„5G – Chancen oder Risiko?“ – unter diesem Motto lud die Stadtgemeinde Wörgl am 17. Oktober 2019 zum Informations- und Diskussionsabend mit Experten ins Komma Wörgl. Rund 75 Interessierte kamen, sehr viele von auswärts – vor allem Menschen, die sich wegen der neuen Mobilfunk-Technologie sorgen um Gesundheit und Umwelt machen. Ein Abend, der physikalisch-technische Fragen beantwortete, viele vor allem im Hinblick auf die biologischen Auswirkungen offen ließ. Und zeigte: In der Bevölkerung beginnt sich Widerstand zu formieren.
„1998 begann Wörgl mit dem Ausbau des Glasfasernetzes, das nun zu 80 % fertiggestellt ist. Die Glasfaserleiter sind Voraussetzung für den 5G-Ausbau“, erklärte Bgm. Hedi Wechner einleitend und damit auch, warum gerade Wörgl zum Testgebiet für 5G wird. Derzeit sind fünf 5G-Funkstationen im Stadtzentrum in Betrieb. Nach der Pressemeldung über den Start des 5G-Netzes hagelte es allerdings nicht nur Lob, sondern auch Kritik, was die Bürgermeisterin zum Info-Abend veranlasste. Bedenken und Fragen nach gesundheitlichen Nachteilen seien gerechtfertigt, nicht aber „unseriöse Panikmache mit Horrormeldungen“, so Wechner. Bei der Auswahl der Podiumsgäste habe man darauf geachtet, dass diese nicht im Dienst von Mobilfunk-Unternehmen stehen.
Fakten & Fiktion nannte der erste Referent des Abend DI Gernot Schmid von Seiberstorf Laboratories, zuständig für den Fachbereich Elektromagnetische Verträglichkeit sein Kurzreferat. Er zeigte sich überrascht davon, „mit welcher Wucht 5G in der Bevölkerung aufschlägt“, sei doch bei Inbetriebnahme der 3G-und 4G-Netze niemand besorgt gewesen. „Im Unterschied zum Start des Mobilfunks vor 23 Jahren gibt es heute online social media-Plattformen, die breite Teile der Bevölkerung mit Falschinformationen fluten“, so Schmid. Es sei für Laien schwierig, seriöse Info von Horrormeldungen zu unterscheiden.
Schmid gab einen Überblick über die derzeit bereits genützten Funkfrequenzen. 5G-Antennen würden einen Technologiesprung bedeuten, das sie im Gegensatz zu den jetzigen Sendern nicht mehr alles rundum bestrahlen, sondern 5G Richtfunk sei, die Funkstrahlung zwischen Sendemast und Empfangsgerät bündelt. Das Feld „wandere“ mit den Benützern. Ein Irrtum sei, dass mit steigender Anzahl der Funkzellen die Immissionen automatisch steigen. „Je kleiner die Zelle, umso weniger Sendeleistung“, so Schmid. Die Feldstärke würde dadurch homogenisiert, solche Spitzenwerte wie jetzt würden nicht mehr auftreten. Im Mittel sei aber mit eine „moderate Erhöhung der Immissionen realistisch, weil künftig viel mehr Datenmengen transportiert werden müssen“. Auch mit 5G sei man noch weit weg vom Erreichen von Grenzwerten, so Schmid.
Was die gesundheitlichen Auswirkungen angeht, so sehe „die deutlich überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler derzeit keine Gefahr für die Gesundheit“, so Schmid. Eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern teile diese Meinung nicht. Wobei sich das auf die 5G-Frequenzen jetzt bei Einführung im Bereich von 3,4 bis 3,6 GHZ beziehe. Ab 2025 fasse man eine Frequenzerhöhung auf 26 GHZ ins Auge – doch dafür gebe es noch Forschungsbedarf, wofür bereits Projekte in Planung seien. Als „völligen Unsinn“ bezeichnete Schmid im Internet kolportierte Meldungen, dass 5G-Antennen laserähnliche Strahlen aussenden. Viele Falschinfos kursieren bei technischen Details.
Schmid ging auch auf den wissenschaftlichen Kenntnisstand möglicher gesundheitlicher Auswirkungen der Mobilfunktechnologie ein. Hier sei die Erwartungshaltung der Bevölkerung „realitätsfern“, da man nirgends Aussagen mit 100 % Sicherheit treffen könne. Einigkeit herrsche über weiteren Forschungsbedarf. Was vorliegende Studien betrifft, so seien Originalpublikationen für Laien „zumeist nicht korrekt interpretierbar“. Dass Funkstrahlung als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft wurde, sei auf Basis der Studien zu „Kopftumore durch Handys“ erfolgt. Die Datenlage lasse aber nicht zu, diese Belastung mit der von Basis-Funkstationen gleich zu setzen. Bei der allgemeinen Entwicklung von Krebserkrankungen könne kein Zusammenhang mit dem Handy-Gebrauch festgestellt werden.
