Naturschutz passiert nicht von allein – hinter der Erhaltung der Biodiversität steckt jede Menge Arbeit! Das zeigte eindrucksvoll der Vortragsabend „Naturjuwel Filz“ am 12. Oktober 2021 mit einem tiefen Einblick in Artenvielfalt und Pflegekonzept des Wörgler Feuchtbiotopes mit dem Insektenkundler Mag. Kurt Lechner, Schutzgebietsbetreuer Mag. Philipp Larch und begeisterten Natur-Fans. Eine Studie 2018 bestätigte erneut die große Artenvielfalt. In der Filz leben dauerhaft rund 340 Schmetterlings-, sieben Heuschrecken- und 14 Libellenarten.
„Hätte es in der Filz keine Aktionen zur Entfernung von Neophyten wie indisches Springkraut oder kanadische Goldrute gegeben, wäre es ein ökologischer Kollaps geworden“, erklärte der Entomologe Kurt Lechner zu Beginn seines spannenden Vortrages über die Evaluierung des Bestandes von Schmetterlingen, Heuschrecken und Libellen. 2005 führte er gemeinsam mit Alois Ortner die erste Bestandsaufnahme dieser ökologisch relevanten Insektenarten durch.
In Zeiten von Insektensterben aufgrund intensiver Landwirtschaft und anderer Umweltfaktoren gewinnen Lebensräume wie die Filz noch mehr an Bedeutung, selbst wenn sie so kleinflächig sind – Nasswiese, Teiche, Gehölze und Moor bieten hunderten Arten Entwicklungsmöglichkeiten. „2005 zählten wir 341 Schmetterlingsarten. Von 2010-2017 wurden weitere 32 Arten gesichtet und 2018 erfassten wir 310 Arten – in Summe wurden damit 475 Arten festgestellt, von denen 70 bis 80 % hier auch bodenständig sind und sich vom Ei bis zum fertigen Schmetterling entwickeln“, berichtete Lechner vom „beeindruckenden Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die Filz nur gut fünf Hektar umfasst.“ Entdeckt wurde eine in Westösterreich erstmals gesichtete Art, weiters viele Feuchtgebietsspezialisten und darunter viele bedrohte Arten wie die Nelkenwurz Federmotte oder Baldrian-Blütenspanner. Allerdings sind auch Arten nicht mehr zu finden – darunter der Seerosenzünsler. 2005 war der seltene Schmetterling, der sich im Wasser entwickelt, noch häufig. Ein Rückgang der Schwimmblattvegetation könne ebenso Ursache sein wie das Auftreten von Fressfeinden – so waren jahrelang Goldfische eine Plage, die mit vielen mühevollen Fangaktionen wieder entfernt werden konnten.
Wurden bei der Heuschreckenpopulation 2005 neun Arten (7 bodenständige) gezählt, so kamen über die Jahre weitere Neusichtungen hinzu. 2018 stellten die Entomologen im Beobachtungszeitraum 7 Arten fest, womit 14 Arten nachgewiesen sind. Eine deutliche Zunahme verzeichneten sie bei den Libellen: 8 Arten waren es 2005, von 2012-2017 wurden ebenso wie 2018 zwölf Arten gesichtet. „Von den 18 festgestellten Libellenarten entwickeln sich 14 in der Filz“, erklärte Lechner und dankte ehrenamtlichen NaturbeobachterInnen, namentlich Maria Ringler, Brigitte Durkowitzer und Brigitte Hausberger für tausende Fotos, die von den Wissenschaftlern mit ausgewertet werden konnten.
Dass die Filz noch immer ein Hotspot der Biodiversität am Stadtrand von Wörgl ist, geht auf behutsame Pflegemaßnahmen zurück, die immer wieder an die Lebensraumbedürfnisse der Tierwelt angepasst werden. Seit 2016 kümmern sich Philipp Larch und Franz Goller als Schutzgebietsbetreuer um die von der Stadt auf Initiative der ehemaligen Ökologiegruppe angepachteten Flächen.
„Viele hier im Saal haben in der Filz schon geschwitzt und sich Kreuzweh geholt“, stellte Philipp Larch fest und freute sich über das ungebrochen große Interesse an der Filz. Nach erfolgreichem Einsatz leichter Maschinen zur Verringerung der kräftezehrenden Handarbeit wurde das Pflegekonzept der Schutzgebietsbetreuung jetzt dahingehend adaptiert, dass händisches Entfernen von Biomasse nur mehr im Moorbereich erfolgt. Die Nasswiese wird mithilfe des Maschinenringes mit Balkenmäher gemäht, mit Bandrechner auf Reihe gebracht und mittels Motorkarren wird das Schnittgut entfernt.
„Nachdem in der Feuchtwiese Hochstauden wie Mädesüß und Storchschnabel überhand nehmen, wird die Hälfte dieser Fläche jetzt zweimal jährlich gemäht“, erklärte Larch. Damit werden Nährstoffe entzogen und so das Milieu für seltene Arten erhalten. 10 bis 15 % der Fläche bleiben auch weiterhin stehen, wobei der Standort dieser Rückzugsinseln für Tiere sich jährlich ändert. Heckenschnitt, Entfernen von wuchernder Vegetation aus den Teichen und Ausreißen bzw. Ausstechen von Strauch- und Baumnachwuchs im Moor sind weitere Eingriffe im Schutzgebiet.
Ein Dauerthema bleiben vor allem in den Randzonen Neophyten, die dank dem Einsatz Ehrenamtlicher an der Ausbreitung gehindert werden. Zur Arbeitserleichterung errichtete Familie Ringler mit einer Holzspende der Stadt einen Geräteschuppen, in dem jetzt Werkzeuge verwahrt werden. Die Einzigartigkeit der Filz sei nicht nur die ökologische Vielfalt auf engem Raum, auch die Verankerung der Filz im Interesse der Bevölkerung, die gute Zusammenarbeit mit der Stadt und der außergewöhnliche Einsatz Ehrenamtlicher bei der Pflege und Naturbeobachtung. Da gibt´s ein aktives Geocaching-Team rund um Christian Aufschnaiter, den Alpenverein und die Volkshilfe mit Werkbank und BETA, die bei Arbeitseinsätzen mitmachen.
„Wir brauchen Eingriffe zur Erhaltung der Teiche und offenen Flächen, sonst würde das Areal zuwachsen und die Artenvielfalt verschwinden“, so Larch, der auch auf den hohen Stellenwert des Hangwaldes und neu angelegte Tümpel hinweist, die Lebensraum für Gelbbauchunken sind. Um diesen Bestand kümmert sich auch liebevoll Maria Ringler und ihr Team – sie füllen sogar Wasser nach, wenn die Austrocknung droht. Der Klimawandel macht sich auch in der Filz bemerkbar – Hitzeperioden trocknen die Teiche aus, die sich vorwiegend aus Regenwasser speisen. Nachdem 2019 beide Teiche trocken fielen, half die Feuerwehr mit 9000 Liter Wasser den Amphibien beim Überlebenskampf. Und um den Nahrungskonkurrenzdruck auf die Insektenwelt zu vermindern, reduziert ein Imker die Anzahl seiner Bienenvölker von acht auf vier.
Der Lohn der Mühen ist sichtbar – und wird von vielen Fotografen und Filmern sichtbar gemacht. So zeigte Armin Oberhauser sein filmisches Tagebuch aus der Filz vom 28. Mai bis 3. Juli 2021, ergänzt mit Drohnenaufnahmen aus der Luft von Pepi Blattl.