Wie bewegen sich die WörglerInnen in ihrer Stadt, wie zufrieden sind sie mit der Verkehrsinfrastruktur und was erwarten sie von der Verkehrspolitik in Zukunft? Ein 24-seitiger Fragebogen zu dieser Themenstellung wandte sich vor gut einem Jahr an 5.600 Wörgler Haushalte. Was bei der Wörgler Verkehrsumfrage herausgekommen ist, stellten am 29. Oktober 2015 Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner und DI Peter Teuschel vor, der die höchst komplexe Umfrage von der Erstellung des Fragebogens bis zur Auswertung im Alleingang als Diplomarbeit im Rahmen seines Studiums für Energie- und Innovationsmanagement an der Donau-Uni Krems in seiner Freizeit ehrenamtlich (!) durchführte.
„Eine analoge Befragung erfolgte zuletzt 1993 bei der Erarbeitung des Verkehrskonzeptes Stickler. Die nun vorliegende Verkehrsbefragung ist sehr komplex und ist weit mehr als eine Zählung. Sie beinhaltet die infrastrukturellen Änderungen der vergangenen 20 Jahre. Aussagen über das Mobilitätsverhalten werden künftig die Stadtentwicklung beeinflussen, wir leiten daraus Maßnahmen ab, die in den nächsten Jahren auch umgesetzt werden sollen“, erklärte Bgm. Hedi Wechner bei der Präsentation der Analyse-Ergebnisse der Wörgler Verkehrsumfrage (hier als pdf ersichtlich).
Peter Teuschel, dessen Diplomarbeit vom „Verkehrs-Guru“ Knoflacher betreut wird, liefert mit seiner Arbei der Stadt interessante Einblicke in das Mobilitätsverhalten der Bewohnerinnen und darüber hinaus ein wertvolles Instrumentarium für die Zukunft, das ständig erweitert und um neue Fragestellungen ergänzt werden kann. „Die Umfrage bestand aus zwei Teilen, einer Wege-Analyse und im zweiten Teil mit Fragen zu Problemen und Erwartungen an die künftige Verkehrspolitik“, schildert Teuschel den Aufbau der Umfrage, die 200 Fragen umfasste und zudem Raum für persönliche Anmerkungen der Teilnehmerinnen bot.
Von den 5.600 Haushalten wurden 510 Fragenbögen abgegeben, von denen 492 auch verwertbar waren. Das entspricht einem Rücklauf von 9 % gemessen an den Haushalten und 11,6 % gemessen an der Personenanzahl. „Bei der Landesmobilitätsumfrage betrug der Rücklauf 0,7 %, da sind fast 12 % Rücklauf sehr gut“, wertet Teuschel die Repräsentanz der Umfrage, für deren Auswertung er in 600 Stunden (!) über 100.000 Datenpunkte digitalisierte und sich weitere 45 Stunden mit der Analyse beschäftigte. Was anhand der Absender auffällt: Die Bürgerbeteiligung endet bei Wörgl-Mühlstatt und Mayrhofen – aus dem Ortsteil Wörgl-Boden bis zur Ortsgrenze im Osten liegen keine ausgefüllten Fragebögen vor. Warum das so ist, dem soll nun noch nachgegangen werden.
Die Resultate
Aus der Umfrageauswertung geht das Freizeitverhalten der Stadtbevölkerung hervor: 82 % verbringen an Werktagen ihre Freizeit in der Stadt, am Wochenende sind es tagsüber 63 % und abends 77 %. Änderungen ergaben sich seit 1993 beim Fahrzeugbesitz: Hatten damals 395 von 1000 ein Auto, so sind es jetzt 452. Die Anzahl der Fahrräder stieg moderater an – von 664 pro 1.000 auf 691. Im Durchschnitt legen die Leute 4 Wege pro Tag zurück. Was dabei auffällt: Die Pkw-Fahrten machen mit 41 % den größten Anteil aus und stiegen um 8 % an, während die Fußwege ein Drittel ausmachen und um 11 % abgenommen haben. Der Anteil der Radfahrten stieg um 1% von 17% 1993 auf 18 % 2014. Einen deutlichen Anstieg verzeichnete die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. 1993 wurde das Citybus-Netz gestartet. Vorher wurden 6 % der Wege mit Öffis bewältigt, jetzt sind es 11 %. „Das ist ein Zeichen, dass der Citybus angenommen wird und wir leiten daraus ab, dass das Netz ausgebaut werden soll, um den Individualverkehr zu verringern“, kommentiert Wechner das Ergebnis.