Schmids Fazit: „Es gibt keinen plausiblen wissenschaftlichen Hinweis darauf, dass 5G im Freqzenzbereich bis 3,8 GHZ biologisch anders wirksam wäre als etablierte Technologien.“ Was sicher krank mache, sei Angst aufgrund von Falschinfos und Halbwahrheiten aus dem Internet. Schmid empfahl als seriöse Informationsquellen www.bfs.de und https://bafu.admin.ch und eine „sachliche Diskussion statt einer Emotionalisierung“.
Anwendungen von 5G in automatisierter Mobilität stellte Prof. Dr. Martin Göller von der Fachhochschule Kufstein vor. „Die Idee ist, entlang von Autobahnen mit Dronen den Verkehrsfluss zu erfassen. Die Bezirksfeuerwehr hat jetzt schon Dronen bei Unfällen im Einsatz.“ Man wolle nun einen Korridor für automatisierte Mobilität aufbauen. Diese sei die Zukunft, ist Göller überzeugt – und das betreffe jede Form von Transportmitteln – ob Auto, Züge, Schiffe oder Flugzeuge. Dadurch würden Unfälle vermieden. Göller: „Bei 100 % Automatisierung der Mobilität ist die Gefahr Mensch ausgeschaltet.“ Die praktische Anwendung der Dronentechnologie etwa bei Gefahrengutunfällen bewähre sich bereits jetzt schon. Um das System sicher überall anwenden zu können, brauche es das 5G-Netz. Damit würde der Mensch als Dronenpilot Vergangenheit sein: Künftig würden mehrere Dronen mit Schwarmintelligenz autonom unterwegs sein – etwa auch bei Vermisstensuchen. „Das bayerische Rote Kreuz hat bereits 80 Dronenteams im Einsatz“, so Göller.
Als dritter Podiumsgast erklärte der Unfallchirurg Dr. Stephan Papp, welche Hoffnungen in der Medizin auf die 5G-Anwendung gesetzt werde. Die Möglichkeiten würden von Ärztenetzwerken und Übermittlung von Patientendaten und Bildgebungsdaten in Echtzeit für sichere Diagnose und Therapie bis zur Überwachung chronischer Patienten reichen. Kritisch sehe er neben der Strahlenbelastung die eingeschränkte Konzentration am Arbeitsplatz durch Internet und Handy, er tritt für Verhaltensschulungen und Bewusstseinsbildung ein.
Die Publikumsdiskussion
Moderator Mag. Andreas Madersbacher eröffnete nach den Kurzreferaten die Publikumsdiskussion, in der viele Fragen unbeantwortet blieben, da dafür zuständige ExpertInnen auch nicht anwesend waren.
„Warum findet sich in Europa keine einzige Versicherung, die Mobilfunkunternehmen versichert?“ lautete die erste unbeantwortete Frage, wobei die Fragestellerin gleich noch feststellte, dass „die Atomindustrie auch nicht versichert wird.“ In den 1970er Jahren habe es auch geheißen, die Atomenergie sei sicher. Schmid stellte dazu fest, dass „ein Zusammenhang von Atomkraft und 5G nicht gegeben ist.“
Ein weiterer Diskussionspunkt waren Grenzwerte und die Feststellung aus dem Publikum, dass „diese von Mobilfunkern festgelegt werden“. „Das ist eine klare Unterstellung und trifft nicht zu“, so Schmid. Grenzwerte würden aus Fakten abgelesen, eine andere Herangehensweise sei das Vorsorgeprinzip: „Vorsorgewerte richten sich nach einem Minimum-Effekt-Level – dann müssten Sie zuhause das Licht ausschalten.“
„Es gibt einen internationalen Appell von 240 Wissenschaftlern aus 41 Ländern, die einen 5G-Stopp fordern. Was, wenn es doch gesundheitliche Auswirkungen gibt?“, wollte eine weitere Zuhörerin wissen. Schmid dazu: „Nur ein Bruchteil dieser 240 Wissenschaftler ist aktiv in dieser Forschung tätig. Die Forderung nach einem Stopp vor endgültiger Klärung der Sicherheit kann nicht erfüllt werden, denn 100 % Sicherheit gibt es nicht.“ Schmid bezeichnete die Angst vor einem hypothetischen Risiko als „erstaunlich“ – würden die Menschen das faktisch hohe Risiko von Autofahrten doch täglich aktzeptieren.
