Turbo-Kapitalismus ohne Ende: Wie damit umgehen?

„Was machen die Reichen – richtig!?“ – und welche Folgen hat der förmlich explodierende Reichtum Weniger auf das Leben aller? Welche Strukturen und Strategien stehen hinter der weltweit grassierenden Vermögensanhäufung bei Verelendung der Bevölkerung? Und vor allem: wie kann Geld erfolgreich anders eingesetzt werden? Mit diesen und vielen weiteren Fragen befasste sich am 28. September 2017 der IT-Pionier Heinz Hafner im Tagungshaus Wörgl.

Heinz Hafner referierte auf Einladung des Unterguggenberger Institutes, bei dem er im Vorstand mitarbeitet, bereits zwei Mal im Tagungshaus Wörgl – 2014 über Digitale Währungen wie Bitcoins und 2015 über Datenschutz & Informationsfreiheit. Der IT- und Datenbank-Spezialist mit Datenschutz-Ausbildung  gründete bereits drei IT-Unternehmen und ist Pionier im digitalen Bereich. Mit Scharfsinn analysiert der studierte Mathematiker die technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen, bedient sich dabei auch kybernetischer Computermodelle und zieht daraus seine Schlüsse. Sein Wissen fließt in sein erstes Buchprojekt „HEARTh Attack“ ebenso ein wie in sein Netzwerk „Digital Asset Management Network“ DAMN, das er seit drei Jahren mit Gleichgesinnten weltweit aufbaut – Menschen, die ökologische und nachhaltige Investitionen tätigen und damit zu einem friedlichen Wandel hin zu mehr Fairness beitragen.

Nicht nur die Folgen des Turbo-Kapitalismus, auch der Technologie-Revolution formen heute die weltweit aggressiv agierende Finanzindustrie, die auf Vermögensanhäufung bei Wenigen programmiert ist. Für das, was in Hauptquartieren der Finanzoligarchen passiert, hatte Hafner zwei passende Bilder parat, die auch für seinen Buchtitel  „HEARTh Attack“ – übersetzt „Herz- bzw. Herd- Attacke“ Pate stehen: Was Zins und Rendite-Ansammlung beim Investor bewirken, vergleicht er mit Kreislauf im menschlichen Körper oder der Funktionsweise eines Ofens: „Wenn das Herz von allem durchgepumpten Blut ein wenig behält, wird der Körper blutleer und es kommt zur Herzattacke. Wenn ein Herd immer etwas von der erzeugten Energie behält, explodiert er.“

Als Sinnbild für Vermögensanhäufung steht heute mit Warren Buffet einer der reichsten Menschen der Welt. Welchen Regeln folgt sein Erfolgsrezept? „Bei jedem Geschäft mehr rausholen als man reinsteckt. Hebel verwenden – z.B. Fremdkapital einsetzen. Das Portfolio streuen. Und die Psychologie: Dann Mut haben, wenn andere Angst haben – und umgekehrt. Unterbewertete Werte kaufen und sparsam haushalten“, listet Hafner auf.

Geld mit Geld machen – nicht mit der Realwirtschaft, denn „im exponentiellen Techno-Kapitalismus werden 95 % des Geldes nicht in der Realwirtschaft eingesetzt“, so Hafner. Die Auswirkungen der Vermögensbildung durch die „Technologie- und Finanzwelt auf Drogen“ schilderte er anhand der erzielten Renditen unterschiedlicher Finanzprodukte. Der Turbo-Kapitalismus ist dabei mit der Token Economy, in der digitale Währungen wie Bitcoin oder Ethereum gehandelt werden, bei der nächsten Ebene angekommen. Warf das Geschäftsmodell der Derivate schon exorbitante Gewinne für Spekulanten ab, so bricht die Token Economy hier alle Rekorde. Wer zum richtigen Zeitpunkt in Bitcoin investierte, konnte binnen fünf Jahren aus 310 Dollar 2,4 Millionen Dollar machen.

