Wie Konsum das Stadtbild und unser Leben prägt

Nicht touristische Sehenswürdigkeiten, sondern Konsumgewohnheiten bei Ernährung und Bekleidung standen im Fokus einer etwas anderen Stadtführung in Wörgl, die für den Verein Südwind am 21. März 2019 im Rahmen der Wörgler Demokratie-Woche die beiden Studenten Jan Mair und David Spielbichler aus Wörgl anboten.

Seit September 2017 sensibilisieren die Südwind-Stadtführungen der Beiden vor allem Jugendliche für die Auswirkungen unseres täglichen Konsumverhaltens und rücken dabei auch ethische Fragen in den Mittelpunkt. 12 Interessierte fanden sich am 21. März vor dem City-Center zum Stadtrundgang ein, der zu Stationen beim Unterkrumbacher Bauern, im Seniorenheim, beim GEA-Shop und in der LEA-Produktionsschule führte.

Zum Start des Stadtrundganges vermittelten historische Fotografien der Bahnhofstraße, wie sich das Stadtbild durch Konsumgewohnheiten verändert hat. Eine Entwicklung, die weitergeht und spannenden Fragen aufwirft. Das 1995 erbaute CityCenter erhielt mit dem M4 und dem Westend-Einkaufszentrum Konkurrenz. Der Verdrängungswettbewerb hat sich in den vergangenen Jahren nun vermehrt auf den Online-Handel im Internet verlagert.

Die beiden Stadtführer zeigten auf, wie durch Konsumverhalten und die tägliche Kaufentscheidung auch die Produktionsbedingungen und deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt gestaltet werden. Wer Lebensmittel saisonal aus regionaler und möglichst biologischer Erzeugung kauft, sorgt für kurze Transportwege. Viel Wissenswertes vermittelten Jan und David auch über die Zusammenhänge von Fleischkonsum und dessen globale Umweltzerstörung durch industrielle Landwirtschaft – etwa durch Futtermittelanbau in Monokulturen. Fazit: Weniger Fleisch, dafür in besserer Qualität aus artgerechter Tierhaltung hilft nicht nur der Umwelt, sondern auch der Gesundheit. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch liegt in Österreich bei 65 kg, empfohlen sind 15,5 kg – und das meiste davon stammt aus industrieller Erzeugung. „Nur rund 3 % der Fläche unseres Planeten eigenen sich für Ackerbau. Beim prognostizierten Wachstum der Weltbevölkerung ist unser Fleischkonsum jedenfalls kritisch zu hinterfragen“, regte David Spielbichler zum Überdenken der eigenen Gewohnheiten an.  Praktische Alternativen zum Supermarkt-Einkauf bieten regionale Bauernmärkte ebenso wie Direktvermarkter durch Ab-Hof-Verkauf, in Wörgl beim Unterkrumbacher Bauern, beim Schwoicherbauern, beim Fohringer Hof und beim Bioladen beim Biohof Pinnersdorf.

„Wörgl war 2016 die erste fairtrade-Gemeinde Tirols“, erfuhren die Stadtrundgang-TeilnehmerInnen im Wörgler Seniorenheim, wo die Vorgaben hinsichtlich von Regionalität und Fairtrade für die Lebensmittelbeschaffung für die Küche ebenso thematisiert wurden wie Gütesiegel und deren Aussagekraft. „Der Global 2000 Gütesiegel-Check gibt dazu wertvolle Tipps“, informierte Jan Mair, online Info dazu auf https://www.global2000.at/guetesiegel-check

Dem Thema Bekleidung widmeten sich die beiden letzten Stationen beim GEA-Shop und der LEA-Produktionsschule, die seit 2010 am Angather Weg besteht und Jugendliche in den Bereichen Textil & Mode, Holz & Instandhaltung, Grafik & Design sowie Verkauf ausbildet. „Upcycling ist unsere Devise“, erklärte Textil-Werkstatt-Leiterin Andrea Schmid-Klotz und präsentierte Produkte aus Planen und Stoffresten wie Badetaschen, Papiertaschentuch-Behälter zur Vermeidung von Plastik-Abfall oder Auftragsarbeiten wie Ticket-Taschen, die für ein Tiroler Reisebüro angefertigt werden.

„20 % der weltweit verbrauchten Pestizide werden im Baumwollanbau eingesetzt“, erklärte Jan Mair und zeigt die Umweltfolgen in Anbaugebieten auf, die auch aus dem hohen Wasserverbrauch resultieren: „1 kg Baumwolle benötigt im Anbau rund 5.000 Liter Wasser, in trockenen Zonen wie im Sudan bis zu 29.000 Liter.“ So ist der Aralsee, einst so groß wie die Schweiz, aufgrund des Baumwoll-Anbaues in Kasachstan bereits zu 90 % ausgetrocknet. Zur Umweltbelastung beim Anbau kommt dann noch jene bei der Textil-Produktion in Ländern mit niedrigen Umweltstandards und oft katastrophalen Arbeitsbedingungen für die Textilarbeiterinnen.

Ohne Unterwäsche einzurechnen kauft jeder Österreicher laut Statistik pro Jahr 40 Kleidungsstücke. Da lautet die Empfehlung: Weniger, dafür qualitativ besser einkaufen und die Kleidung länger verwenden. Bei Baumwoll-Produkten gilt das grüne GOTS-Gütesiegel als verlässliche Quelle, fair und ökologisch produzierte Waren zu erhalten.

Die Anleitung zum Einkauf mit gutem Gewissen beinhaltete zudem noch weitere Tipps wie das Überdenken der Einkaufswege, dabei aufs Auto zu verzichten. Sachen reparieren, ausleihen, second-hand erwerben oder tauschen sind ebenso rohstoffschonende Alternativen zum Kauf. Wer Lust bekommen hat, selbst bei einer Südwind-Stadtführung zum Thema Ethischer Konsum in Wörgl mit zu machen, kann sich an die Südwind-Agentur in Innsbruck wenden, online unter www.suedwind-agentur.at Südwind ist eine NGO für nachhaltige globale Entwicklung, Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen weltweit.