzeit können die Heime nur durch die Grundsicherung kostendeckend geführt werden, für die zu 65 % das Land und zu 35 % die Gemeinden beitragen müssen. Das macht in Tirol jährlich 40 Millionen Euro für 5.500 Menschen in Heimen aus. Wenn wir dieses System aufrechterhalten wollen, können wir es nicht aus EU-Nachbarländern überschwemmen lassen."

Dass der ursprüngliche Projektpartner aus Deutschland nicht mehr dabei ist und stattdessen das Rote Kreuz Kufstein als Betreiber auftreten soll, ändert nichts an Gschwentners Meinung: "Auch das Rote Kreuz ist eine private Einrichtung und keine Gebietskörperschaft." Gschwentner sieht den Bedarf an Pflegebetten durch den Neubau in Münster, den bereits erfolgten Ausbau des Kirchbichler Heimes sowie den geplanten Neubau in Kundl für den Bezirk bis auf weiteres abgedeckt.

 

Das Projekt Seniorenhaus Wörgl

Zu anderen Bedarfsberechnungen kommen die Projektwerber. Dr. Pohl erstellte bereits im Juni 2007 eine andere Berechnung: "Während das Land für Wörgl 86 Plätze an Bedarf aufweist, sind in der Realität 120 Betten im Seniorenheim, 12 im betreuten Wohnen belegt und 16 Personen aus Wörgl auswärts untergebracht. Dazu kommen noch 15 auf der Warteliste - also 163 tatsächlich belegbare Betten." Dazu käme noch der Bedarf aus Angath und Angerberg mit 20 Plätzen. 

Ausgehend von diesen Zahlen umfasst das Projekt Seniorenhaus Wörgl 24 Hausgemeinschaftsplätze für Demenzkranke (in ganz Tirol gibt es derartiges noch nicht), 68  Pflegeplätze für Pflege, Kurzzeitpflege und für das Betreute Wohnen mit Pflegeoption (derzeit gibt es im Bezirk Kufstein keine real bestehenden Kurzzeitpflegeplätze, weil alle Heime mit „Langzeit“-Pfleglingen voll ausgelastet sind), 12  Tagesstättenplätze und 30 Plätze in Wohnungen für je eine (6 Appartements) oder zwei Personen (12 Appartements) für das Betreute Wohnen mit Pflegeoption, zusammen also 134 Heimplätze mit 122 Betten.

Fürs Betreute Wohnen habe man bereits auch die Zusage für Wohnbauförderungsmittel erhalten. Der Pflegebettenbereich könne aber, so Pohl, ohne Wohnbauförderungsmittel nicht realisiert werden: "Die Stiftung könnte sonst die Finanzierungskosten nicht abdecken."

Bedenken, dass hier Private Gewinne auf Kosten Pflegebedürftiger bzw. Sozialleistungen des Landes realisieren, schwächt Dr. Pohl zwar ab, kann sie aber nicht ganz entkräften. Weder das Rote Kreuz, noch die Stiftung selbst seien  gewinnorientiert, aber: "Errichter des Heimes ist – über eine zu 100 % in ihrem Alleineigentum stehende Gesellschaft – eine Stiftung, die gemäß den gesetzlichen Vorschriften kein kommerzielles Gewerbe betreiben und keinen Gewinn erwirtschaften darf; sie muß allfällige Überschüsse allerdings an die Stifter als „Begünstigungen“ auszahlen. Diese Stifter haben immerhin ein Grundstück im Wert von 3,2 Millionen Euro sonst kostenfrei zur Verfügung gestellt."  (Zitat aus dem Argumentationspapier der GHF-Stiftung vom Mai 2007  - ungekürzt hier nachzulesen.)

Dr. Pohl sieht in "Selbstzahlern aus der BRD" anders als das Land auch kein Problem, da man Wörgler immer bevorzugt behandeln würde - mit den Nachsatz "wenn etwas frei wird." Zimmer von vornherein frei zu halten sei nicht möglich. Die Stiftung will nun mit der neuen Landesregierung einen weiteren Versuch starten, über die Verwirklichung des Projektes zu verhandeln.