Unter dem Motto „Feuchtgebiet Filz – gestern und heute“ stand am 23. November 2015 ein Info-Abend im Tagungshaus Wörgl, zu dem die katholische Frauenbewegung geladen hatte. Landesumweltanwalt Mag. Johannes Kostenzer freute sich über das große Publikumsinteresse am Thema Naturschutz und schilderte anhand von Zahlen und Fakten den Verlust von Biodiversität in Tirol. Im Gegensatz zum vielerorts auftretenden Artensterben bildet das Wörgler Feuchtbiotop Filz dank ehrenamtlicher Mitarbeit bei der Landschaftspflege eine artenreiche Oase, die Rückzugsgebiet für eine Fülle bedrohter Pflanzen- und Tierarten ist. Ihren biologischen Reichtum präsentierte Filz-Aktivistin Maria Ringler anhand von über 400 Fotos.
„Die biologische Vielfalt stirbt“, stellte Tanja Zawadil, Regionalleiterin der katholischen Frauenbewegung einleitend fest und zitierte Papst Franziskus, der beklagt, dass täglich 30.000 Kinder an Mangelernährung sterben, 970 Millionen Menschen hungern, 60 Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen werden, täglich 200.000 Tonnen Fisch gefangen, 20.000 Hektar Ackerland und 50.000 Hektar Tropenwald verloren gehen und 100 Tier- und Pflanzenarten aussterben. Umso wichtiger sei die Bewahrung artenreicher Lebensräume wie der „Filz“, in der früher 48 Orchideenarten gezählt wurden. Der Erhalt des Naturjuwels ist der Initiative und dem Engagement der Ökologiegruppe Wörgl, die in den 1980er Jahren den Wert der Filz erkannte, und dem Einsatz ehrenamtlicher HelferInnen heute zu verdanken. Artenreichtum und Biotop-Pflege im Jahr 2000 schilderte ein Film von Manfred Coradello, der selbst Mitglied der Ökologiegruppe war.
„Nur was wir kennen, können wir schätzen und schützen“, erklärte Johannes Kostenzener, seit 8 Jahren Landesumweltanwalt, dessen Amtszeit nun um weitere fünf Jahre verlängert wurde. Die Alpen seien ein Hotspot der Biodiversität, die allerdings zunehmend durch die Wirtschaft bedroht ist. Landschaftsverbrauch passiert am Berg ebenso wie im Tal – Skigebiete entsprechen zusammengerechnet bereits mehr als einem Viertel der Fläche Osttirols. „Jedes Jahr gehen in Tirol 360 Fußballfelder fruchtbaren Bodens durch Versiegelung verloren – das ist alarmierend“, so Kostenzer, der auf die Bedeutung intakter Ökosysteme zur Produktion gesunder Lebensmittel aber auch im Hinblick auf Klima- und Hochwasserregulierung, Verhinderung der Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen sowie dem Schutz vor Erosion hinwies.
„Ursprünglich hatten wir 7000 kultivierte und gezüchtete Arten – heute liefern 15 Pflanzen- und acht Tierarten 90 % der menschlichen Nahrung weltweit“, so Kostenzer. Biodiversitätsverlust tritt durch intensive Landwirtschaft ebenso ein wie durch invasive Arten – beispielsweise das indische Springkraut aus dem Himalaya, das sich hierzulande aggressiv ausbreitet. „In Kufstein hat das Springkraut innerhalb weniger Jahre ein Feuchtgebiet flächendeckend zugewuchert“, teilte Kostenzer mit. Ein Schicksal, das der Filz nur aufgrund laufenden Entfernens der einwandernden Neophyten bisher erspart blieb.
Als Problemfelder fürs Artensterben in Tirol listete Kostenzer den Kraftwerksbau (es bestehen bereits über 1000 Wasserkraftwerke in Tirol), Schigebietserschließungen, intensive Land- und Forstwirtschaft, Gewässerverbauung, Zerschneidung von Lebensräumen und unzureichenden Schutz von Schutzgebieten auf. „Trotz Schutz ist dort oft viel erlaubt – besser wäre da ein klares ja oder nein zum Naturschutz“, so Kostenzer. Naturschutz sei ein langfristiger Prozess, wobei einmal Zerstörtes unwiederbringlich verloren ist: „Man kann Schutzgebiete nicht herumschieben.“
Kostenzer hob überleitend zur Fotoschau von Filzaktivistin Maria Ringler die Bedeutung von Magerwiesen für die Artenvielfalt hervor: „Je bunter, desto wertvoller!“ Wie bunt und vielfältig sich dank konsequenter Pflegemaßnahmen die Filz heute zeigt, fingen Maria Ringler, Brigitte Durkowitzer, Brigitte Hausberger, Armin Oberhauser und Tom Mey mit der Kamera ein. Über 400 beeindruckende Naturaufnahmen im Lauf der Jahreszeiten führten die Einzigartigkeit dieses fünf Hektar umfassenden, geschützten Landschaftsteiles vor Augen und verdeutlichten den Wert des Arbeitseinsatzes im Feuchtbiotop, der vom Springkraut-Zupfen über die jährliche Mahd bis zum Erhalt von Infrastruktur wie Stege und Schautafeln reicht. „Nur, was wir weitergeben, geht nicht verloren“, ist Maria Ringler überzeugt, die sich an der Spitze eines Teams Ehrenamtlicher, das vom Schutzgebietsbeauftragten Kurt Lechner beraten und vom städtischen Bauhof unterstützt wird, seit Jahren in der Filz engagiert und ab dem Frühjahr auch wieder Führungen im Feuchtbiotop anbieten wird.