Eine junge Stadt, aber Jahrtausende lang besiedelt – das ist Wörgl. Der dynamische Siedlungsraum hat sich besonders stark seit dem Bau der Eisenbahn im 19. Jahrhundert entwickelt, fast zeitgleich mit dem Aufkommen der Photographie. Fasziniert von diesem Wandel startete der „zoagroaste“ Wörgler Franz Bode, Obmann des Kunstvereines ARTirol vor einem Jahr ein umfangreiches Projekt: Er begann, alte Photographien zu sammeln und ein zu scannen. Mittels alter und neuer Bilder nimmt er alle Internet-Benützer nun mit auf eine digitale Zeitreise und holte sich dazu u.a. als fachkundigen Geschichtsexperten Wörgls Stadtarchivar Hans Gwiggner mit ins „Cockpit“. Den Wandel sichtbar macht zudem das Kunstprojekt „Urbane Vergänglichkeit“ im öffentlichen Raum Ende Mai 2016.
Über 5.400 Fotos, Sterbebilder und Dokumente hat Franz Bode schon auf seiner Festplatte gesichert und befüllt damit nun im Lauf der Zeit den Internet-Auftritt heimat.woergl.at unter dem Dach des Wörgler Stadtarchives. Dem 1948 in Neusiedl am Steinfeld geborenen Niederösterreicher liegt ein Faible für Geschichte im Blut. Schon während der Schulzeit in Wien begann er, Stadtansichten zu fotografieren und urbane Veränderung festzuhalten. Nach seinem Eintritt ins Berufsleben bei Kleiderbauer in Wien kam er mit 20 Jahren nach Deutschland, wo er in Köln, Frankfurt und Ludwigsburg arbeitete. Bode blieb der Mode- und Textilbranche treu, als er 1978 berufsbedingt nach Innsbruck und im Jahr 2000 nach Wörgl kam. „Ich habe mich immer für die Geschichte der Orte interessiert, an denen ich lebte“, erzählt Bode. So recherchierte er über zwei Jahre lang die Geschichte der Marterl aus Höttinger Stein, die quer durch Innsbruck aufgestellt sind – sein Buch darüber liegt heute im Heimatarchiv.
In Wörgl engagierte sich Bode bald in der kreativen Szene, wurde 2004 erstmals Obmann des Kunstvereines ARtirol, bis dahin bekannt als Kunstverein Unterländer Zeitgeist, und 2014 nach mehrjähriger Unterbrechung erneut dessen Obmann. Die Initial-Zündung zu seinem umfangreichen Homepage-Projekt war 2011 die Ausstellung „Wörgl gestern und heute“, bei der Bode, fachlich unterstützt von Hans Gwiggner, historische Stadtansichten aktuellen Fotos gegenüberstellte.
Mit zunehmender Vertiefung in Wörgls Geschichte wuchs auch Bodes Interesse und Freude am Projekt. Er begab sich mit Hans Gwiggner auf Stadtwanderungen, ließ sich von ihm alles Wissenswerte über die Orte erzählen und zeichnete die Gespräche auf. Über 20 Stunden Tonaufnahmen sind es bereits, die zwecks besserer Verständlichkeit allesamt erneut in Andy Winderls Wörgler Tonstudio Harmony & Noise aufgenommen wurden und werden.
Zum Start findet man auf heimat.woergl.at eine Auswahl an Bildern, gegliedert nach Themen wie Straßen, Häuser, Persönlichkeiten oder Besonderheiten wie das international bekannte Wörgler Freigeld. Eine Erklärung sämtlicher Straßennamen wird ebenso geliefert, an Verstorbene erinnern von A-Z gegliederte alte Sterbebilder. „Die Homepage soll weiter wachsen. Es würde uns freuen, wenn wir Bilder, Fotos oder Dokumente dafür zur Verfügung gestellt bekommen“, teilt Bode mit, der parallel zur Arbeit am Bildschirm mit der Vorbereitung der ARTirol-Kunstaktion „Urbane Vergänglichkeit“ von 27. bis 29. Mai 2016 beschäftigt ist.
Den Auftakt bildet am Donnerstag, 26. Mai 2016 die Aufstellung von 32 alten Ansichten auf 2 mal 3,5 Meter großen Plakatwänden vor den heutigen Gebäuden. Am Freitag, 27. Mai stehen ab 16 Uhr in der Bahnhofstraße bei den Stationen „Begegnungsstühle“, auf denen BesucherInnen Platz nehmen und u.a. mit KünstlerInnen, Stadtarchivar Hans Gwiggner und weiteren Geschichtskundigen diskutieren können. Geplant sind zudem Führungen für Schulklassen von Bild zu Bild sowie im Heimatmuseum.
Die viertägige Kunstaktion beinhaltet die Ausstellung von Acrylbildern, die ARTirol-Mitglieder anhand historischer Wörgler Stadtansichten angefertigt haben. Die Vernissage mit Musik des Gitarrenquartetts Alexandra Pezzei in der Galerie am Polylog findet am Freitag, 27. Mai um 21:00 Uhr statt, bereits um 20 Uhr beginnt dort eine Lesung der Schreibwerkstatt Breitenbach. Im Veranstaltungszentrum Komma werden am Samstag, 28. Mai ab 16:00 Uhr von Egon Frühwirth Filme aus dem Archiv des Wörgler Filmclubs sowie die Gemeinschaftsausstellung ARTirol 2016 gezeigt, gestaltet von Mitgliedern des Kunstvereines.
Am Sonntag, 29. Mai, folgt eine weitere Vernissage im Wörgler Seniorenheim, wo im Rahmen einer Fotoausstellung alte und neue Stadtansichten gegenübergestellt werden. Die Vernissage mit Präsentation der Homepage heimat.woergl.at und Filmvorführungen von Armin Oberhauser beginnt um 15:00 Uhr. KünstlerInnen des Kunstvereins kommen dabei mit SeniorInnen ins Gespräch, um alte Geschichten und Erinnerungen lebendig werden zu lassen. Beide Ausstellungen werden musikalisch von der Landesmusikschule Wörgl umrahmt. Durch das Sichtbar-Machen von urbaner Entwicklung und Veränderung des Stadtbildes will der Kunstverein ARtirol Denkprozesse über Architektur und Stadtentwicklung anregen und eine Diskussionsbasis schaffen.