Eine weitere Frage lautete, ob 2G, 3G und 4G weniger gefährlich als 5 G seien. Das sei nicht zu erwarten – zumindest solange keine Hochfrequenzen verwendet werden.
„Praktische Ärzte sehen schon Auswirkungen wie Schlafstörungen und Kopfweh, das wurde auch schon von 40 bis 50 Allgemeinmedizinern veröffentlicht“, meldete sich ein Arzt im Publikum zu Wort. „Beschwerden gibt es, aber noch keine klare Kausalität zwischen Beschwerden und Feldern“, antwortete Schmid, der darauf hinwies, dass es „unbestritten Menschen gibt, die darunter leiden“. „Wo bleibt dann da das Vorsorgeprinzip?“ wollte der Arzt wissen. „Das ist eine politische Frage“, erklärte Schmid.
Auf eine besorgniserregende Entwicklung machte die Wörgler Ganzheitsmedizinerin Dr. Barbara Donhoeffner aufmerksam: „Seit 10 bis 12 Jahren beobachten wir, dass die Spermien langsamer und deren Anzahl geringer wird. Auch das Melanin, wichtig für Zellregeneration, ist um 40 % zurück gegangen.“ Donhoeffner ging auf die zelluläre Ebene ein: „Unter Mobilfunkbestrahlung verhalten sich Zellen anders.“
Kritik aus dem Publikum kam auch dahingehend, dass bei Untersuchungen nur der thermische Aspekt der Funkstrahlung berücksichtigt werde, nicht aber andere Auswirkungen auf biologische Vorgänge im Körper, der ein komplexes System und durch Kumulation vielfacher Belastung, auch durch elektromagnetische Felder, ausgesetzt ist.
„Wer garantiert mir, dass meine Kinder und Enkel in 10 bis 20 Jahren nicht Krebs haben? Warum werden Schulen mit WLAN bestückt und Funkantennen bei Schulen aufgestellt? Es gibt noch keine Langzeitstudien – hier muss das Vorsorgeprinzip eingefordert werden“, meldete sich ein weiterer Diskussionsteilnehmer, dem die Verhaltensänderung der Leute durch den neuen Mediengebrauch negativ auffällt: „Die Menschen verlieren psychosoziale Kontakte.“ „Das kann niemand garantieren“, meinte dazu Bgm. Hedi Wechner. WLAN in Schulen sei eine Forderung der Bildungsinstitute.
„Wir wohnen in Itter, aber meine Kinder gehen in Wörgl zur Schule. Ich mache mir Sorgen“, meldete sich eine Zuhörerin, die einen 5G-Kritiker am Podium vermisste und die Frage stellte, warum die Wörgler Bevölkerung so wenig Interesse an der Veranstaltung zeigte. „Und was die Gefahr Mensch betrifft: Die Gefahr Drone hätte fast unseren besten Schifahrer Marcel Hirscher erschlagen.“
Kann man sich schützen?
Welche Strahlung ist gefährlicher – jene der Endgeräte oder die der Basis-Funkstationen? Welchen Feldern – ob Funk oder elektromagnetischer Art – sind wir rund um die Uhr ausgesetzt und kann man sich schützen? Dazu erklärte Schmid: „Handys und Laptops bestrahlen Sie mehr als Basisstationen!“ Belastungen durch Felder können durch Abschalten von WLAN und Endgeräten, die nicht gebraucht werden, verringert werden. Vor allem nachts – auch den Strom auszuschalten, keine Stand-By Funktionen nützen, sorgt für besseres Raumklima. Und noch ein Tipp: „Abstand zu den Quellen halten – körpernah bekommt man immer mehr Strahlung ab.“ Was Abschirmungsmaßnahmen für die gesamte Wohnung/das Haus betrifft: „Es gibt Firmen, die das anbieten – es ist technisch machbar, kostet aber viel Geld – und das Fenster Öffnen macht alles zunichte.“
Proteste in der Schweiz
„In der Schweiz haben Ärzte mehrfach auffällige Symptome bei der Aufschaltung von 5G festgestellt – Kopfweh, Ohrenweh, Brustschmerz, Müdigkeit, Schlafstörungen“, teilte eine weitere Zuhörerin mit. Nach Protesten auf den Straßen und einer Online-Petition sei die Einführung von 5G nun in mehreren Kantonen verschoben worden. „In der EU wurde 5G beschlossen – und ausgerechnet Brüssel wurde ausgeklammert. Warum?“ wollte sie wissen. „Das ist eine ungünstige Fügung“, erklärte Schmid. In Brüssel gelte das Vorsorgeprinzip schon seit Beginn der Mobilfunktechnologie, das stehe jetzt nicht in Zusammenhang mit 5G.
