„Wir tun etwas für unser Herz, bevor es nichts mehr für uns tut“ – unter diesem Motto füllte sich am 14. November 2015 das Komma Wörgl beim 25. Tiroler Herztag, der vom Tiroler Herzverband in Kooperation mit der Herzsportgruppe Wörgl am Welt-Diabetikertag ausgerichtet wurde. Geballtes Expertenwissen verständlich aufbereitet, neue medizinische Entwicklungen, eine Gesundheitsstraße und Infostände über Reha-Einrichtungen und medizinische Produkte standen dabei ebenso am Programm wie ein Rückblick auf 20 Jahre Herzsportgruppe Wörgl.
„Herz-Kreislauferkrankungen sind in Österreich die häufigste Todesart. Jedes Jahr sterben daran 31.000 Menschen, 10.000 davon sind Diabetiker“, leitete Medizinalrat Dr. med.univ. Gerald Bode, Facharzt für Innere Medizin in Wörgl, die Vorstellung der Herzsportgruppe Wörgl ein, die heuer ihr 20jähriges Bestehen feiert. Und listete die Risikofaktoren auf: Bluthochdruck, Fehlernährung, Bewegungsarmut und Rauchen.
20 Jahre Herzsportgruppe Wörgl
Daraus ergibt sich auch die Arbeitsweise der Selbsthilfegruppe, die sich wöchentlich zwei mal trifft. Jeden Montag von 18.30 bis 20.00 Uhr zum Turnen unter Anleitung von Physiotherapeuten und autogenem Training im Rehabilitationszentrum Bad Häring, wobei hier regelmäßig Dr. Bode für Fragen zur Verfügung steht. Herzsportgruppen-Obmann Helmut Rieder organisiert zusätzlich gemeinsame Freiluft-Aktivitäten wie Radfahren, Wandern, Skifahren und Ausflüge.
„Der Herzsportgruppe Wörgl gehören 57 aktive Patienten an, mit fördernden Mitgliedern zählt die Selbsthilfegruppe 97 Mitglieder“, teilte Dr. Bode mit. Unter den Aktiven sind mit der 87jährigen Anna Zimmermann und Siegfried Laich noch zwei Gründungsmitglieder der Herzsportgruppe, deren vormaliger Obmann Ludwig Kögl, der bald seinen 90. Geburtstag feiert, ebenfalls zum Tiroler Herztag ins Komma Wörgl gekommen war.
Wie wichtig die Tätigkeit der Herzsportgruppe Wörgl ist, bestätigte Prof. DDDr. Wolfgang Mastnak, Präsident des Österreichischen Herzverbandes: „Ohne lebensbegleitende Umstellung des Lebensstiles vergeht der medizinische Nutzen eines Eingriffes binnen eines halben Jahres.“ Ehrenamtliche arbeitende Selbsthilfegruppen sparen damit Gesundheitskosten in Millionenhöhe.
Rehabilitation und Prävention rücken immer näher zusammen
In der praktischen Arbeit würden sich Reha und Prävention immer mehr überschneiden, so Mastnak, der die aktuellen Ansätze erläuterte. Anders als vor 30 Jahren wisse man heute sehr gut Bescheid über das richtige Verhältnis von Ausdauer- und Kraftsport in der Herzsportmedizin. Das Bewegungstraining beuge nicht nur weiteren Herzbeschwerden vor, sondern senke auch das Unfallrisiko im Alter, da man beweglicher bleibe. „In vielen Fällen helfen diese Stimulationen auch präventiv gegen Demenz“, so Mastnak.
Ein weitere Behandlungsansatz betreffe die Depression. „Herzkrankgefäßerkrankte mit Depression haben das fünffache Sterberisiko“, erklärte der Kardiologe, der auch hier Selbsthilfegruppe schätzt: „Empathisches Zuhören und aus authentischer Selbsterfahrung weitergeben, wie man mit Problemen umgeht, trägt sehr zur psychischen Gesundheit bei.“ Manchmal brauche es sehr lange, bis sich ein Mensch psychisch öffne – und diese Zeit biete das Mitmachen in einer Herzsportgruppe.
