Amüsantes Weltgericht: Krach im Hause Gott

Vor einem Vierteljahrhundert schrieb der Tiroler Dramatiker Felix Mitterer sein modernes Mysterienspiel „Krach im Hause Gott“ und vertiefte sich dafür längst vor seiner Fassung der Erler Passion ins Quellenstudium abseits der kirchlich anerkannten Schriften. Das Resultat ist eine höchst amüsante, aber auch nachdenklich stimmende Komödie, die am 25. Oktober 2019 in der Regie von Mike Zangerl in einer Theater unterLand-Produktion in der Zone Kultur.Leben.Wörgl ihre gelungene Premiere feierte.

2000 Jahre sind genug, befindet ein in die Jahre gekommener „Gottvater“, dessen Rolle sich Regisseur Mike Zangerl in seinem Theateruniversum nebst Bühnenbild-Entwurf und Bau gleich selbst gegeben hat. Doch dieser Gott ist in die Jahre gekommen – der Rücken schmerzt, die Morgengymnastik strengt an, und bevor das Alter ihn womöglich vergessen lässt, warum er der verkommenen Menschheit den Garaus machen will, ruft er seine wichtigsten Berater zum jüngsten Gericht zusammen.

Während Jesus (Othmar Haller leidend im Hippie-Outfit) der Menschheit noch eine Chance geben und dafür sogar selbst noch einmal auf die Erde will, hat der Heilige Geist (exaltiert und androgyn verkörpert von Johannes Schlögl) die Nase voll von ihr, er schwebt ohnehin längst lieber über den Wassern. Als wortgewandter und listiger Verteidiger der Menschheit steigt Lucifer (teuflisch gut gespielt von Jovi Christian Zangerl) in den Ring: „Gott, das Problem bist du!“ diagnostiziert er und rechtfertigt das Treiben der Menschen. Sie hätten schließlich getan, was Gott wollte. Macht euch die Erde untertan! Auge um Auge, Zahn um Zahn!

Gottes Plan, durch seinen Sohn diesen alten Rachegott zu überwinden, scheiterte. Was haben 2000 Jahre Christentum gebracht? Satan sieht die ernüchternde Bilanz. Das jüngste Gericht ist überflüssig – wie die ganze himmlische (bis dahin männliche) Belegschaft. Denn den Weltuntergang inszeniert sich die Menschheit mittlerweile selbst durch Ausbeutung und Zerstörung ihrer Lebensgrundlage.

„Es ist unsere Schuld, wir haben versagt“, folgert Jesus, will nicht das Ebenbild töten und schlägt Gott vor, sich selbst abzuschaffen. Doch Mitterer lässt nicht die Männerwelt allein entscheiden. Spät aber doch kommt Maria (souverän verkörpert von Carmen Bichler, auch in der Rolle der Putzfrau zu sehen) ins Spiel, die dem Heiligen Geist seine weibliche Natur enthüllt. Gott hat sie zum jüngsten Gericht nicht geladen. Aus  Furcht vor der Göttin, die vor ihm war? Das Weibliche spielt bis zum Auftritt der Gottesmutter Maria eine untergeordnete Rolle – Frauen dürfen als Putzfrau oder Sex-Ikone auftreten, in Zangerls Inszenierung bekommt das Weibliche auch mit Marilyn Manson ein Gesicht – dargestellt vom verwandlungsfähigen Patrick Haller. Wäre die Welt heute eine bessere, wenn Frauen über Jahrtausende mit Männern gleichberechtigt regiert hätten? Eine Antwort darauf gibt es nicht – ebensowenig wie ein Urteil, das wird vertagt.  Denn das ist die Hoffnung – dass die Menschheit ihre Verantwortung erkennt und selbst die richtigen Schritte für ihren Fortbestand setzen wird, als eine Familie.

Zangerl holt das göttliche Streitduell mit Adaptierungen in die Gegenwart – wenn etwa Lucifer am Handy mal schnell nebenbei seine Waffengeschäfte abwickelt oder die wirtschaftliche Ausbeutung Geflüchteter thematisiert wird. Zum Gelingen der Theater unterLand-Produktion tragen Produktionsleiterin Irene Turin, Regieassistentin Jasmin Aydin und ein Stab hinter den Kulissen bei. Amüsante Gags bringen auf ihre Weise Humor in das Endzeit-Stück, das noch am 31. Oktober, 2., 7., 8., 9., 10., 15., 16., 22. und 23. November in der Zone Kultur.Leben.Wörgl in der Brixentaler Straße 23 aufgeführt wird,  Beginn  jeweils um 20 Uhr. Kartenvorverkauf bei Papier Zangerl in Wörgl sowie per Email unter karten(at)theaterunterland.at