„Die digitalen Währungen werden im freien Markt gehandelt. Die 1.130 in der Wertung gelisteten Währungen hatten gestern einen Marktwert von 136 Milliarden Dollar, heute sind es 144 Milliarden Dollar“, zeigte Hafner tagesaktuell die Entwicklung auf, die neue Trends begründet, die „zur Dezentralisierung aller Vermögenswerte führen. Alles wird handelbar, alles wird teilbar und alles erhält einen Wert.“  Wer sich nicht damit befasst, kann sich schwer vorstellen, was damit gemeint ist. So gibt es im Hochrisiko-Sektor beispielsweise eine Börse für Jungsportler – sie erhalten heute Investorengeld, das später mit Gewinn aus den Werbeeinnahmen des Sportlers zurückbezahlt werden muss. Hafner warnt allerdings: „Dieser Finanzmarkt ist hoch komplex und hoch dynamisch und nicht zum Mitmachen für jedermann geeignet.“ Um hier erfolgreich mitzumischen, fehle vielen das Umfeld – da braucht es sehr viel Zeit, Energie, Mut und Wissen.

Ein Finanzmarkt, der  nach basisdemokratischen Regeln funktioniert? Weit gefehlt! Durch die systembedingte Vermögensanhäufung bei Wenigen steigt die Schuldenfalle bei öffentlichen und privaten Haushalten. Die Zeche zahlt die breite Masse, die kaum einen Vermögensaufbau schaffen kann. Das führt zu einem weiteren Auseinanderdriften von Arm und Reich: „Einzelne Vermögende werden zum Engpass der Gesellschaft“, beschreibt Hafner die Staubsauger-Wirkung des Kapitalismus: „Schon heute haben 0,1 % der Reichsten gleich viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Menschheit.“ Darin steckt eine systemische Gefahr: „In fünf bis 10 Jahren dürfte der Mittelstand tot sein – es wird ihn vermutlich zerreißen.“ Die Dynamik zu immer größeren Vermögen hat  eine fatale Kehrseite: Unendliche Zerstörung und Armut, die zur Vernichtung der Natur führt – ganz nach dem Grundsatz „Wenn der Mensch nichts wert ist, warum soll ich mich dann um die Natur kümmern?“

Technologie-Missbrauch, zentralistische Konzerninteressen, eine von Konkurrenz und Angst getriebene Wirtschaft und Gesellschaft mit Ressourcenverschwendung – beim derart negativen Ausblick erwartete das Publikum im gut gefüllten Tagungshaussaal schon sehnsüchtig Lösungsansätze für eine lebenswerte Zukunft. „Wie kommen wir wieder in die Fülle?“ lautet die zentrale Frage, auf die Hafner antwortet: „Wir brauchen wieder Gemeinsinn, Vertrauen, Nachhaltigkeit, Zukunftsgestaltung und Entwicklungsförderung für einen positiven Aufbau. Wenn schon Wachstum, dann ein gesundes und qualitätvolles, das „dezentral, vernetzt, kooperativ, vielfältig, natürlich und menschlich organisiert ist“.

Meint konkret – wer Geld investieren will, hat heute durch das Internet und die weltweite Vernetzung die Möglichkeit, sich für gute, nachhaltige Investments, die der Menschheit zu Gute kommen, zu entscheiden. „Da gibt es sensationelle Projekte und Entwicklungen“, so Hafner. Etwa im Crowd-Funding-Bereich und einer neuen Beteiligungskultur – die Token Economy birgt auch viele Chancen, Positives zu bewegen. Was praktisch umsetzbar ist, testet Hafner mit seinem Vermögensverwaltungs-Netzwerk DAMN, dessen Arbeitsweise er im zweiten Teil des Abends vorstellte.

Die Publikumsfragen kreisten um Kryptowährungen wie Bitcoin, das mit digitalem Bargeld vergleichbar ist, sowie um Risiken und Chancen der neuen Token Economy.  Einen Einblick in die Themen der „next generation“ gibt Heinz Hafner auch in seinem Online-Magazin naturmensch.digital

Und den Foliensatz des Vortrages gibt´s hier zum Download:
https://magazin.heinzhafner.de/wp-content/uploads/2017/10/WasMachenDieReichenRichtigRichtig_Woergl_20170928_Teaserversion.pdf