Ein Lied, dessen Melodie und Text zu Herzen geht und das heute weltumspannend in 350 Sprachen und Dialekten von Milliarden Menschen gesungen wird – das ist das vor 200 Jahren komponierte Weihnachtslied „Stille Nacht“. Dessen bewegende Geschichte steht im Mittelpunkt des Singspieles „Stille Nacht – vom Friedenslied zum Kaufhaushit“, das am 22. Dezember 2018 in der voll besetzten Holzmeisterkirche in Bruckhäusl eine umjubelte Aufführung erlebte.
Die großen Stars des Abends waren die jungen Darstellerinnen und Darsteller des JUKI-Opernworkshops der Academia Vocalis, die eindrucksvoll umsetzten, was sie in der jährlichen Projektwoche mit Stimm-, Sprech- und Schauspielausbildung samt Tanz, Mimik, Solo- und Chorgesang von ProfessionistInnen vermittelt bekommen. Die Kinder und Jugendlichen begeisterten mit ihrem mehrsprachigen Gesang ebenso wie mit ihrem schauspielerischen Einsatz, der auch angesichts der raschen Szenenabfolge mit häufigem Umziehen und Ortswechseln in der Kirche volle Konzentration abverlangte.
Idee und Konzeption zum Singspiel stammten von Martin Reiter, mit seinen Regie-Einfällen garantierte Norbert Mladek immer wieder für Staunen. Den mit vielen historischen Details gespickten Text verfasste Malte Alsen alias Mag. Andreas Madersbacher, der auch als Sprecher Hintergrund-Informationen lieferte.
Die spannende Zeitreise vom Heute zum Ursprung des berühmtesten Weihnachtsliedes führte rund um die Welt – nach Grönland, wo Stille Nacht ganzjährig bei Begräbnissen gesungen wird, bis nach China, wo es in den 1960er Jahren sogar von einer französischen Reisegruppe zu Ehren Maos gesungen wurde, um einer Verhaftung wegen Spionage zu entgehen. In amerikanischen Nachtclubs wurde Stille Nacht ebenso angestimmt wie in düsteren Zeiten: von den Nationalsozialisten wurde das Lied für Propaganda-Zwecke benützt, etwa zu Weihnachten 1942. Die als Zeitdokument eingespielte Radio-„Weihnachtsringsendung“ mit Einbeziehung von Front-Schauplätzen des 2. Weltkrieges von Stalingrad über den Kaukasus zum Schwarzmeerhafen über Afrika bis zum Eismeer und zur U-Bootflotte im Atlantik wollte damals den Soldaten wohl Hoffnung vermitteln – heute erinnert sie nur mehr an das Grauen.
Während des 1. Weltkrieges schwiegen am Heiligen Abend bei gemeinsamen Gottesdiensten, bei denen auf beiden Seiten „Stille Nacht“ erklang, an der Front für kurze Zeit die Waffen. Als die Arbeiter im beginnenden Industriezeitalter sich gegen unmenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen begannen zu Wehr zu setzen, entstand mit der „Arbeiter Stille-Nacht“ eine eigene Text-Variante.
Bis in die 1850er Jahre führte das 1816 vom Pfarrer Joseph Mohr verfasste Gedicht, das 2 Jahre später vom Lehrer Franz Xaver Gruber als Lied vertont wurde, ein bei uns weitgehend unbekanntes Dasein. Gruber schrieb die authentische Fassung samt Entstehungsgeschichte 1854 nieder. Erst 1866 setzte sich in Salzburg das Lied durch – 18 Jahre nach Mohrs Tod wurde es ins offizielle Kirchenliederbuch eingetragen.
Für seine Verbreitung sorgten die Tiroler – vornehmlich die Zillertaler. Der Orgelbauer Mauracher aus Fügen, der die desolate Orgel in Oberndorf reparierte, brachte die Weise mit, die 1831 von der Sängerfamilie Strasser erstmals im Ausland in Leipzig gesungen wurde. Die Ur-Rainer Sänger, ebenfalls aus dem Zillertal, traten mit Stille Nacht dann in England und 1839 bereits in New York auf.
Als „Reiseführer“ durch die Zeiten verbanden Theresa Thaler als Maria und Marcel Peer als Joseph die Stille Nacht-Liedversionen des Chores, der instrumental von der der Stille Nacht Project Band mit Jörg Höllwarth, Christian Lamm, Peter Pitterl und Florian Reider unterstützt wurde. An der Orgel wirkten Salina Lackner und Manfred Zott mit, an der Harfe Helena Bachler und mit Gitarre und Gesang zum Abschluss Valentin Angerer. Die Choreinstudierung erfolgte durch Irmgard Wollrab und die Gesamtleitung hatte Maria Knoll-Madersbacher inne. Die effektvolle Singspiel-Inszenierung, bei der Ramon Kohlmann vom Wörgler Harmony & Noise Studio an den Technik-Reglern von Licht und Ton saß, zeigte auf beeindruckende Weise das Resultat der hervorragenden Jugendarbeit, die im Opernworkshop der Academia Vocalis geleistet wird.
Lang anhaltender Applaus und vielfaches Lob, auch von den Bürgermeistern Herbert Rieder aus Kirchbichl und Hedi Wechner aus Wörgl, belohnte alle engagierten Mitwirkenden, darunter die gesamte Familie Madersbacher, die vor und hinter den Kulissen für die erfolgreiche Umsetzung des ambitionierten Projektes im Einsatz war. Das Singspiel wurde übrigens nur zwei Mal aufgeführt – nach der Premiere am 19. Dezember in Fügen dann zwei Tage vor Weihnachten in Bruckhäusl im Rahmen der Konzertreihe des Kulturreferates der Gemeinde Kirchbichl.