„Ein BBC-Bericht über große Städte mit 5G schilderte, wie in Sheffield alte Bäume und ganze Alleen aus den Straßen entfernt wurden, weil sie Störfaktoren für 5G sind. Wird das dann in Wörgl auch so?“ wollte eine weitere Zuhörerin wissen. Was Bürgermeisterin Wechner heftig verneinte – auch angesichtes des Klimawandels werde Wörgl „Bäume pflanzen und große schützen, wenn sie nicht krank sind. Grün in der Stadt schaffen ist mir ein wichtiges Anliegen. Wegen eines Handymastes wird kein einzige Baum gefällt“, so Wechner.
„Was macht die Funkindustrie, dass sichergestellt ist, dass Menschen nicht gefährdet sind? Wo sind die Versuche im biologischen Bereich und zu Verhaltensänderungen im Vorfeld der 5G-Einführung?“ wolle ein Maschinenbauer wissen. „Bei 2G gab es Forschungen, die aber nicht direkt von der Industrie bezahlt wurden. In der BRD sind jetzt neue Projekte finanziert mit Steuergeld geplant“, so Schmid. Es sei nicht sinnvoll, dass die Industrie diese Untersuchungen in Auftrag gibt – denn sie würden als „gekauft“ eingestuft und damit anerkannt sein.
„Zelluläre Stressfaktoren setzen weit unter den Grenzwerten an. Das ist eine Gefahr für die Fruchtbarkeit. Wann werden diese biologischen Faktoren und Effekte berücksichtigt?“ lautete eine weitere Frage, die vor Ort nicht beantwortet werden konnte.
„Wann wird in Wörgl 5G außer im Zentrum noch eingeschaltet? Und wo sind die Antennen?“, lautete eine weitere Frage. „In Wörgl sind derzeit fünf Standorte in Betrieb. In Linz hat DREI bereits 30 Standorte in Betrieb und Magenta hat in Österreich 25 Standorte. Wo die Sender stehen, kann im Senderkataster (https://www.senderkataster.at/karte) nachgesehen werden“, teilte dazu ein Vertreter des Mobilfunkanbieters DREI mit, der sich am Ende der Diskussion dazu zu Wort meldete. Der Senderkataster wird quartalsweise aktualisiert und enthält noch keine 5G-Sender in Wörgl, wohl aber in anderen Gemeinden.
„5G bewegt die Gemüter“, stellte Moderator Madersbacher abschließend fest und stellte in Aussicht, dass die Stadt zum Thema 5G eine weitere Diskussionsveranstaltung ins Auge fassen solle.
5G und K.I. – Infoveranstaltung in Itter
5G und K.I. – Möglichkeiten und Gefahren – dazu findet am Freitag, 8. November 2019 ab 19 Uhr beim Gasthaus Rösslwirt in Mühltal 7 in Itter eine weitere Informationsveranstaltung statt. Referentin ist Ruth Henrich, psychologische Beraterin mit Praxis in Schwäbisch Hall und ehemalige Projektcontrollerin im IT-Bereich sowie der militärischen Luft- und Raumfahrtforschung.
Ruth Henrich erklärt in verständlichen Schritten den Zusammenhang zwischen 5G und Künstlicher Intelligenz K.I. (Internet der Dinge), die Auswirkungen von 5G auf Natur und Mensch und Anwendungsbereiche sowie psychologische Gefahren von 5G und K.I.
Eintritt 15 Euro an der Abendkasse, Teilnahme aufgrund des begrenzten Platzangebotes nur mit Anmeldung unter bettina(at)larch.at möglich.
Initiative „Gesund leben in Tirol“
„Gesund Leben Tirol“ ist eine Initiative aus Menschen aus allen Berufsbereichen und Altersstufen und Vereinen im ganzen Land. „Unsere Initiative setzt sich dafür ein, dass wir in Tirol strahlenreduziert gesund leben können. Wir ersuchen Land und Bund Mobilfunk-Entscheidungen auf Basis des rechtlich verbindlichen „Vorsorge Prinzips“ zu treffen“, teilt die Initiative auf ihrer Website www.gesundlebentirol.at mit und hat dort auch eine Online-Petition veröffentlicht.