Elektromobilität ist Zukunftsthema
Die Umfrage beinhaltete Fragen zur Erreichbarkeit von Infrastruktur wie Arzt, Bahnhof, Haltestellen, Kindergärten, Verkehrssicherheit oder Ladepunkte für Elektro-Mobilität. „Daraus können wir bei künftigen städtebaulichen Entscheidungen ableiten, was wo fehlt“, so Wechner, die aus dem vermehrten Sicherheitsbedürfnis von Fußgängern und Radfahrern die Forderung nach Aufstockung der Stadtpolizei ableitet, die auch für nächtliche Kontrollen zur Verfügung stehen sollte. Aus den vielen Angaben, dass Autos in der Stadt zu schnell unterwegs seien, leitet Wechner auch die Forderung an die Bezirkshauptmannschaft nach weiteren Radarstationen im Stadtgebiet ab.
Handlungsbedarf leitet Peter Teuschel auch aus den Ergebnissen hinsichtlich des zweirädrigen motorisierten Verkehrs ab: „Obwohl nur 35 Mopeds auf 1.000 Einwohner kommen, fordern 60 % ein Nachtfahrverbot für Mopeds“. Der Lärm regt auf und die Abgas-Bilanz ist hinsichtlich des Klimaschutzes sehr schlecht. Teuschel würde es begrüßen, eine Elektro-Scooter Region Wörgl zu schaffen und Bgm. Wechner kündigt an, dass der Diskurs über ein Moped-Nachtfahrverbot jetzt geführt werde. Da E-Scooter fast lautlos unterwegs sind, könnten diese vom Fahrverbot auch ausgenommen werden.
„Da derzeit 25 % der verkauften Fahrräder bei unseren Sportartikelhändlern bereits E-Bikes sind, wird die Versorgung mit Ladestationen auch vermehrt ein Thema werden“, teilt Teuschel mit. Derzeit bestehen Ladepunkte für Elektrofahrzeuge – Auto wie Rad – bei den Wörgler Stadtwerken und am Aufinger-Parkplatz im Stadtzentrum. Der Gesundheitssprengel nützt die GZW-Tiefgarage-Aufladestation, 2016 soll ein beim Wave dazukommen, in weiterer Folge auch bei der Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes.
Mit der öffentlichen Parkplatz-Infrastruktur sind 45 % der Umfrageteilnehmer zufrieden. Die Umfrage beinhaltet auch widersprüchliche und überraschende Aussagen – etwa beim Fahrverbot im Stadtzentrum. „Bei der Frage nach einem Fahrverbot in der Bahnhofstraße halten sich Zustimmung und Ablehung fast die Waage – das ist eines der erstaunlichsten Ergebnisse“, erklärt Wechner. „Die Leute in der Bahnhofstraße sind mehrheitlich für ein Fahrverbot. Je weiter weg Leute wohnen, umso mehr ist man dagegen“, zeigt Teuschel auf.
Erwartungen an die Verkehrspolitik
Im Ranking bei den Erwartungen an die künftige Verkehrspolitik liegen sechs Positionen ganz vorn: Sichere Schul- und Fußwege, weniger Pkw-Transit-Verkehr, weniger Lärm und Abgas durch Verkehr, Schonung von Umwelt und Landschaft, Stärkung des Wirtschaftsraumes im Zentrum und weniger Lkw-Transitverkehr. Über 40 % sind gegen einen Ausbau der Inntalautobahn, gleich viele für S-Bahnverbindungen im Viertelstunden-Takt. Rund die Hälfte wünschen sich mehr Bahnverbindungen nach Innsbruck und Kufstein. Im Hinblick auf den künftige Maßnahmen wollen 75 % einen Ausbau des Rad- und Fußwegenetzes in Wörgl und rund 78 % sprechen sich für die Fertigstellung der Nordtangente als Entlastung für die Tiroler Straße aus. Über 70 % sind für einen Ausbau des Inntalradweges und über 60 % für Verkehrsberuhigung in den Wörgler Ortsteilen.
Die Wörgler Verkehrsumfrage-Analyse wird am 5. November 2015 dem Wörgler Gemeinderat vorgestellt und soll künftig als „Tool für die Stadtentwicklung“ in regelmäßigen Abständen aktualisiert und ergänzt werden. Das gilt auch für den nicht aufscheinenden Wörgler Stadtteil im Osten: „Wenn gewünscht, kann dieser Ortsteil noch mit einer Online-Umfrage integriert werden.“ Die Analyse-Ergebnisse sind ein Anhaltspunkt für künftige Entscheidungen, aber nicht die alleinige Grundlage. Das Ergebnis ist auch von Faktoren wie dem Wetter am Stichtag abhängig – und das war ein durchgehender Regentag, an dem die Fahrradbenützung vielfach flach fiel.