Steht die Gemeinde hinter uns oder nicht? Das war eine der zentralen Fragen der Anrainerversammlung des Seveso III-Betriebes Primagaz in Kirchbichl am 7. März im Kastengstatter Feuerwehrhaus. Die Anrainer fürchten um ihre Sicherheit bei einem Unfall am Werksgelände, beklagen fehlende Informationen für das Verhalten im Ernstfall und fühlen sich jetzt im Stich gelassen beim Bemühen um Einsicht in den Sicherheitsbericht, den das Unternehmen als Seveso III-Betrieb verpflichtend der Gewerbebehörde vorlegen musste. Diese verweigert seit zwei Jahren die Akteneinsicht, die Anrainer und Gemeinde am Gerichtsweg erwirken wollen.
„Mit dem Boot, in dem wir alle gemeinsam sitzen, kommen wir nicht recht vom Fleck“, beschrieb Manfred Schwarzenbacher von der Anrainerinitiative „Primafreunde“ die aktuelle, unbefriedigende Lage. „Laut EU-Richtlinie muss der Sicherheitsbericht, der uns Anrainer schützt, der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden“, erklärte Johanna Moritz-Leitner den Standpunkt der Betroffenen, die kein Verständnis für die Geheimhaltung haben und nach Vorlage des Berichtes diesen durch unabhängige Sachverständige prüfen lassen wollen. Man habe das jahrelange „Ping-Pong-Spiel“ satt und appelliere an den Betrieb, den Sicherheitsbericht direkt den Anrainern auszuhändigen.
Gleichzeitig gehen Anwälte gegen den abschlägigen Bescheid des Landesverwaltungsgerichtshofes betreffend die Herausgabe des Sicherheitsberichtes durch die BH Kufstein vor. Dr. Sallinger im Auftrag der Primafreunde und Dr. Katharina Moritz im Auftrag der Gemeinde Kirchbichl. Dass die Revision beim Verwaltungsgerichtshof in Wien nur durch den Anrainer-Anwalt erfolgte, rechtfertigte Dr. Moritz mit der juristischen Grundlage, dass die Gemeinde keine Parteienstellung und damit die wesentlich schwächere Rechtsposition als die Anrainer hätte.
Von Bürgermeister Herbert Rieder und dem Seveso III-Beauftragten der Gemeinde Vizebgm. Franz Seil wurde nach emotionaler Diskussion den Anrainern zugesichert, auch weiterhin für Rechtsvertretungskosten aufzukommen, wenn das Vorgehen mit der Gemeinde abgesprochen wird. „Wir bleiben dran“, so Rieder.
Besorgt um die Sicherheit machten sich die Primafreunde bereits auf die Suche nach externen Sachverständigen betreffend Sicherheitsmaßnahmen und mussten feststellen, dass Gutachter ebenso auf die Informationen des betriebsinternen Sicherheitsberichtes angewiesen sind.
„Seit 15 Jahren wohne ich jetzt hier und bisher hat es keine einzige Katastrophenübung mit uns gegeben. Wir haben ein Recht auf Info“, meldete sich ein besorgter Anrainer. Roland Ponholzer wies auf den Katastrophenschutzplan der Gemeinde hin, der sich mit Verhaltensregeln bei einem Störfall beschäftigt, aber nicht öffentlich bekannt ist. Bgm. Rieder sicherte zu, diese Infos an alle Haushalte in der 300-Meter-Zone schriftlich zu übermitteln und hielt fest, dass die Informationspflicht bei einem Störfall beim Unternehmen liege.
„In den letzten 10 Jahren hat es 29 Störmeldungen gegeben“, teilte Schwarzenbacher mit und zitierte aus einem Primagaz-Email die Bedeutung von akustischen Warnsignalen: „Sirenengeheul ist ein Einbruchsignal, Gefahren werden durch ein lautes Hupgeräusch signalisiert.“ Die Anrainer teilten der BH u.a. einen Störfall vom 16./17. Oktober 2017 mit, bei dem es durch Versickerung nach dem Auswaschen von Tanks zu massiver Geruchsbelästigung kam. Die Bürgerinitiative rät den Anrainern, aufmerksam zu sein und künftig bei starkem Geruch oder Vorfällen das bei Behörde und Polizei anzuzeigen.