„Urbane Vergänglichkeit“ – unter diesem Motto stand eine dreitägige Kunstaktion des Wörgler Kunstvereins ARTirol von 27. bis 29. Mai 2016, die sich anhand historischer Foto- und Filmdokumente mit der Entwicklung Wörgls in den vergangenen Jahrzehnten auseinandersetzte. Zeitgeschichte und Stadtentwicklung gleichermaßen sichtbar machen und zur Diskussion stellen war dabei Absicht des Initiators und Kunstvereins-Obmannes Franz Bode, der dabei auch die neue, von ihm betreute Homepage heimat.woergl.at präsentierte.
„Die alten Bilder sind Gute-Laune-Macher!“ freute sich Kunstvereinsobmann Franz Bode am Freitagnachmittag über die Reaktionen auf die historischen Stadtansichten, die auf Großwandplakaten auf jenen Plätzen in der Innenstadt verteilt aufgestellt wurden, wo die Photographien vor Jahrzehnten entstanden sind. 20 Stationen machten den Wandel sichtbar, wobei das älteste Foto 1908 den Gasthof Rose in der Bahnhofstraße zeigte. Reinhard Atzl, Hans Gwiggner, Josef Dabernig und Franz Bode diskutierten bei Erzähl-Stationen gern mit Passanten.
Wörgl gestern und heute – eine Reise durch die Zeit
Die Idee zur Kunstaktion, die auf positive Publikumsresonanz stieß, entwickelte sich aus Bodes Projekt im Jahr 2011, bei dem er anlässlich der Markterhebung vor 100 Jahren erstmals anhand von Fotos aus dem Jahr 1911 dieselben Orte fotografierte und sie im Rahmen einer Ausstellung gegenüberstellte. Bildpaare aus diesem Projekt werden seit Sonntag im Seniorenheim Wörgl gezeigt. „Mir geht es darum, auf die Veränderung der Stadt hinzuweisen“, so Bode, der damit auch den Blick für Erhaltenswertes schärfen will.
Für die Bilderausstellung in der Galerie am Polylog, für die Mitglieder des Kunstvereins historische Wörgler Ansichten mit Zeichenstift und Farben festhielten, wählte Bode als Motiv u.a. den Vorhauser-Stadel in der Biener-Straße, da dieser das heurige Jahr „nicht überstehen“ wird. Ob Gradl-Anger, Badl, Kupferschmiedhaus oder Bauernhöfe – als „Porträtist“ von Alt-Wörgl hat Sepp Rangger in den vergangenen Jahren schon vielfach Wörgler Ansichten mit Zeichenstift und Kreide festgehalten – seinen Stadtporträts war ein eigener Raum in der Galerie gewidmet. Für die Ausstellung fertigten weiters die Kunstvereins-Mitglieder Ingrid Margreiter, Julia Kerschbaumer, Reinhard Atzl, Josef Dabernig, Peter Valeruz und Klara Egger Bilder nach alten Postkarten-Ansichten an.
Homepage heimat.woergl.at öffentlich vorgestellt
Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stiftet Identität – und um das über den Zeitraum der Kunstaktion hinaus zu unterstützen, befasst sich Franz Bode seit einem Jahr mit dem Aufbau der Homepage heimat.woergl.at. „20 Leute haben mir dabei geholfen, alte Fotos und Informationen zu sammeln“, erklärte Bode und hob dabei besonders Wörgls „historisches Gewissen“ Hans Gwiggner, jahrzehntelang Stadtarchivar und Museumsführer, hervor. Bode befütterte den Webauftritt, verankert im Stadtarchiv und damit bei der Stadt Wörgl, auf 118 Seiten mit 3.500 Fotos und bislang 30 Gesprächsprotokollen mit Hans Gwiggner. „Es sollen 100 werden“, kündigt Bode an und will fortlaufend neue Inhalte einstellen und freischalten. So erfährt man Wissenswertes über Wörgler Straßennamen, Persönlichkeiten und Begebenheiten wie das Wörgler Freigeld. Der Öffentlichkeit wurde der neue Webauftritt am Samstag im Komma und am Sonntag im Seniorenheim Wörgl präsentiert.
„Vergänglichkeit birgt etwas Neues. Wäre das Urbane nicht vergänglich, wäre es eine erstarrte Stadt – und damit wäre auch niemand glücklich“, stellte Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner bei der Vernissage fest. Sie würdigte die Arbeit von Hans Gwiggner, Franz Bode und den Künstlerinnen, die „die Vergänglichkeit der Vergesslichkeit“ entreißen. Wechner, die sich selbst als „Zugereiste“ bezeichnete, erlebt die Veränderungen der Stadt seit 30 Jahren: „Einiges ist gut, einiges tut mir von Herzen leid.“ Dem Dank an die Akteure der Kunstaktion schloss sich auch Wörgls Kulturreferentin Mag. Gabi Madersbacher an: „Der Mensch braucht Wurzeln.“
Zeitgeschichtliche Dokumente verdankt Wörgl auch zahlreichen Filmern, die seit den 1930er Jahren das Leben in Wörgl mit laufenden Bildern auf der Leinwand zeigen. Im Rahmen der dreitägigen Kunstaktion führte Egon Frühwirth im Komma Wörgl bei der Vernissage der ARTirol Gemeinschaftsausstellung von 13 Vereinsmitgliedern filmische Schmankerl vor und Armin Oberhauser zeigte bei der Vernissage der Fotoausstellung „Wörgl – gestern – heute“ am Sonntag im Seniorenheim Wörgl Filme. Die Vernissage am Freitag in der Galerie am Polylog ergänzte eine Lesung der Schreibwerkstatt Breitenbach, für die Klaus Plangger, Brigitte Gmach, Ewald Linzbauer, Sabine Moser und Hans-Peter Außerhofer als Hommage ans Wörgler Bikefestival eldoRADo vor allem eigene Texte zum Thema Radfahren vortrugen. An allen drei Tagen lieferten Ensembles der Landesmusikschule Wörgl das musikalische Rahmenprogramm der Ausstellungseröffnungen.