„Ein neuer Aspekt ist die Epigenetik, sie gilt als entscheidender Faktor bei der Krankheitsentwicklung. Die Genetik hat Einfluss, aber nicht direkt, sondern durch Vermittlerprozesse“, so Mastnak. So würden externe und geistige Faktoren wesentlich Einfluss darauf nehmen, ob eine Krankheit auch ausbricht. „Die emotionale Beheimatung ist wesentlich, ob Sie gesund bleiben oder krank werden.“
Besonders risikoreich: herz- und zuckerkrank
„Der Herztag ist eine Quelle medizinischer Information, eine Plattform für Behandler und Betroffene und soll das Bewusstsein für Gesundheit stärken, wobei immer mehr Prävention im Mittelpunkt steht“, erklärte Roland Weißsteiner, Präsident des Tiroler Herzverbandes und wies auf das besonderes Risiko der Kombination von Herzerkrankung und Diabetes hin, auf das Univ.Prof. Dr. Monika Lechleitner, ärztliche Direktorin im LKH Hochzirl näher einging.
Derzeit seien rund 400 Millionen Menschen weltweit an Diabetes erkrankt, in Österreich rund 600.000 Personen. Seit 1998 ist die Häufigkeit von Diabetes in Österreich um 40 % angestiegen, derzeit seien 60 % der Bevölkerung übergewichtig. Diabetes führe zu dramatischen Folgeerscheinungen und vorzeitigem Altern. Rechtzeitige Diagnose und Änderung des Lebensstiles sind entscheidend für Ausbruch und Verlauf von Diabetes. „Die Darmflora ist entscheidend, ob ein Typ2 entwickelt wird“, so Lechleitner, die auf die Bedeutung gesunder Ernährung ebenso hinwies wie auf neue, maßgeschneiderte Medikamente und Insulin-Pumpen, den fürs Herz gefährlichen Unterzucker vermeiden.
Herz und Nieren….
Auf den Zusammenhang von Herz und Niere ging OA Dr. Christian Koppelstätter, Nephrologe an der Kardiologie des REHA-Zentrums Münster ein. Wenn die Nieren erkranken, hat das Auswirkungen aufs Herz – und umgekehrt. Bei schwacher Herzleistung sinkt die Nierenfunktion. Weniger Harnproduktion führe zu steigendem Blutdruck und Flüssigkeitsrückstau, etwa in der Lunge oder den Beinen. Der damit verbundene Kaliumanstieg im Blut hebe die Herzrhythmuskontrolle auf. Koppelstätter empfiehlt, auf den Flüssigkeitshaushalt zu achten. Dunkler Harn sei ein Alarmsignal. Um die Nieren zu schützen, solle man auf Blutdruck, Blutzucker, Blutfett und Körpergewicht achten.
Medizinische Neuerungen
Medizinische Neuerungen vom implantierten Defibrillator bis zum Mini-Herzschrittmacher stellte Priv.Doz. Dr. Markus Stühlinger, Kardiologe an der Klinik Innsbruck vor und Univ.Prof.Dr. Otmar Pachinger erläuterte neue Blutgerinnungssubstanzen und deren Bedeutung für Herz-Kreislaufpatienten und den Zusammenhang mit dem Schlaganfallrisiko, da 17 % der Schlaganfälle sich nach Vorhof-Flimmern des Herzens ereignen.
Wörgls Gesundheitsreferent GR Christian Pumpfer dankte in seinen Grußworten den Leitern der Herzsportgruppe Wörgl und Gesunheitslandesrat Dr. Bernhard Tilg wies auf die Bedeutung der Arbeit der Selbsthilfegruppen in Tirol generell hin. In Tirol seien 20.000 Patienten in Selbsthilfegruppen aktiv. Wohl auch darauf sei zurückzuführen, dass statistisch die Tiroler zu den gesündesten Österreichern zählen.