Mit Vergissmeinnicht ein Zeichen setzen

Wenn Lena Sellemond mit dem Rad im Wörgler Ortsteil Söcking unterwegs ist, kann man sie immer wieder bei einer merkwürdigen Tätigkeit beobachten: Sie bewirft mit kleinen Erdbällen Böschungen und Straßenränder. Genauer gesagt sind es „Seed-Bombs“ – „Samenbomben“ mit Vergissmeinnicht-Samen. Die Wörgler Kunst-Studentin will damit ein Zeichen setzen – zur Erinnerung an das Durchgangslager Wörgl, durch das während der NS-Zeit von 1942 bis 1944 über 31.000 Zwangsarbeiter geschleust wurden.

„Uns hat nie jemand etwas davon gesagt. Auch meine Eltern hatten nie davon gehört“,  erklärt Lena Sellemond, die erstmals durch das Plakat zur Ausstellung „NS-Zwangsarbeit: Das vergessene Lager in Wörgl“ im September 2016 auf das bis dahin wenig beachtete Kapitel der Wörgler Stadtgeschichte aufmerksam wurde. Auf Basis der jahrzehntelangen Forschungsarbeit des Historikers Mag. Erich Schreder erarbeiteten der Wörgler Heimatmuseumsverein gemeinsam mit dem Anne Frank Verein Österreich eine Wanderausstellung samt Videofilmen zur Erinnerungskultur in Wörgl, die vom Anne Frank Verein weiter an Schulen gezeigt wird.

Lena studiert seit 2011 an der Akademie der Bildenden Künste in Wien mit dem Ziel Lehramt für bildnerische Erziehung und textiles Werken, war zur Zeit der Ausstellung in der Galerie am Polylog nicht in Wörgl und begann deshalb selbst zur recherchieren. „Das war garnicht einfach“, erinnert sie sich, Quellen waren rar. Was sie erst recht motivierte, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Und so reifte bald der Entschluss, dazu auch künstlerisch ein Projekt im Rahmen ihres Studiums anzugehen. „Es gibt bereits viele Projekte mit Pflanzen zum Thema Nationalsozialismus. Weil das Lager in Wörgl vergessen wurde, nahm ich aufgrund ihrer Symbolkraft das Vergissmeinnicht“, erklärt Lena und will mit den Blumen den Ort verschönern und die Aufmerksamkeit für das Thema erregen.

Heuer im Frühjahr begann Lena mit dem Ausbringen der Samen, die sie in ein Gemisch aus Erde und Tonerde verpackt. „Kugeln formen, trocknen lassen –und nach fünf Tagen ausbringen“, schildert sie die Vorgangsweise bei ihrem „Guerilla-Gardening“-Projekt. Während des Sommers zeigten sich schon die ersten Blüten und im nächsten Frühjahr hofft sie, dass ein hellblaues Blütenmeer als lebendiges Mahnmal ans Durchgangslager Wörgl erinnern wird. Die Kunstaktion, zu dem auch die Dokumentation ihres Projektes im Internet zählt, sieht sie auch als Unterstützung für das Anliegen, am Gelände des ehemaligen Durchgangslagers ein dauerhaftes Denkmal zu schaffen.