Ganz praktische Fragen im Umgang mit Kryptowährungen kamen beim vierten CryptoCircle des Unterguggenberger Institutes am 21. Februar 2018 im Wörgler Tagungshaus ebenso zur Sprache wie Anwendungsbereiche der Blockchain abseits der Spekulation im Sozial-, Gesellschafts- und Umweltbereich. Der nächste Termin für den offenen Stammtisch rund um Kryptowährungen und digitalen Wandel ist am Mittwoch, 21. März 2018, wieder um 19:30 Uhr im Tagungshaus Wörgl.
Blockchain und Kryptowährungen sind ein neues, dezentrales Geldsystem ohne Mittelsmann und Bankenabhängigkeit, das gerade beginnt, in der Realität anzukommen. Vergleichbar mit dem Stand des Internets in den 1990er Jahren, schätzt CryptoCircle-Leiter Heinz Hafner vom Unterguggenberger Institut. Erst langsam dringen die möglichen Anwendungsbereiche ins Bewusstsein der Gesellschaft. Die sich anbahnende digitale Revolution zeigt sich am weiterhin wachsenden Markt. An die 1.500 Coins werden gehandelt, 35 % des Volumens derzeit in Bitcoin. Diese bisherige digitale Leitwährung ist allerdings ein Auslaufmodell – die technische Entwicklung ging längst weiter.
Zunehmend an Bedeutung gewinnt die Ethereum Blockchain mit der Kryptowährung Ether, mit der mittlerweile 90 % der neu ausgegebenen Coins gekauft werden. Über Anwendungsbereiche der Ethereum Blockchain im sozialen und gesellschaftlichen Bereich informierte Berni Mayer: „Die Vereinten Nationen experimentieren mit Ethereum in verschiedenen Bereichen. Bei der Überweisung von Hilfsgeldern weltweit können damit hohe Transaktionskosten gespart und Korruption ausgeschaltet werden, dafür testet die UN digital wallets. Die Blockchain eignet sich auch als Identitätsnachweis für Flüchtlinge, die auf diese Weise kostengünstig dezentral weltweit gespeichert werden können. Beim Thema Klimawandel kann die Blockchain zum Schadstoff-Ausstoß-Monitoring ebenso verwendet werden wie zum Handeln sauberer Energie mit smart contracts oder zum Einsammeln von Investitionsgeld für die Nutzung erneuerbarer Energie.“
In welchen Bereichen die Blockchain im sozialen Sektor noch eingesetzt werden kann, schilderte Heinz Hafner. Dazu zählen der Beweis von Landrechten bzw. Landbesitz ebenso wie weltweite demokratische Basisabstimmungen.
Die modernsten Coins stellen eine digitale Währung mit eingebautem Programm-Code dar.
Die Regeln des Geldes sind damit bereits hinterlegt und offen auslesbar. Zu welchem Zweck wird die Währung geschaffen? Das Regelwerk steht im White Paper – hier macht sich genau hinsehen bezahlt. Denn da gibt´s auch kurioses – wie den nutzlosen „Useless Coin“, mit dem es dem Herausgeber gelang, 70.000 Dollar einzusammeln. Mancherorts werden Coins auch als Marketing-Gag herausgegeben, etwa wenn Hoteliers Übernachtung und E-Mobilität gegen digitale „Währung“ anbieten – was eher dem klassischen Gutscheinmodell denn einer wirklichen Währung gleichkommt.
Mit der richtigen Idee gelingt es aber auch mitunter, binnen kürzester Zeit viel Geld zu lukrieren – wie das Beispiel der „Crypto-Kitties“ zeigt. Die Firma schaffte mit dem Verkauf ihrer digitalen Katzen mit Ether in drei Wochen eine Kapitalisierung von 12 Millionen Dollar. Was auf den ersten Blick als spielerischer Spleen und Tummelplatz für Spekulanten erscheint, zeigt auf den zweiten Blick künftige Potentiale dieser Technik für digitale Auktionen aller Art auf.
Ein riesiges Potential für Kryptowährungen ist zudem jener Teil der Weltbevölkerung, der keinen Zugang zum jetzigen Geldsystem hat – und das ist die große Mehrheit! Weltweit haben nur 1,4 bis 1,6 Milliarden Menschen ein Bankkonto, Handys gibt´s aber schon überall.
Mit der neuen Technik entstehen auch völlig neue Standort-Hotspots, was auch daran liegt, dass in Ländern wie Estland, Lettland, Slowenien, Bulgarien oder Übersee in Asien wesentlich bessere Rahmenbedingungen als in Ländern wie Deutschland und Österreich herrschen.“ Jungunternehmer wandern aus, da derzeit in Österreich weder steuerliche Planungssicherheit noch eine Unterstützungskultur vorhanden sind“, hat Heinz Hafner erfahren und wünscht sich Verbesserungen, um Österreich als Wirtschaftsstandort attraktiv zu halten.
Was die stark wachsende Blockchain- und Kryptowährungs-Szene noch dringend benötigt, sind Blockchain-Programmierer – denn davon gibt es derzeit weltweit viel zu wenige. Da wäre ein Studiengang in Österreich ein großer Vorteil, wobei hier derzeit die Uni Graz führend ist.
Ganz praktische Anwendungsbereiche von Kryptowährungen – wie kauft, verwaltet und speichert man sie sicher? – wurden beim CryptoCircle ebenso diskutiert wie praktische Anwendungen der Blockchain im medizinischen Bereich. Diese kann von der dezentralen Speicherung aller Gesundheitsdaten im persönlichen Zugriff bis zur Erleichterung bei der administrativen Abwicklung von Forschungsprojekten reichen.