Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren sind Themen, die heuer auch das Europäische Forum Alpbach beschäftigen. Am 29. August 2023 versammelte sich eine hochkarätige Runde aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik im Wörgler Suntower zur Podiumsdiskussion mit anschließender Probefahrt im selbstfahrenden Auto. Wörgl ist die einzige Tiroler Partnergemeinde im ALP.Lab und will 2024 auf einer Teststrecke ein autonom fahrendes Bürgertaxi anbieten.
„Wörgl und Graz arbeiten gemeinsam am autonomen Fahren“, eröffnete Daniel Watzenig von der Firma Virtuel Vehicle die von Johannes Ausserladscheiter moderierte Panel-Runde, die Staatssekretär Florian Tursky vom Finanzministerium eröffnete. Europa solle digital souverän bleiben. Im Fokus stehe heute die ungeheure Datenmenge und dieses Datenmaterial für Innovationen auswertbar zu machen. Mit dem Data Act der EU und Daten Hubs gäbe es gute Anwendungsbereiche für Wissenschaft und Wirtschaft. Dazu zählen aber auch rechtliche Rahmenbedingungen. „Jetzt werden Teststrecken und damit Reallabore und Sandboxes zum Ausprobieren geschaffen“, so Tursky.
In der Praxis arbeiten Unternehmen bereits zusammen. „AVL ist eine wichtige Partnerschaft mit Microsoft eingegangen“, erklärte Andrea Leitner von AVL, Systementwickler für ADAS/AD – vernetzte, assistierte und automatisierte Fahrsysteme. Die Herausforderung sei, die enorm großen Datenmengen beim autonomen Fahren zu speichern, zu verarbeiten und sinnvoll auszuwerten. „Wir sehen einen großen Boost in Richtung Digitalisierung“, so Leitner.
„Der weltweite Halbleiter-Marktanteil der EU ist zu gering und liegt bei 8,9 %, das Ziel wäre 20 %“, eröffnete Stefan Rohringer, Leiter des Entwicklungszentrums Graz von Infineon Technologies sein Statement. Mit dem Chips-Act werden von der EU 43 Milliarden Euro für die Halbleiter-Produktion bereitgestellt, was angesichts der Investitions-intensiven Branche auch gebraucht werde. „Europa hat gute Voraussetzungen. Unsere Stärke ist vor allem die Sensorik“, so Rohringer. Infineon betreibt in Villach das größte Mikrochip-Werk Europas und liegt damit an der Weltspitze.
„In San Francisco ist autonomes Fahren als Bezahl-Service bereits erlaubt, Ähnliches passiert in China“, wies Jost Bernasch von Virtual Vehicle auf Entwicklungen auf internationaler Ebene hin und plädierte dafür, auch in Europa „regulatorisch technologische Fortschritte zu ermöglichen und auf die Straße zu bringen. 2019 haben wir das Robo-Taxi für Las Vegas entworfen. Wir sind gut unterwegs“, so Bernasch.
Zur Frage, was künstliche von natürlicher Intelligenz unterscheide, nahm Horst Bischof von der TU Graz Stellung. Er hält die englische Bezeichnung AI – artificial intelligence für zutreffender: „Der Mensch interpretiert Intelligenz hinein, obwohl nur reagiert wird“, so Bischof. Man habe außerdem überhaupt noch nicht verstanden, wie natürliche Intelligenz funktioniere. Für Algorithmen sei etwa Sehen eine sehr schwierige Aufgabe. Es gäbe bereits KI-Anwendungen, aber um Intelligenz wirklich zu verstehen, sei noch viel zu tun.
Zu den Anwendern zählt übrigens Wörgl, wie Bürgermeister Michael Riedhart erklärte: „Wir haben vor einem Jahr drei Boxen mit KI-Kameras zur Verkehrsüberwachung angebracht. Mit der Auswertung wollen wir eine bessere Lenkung des Verkehrs und verkehrstechnische Optimierungen erreichen.“ Wörgl will auch beim Thema autonomes Fahren vorpreschen und wird AlpLab-Teststation, ebenso wie Graz. In Graz sind autonom fahrende Fahrzeuge bereits im Einsatz, wobei es in Österreich rechtlich derzeit noch so ist, dass auf jeden Fall noch ein Mensch hinter dem Lenkrad sitzt. „Wir wollen nächstes Jahr eine Teststrecke mit einem autonom fahrenden Auto einrichten, als Bürgertaxi. Damit wird autonomes Fahren für alle erlebbar“, so Riedhart. Zur ALP.Lab-Zusammenarbeit zähle weiters die personelle Unterstützung durch das Stadtamt sowie die Durchführung von Veranstaltungen.
Die Bedeutung der Akzeptanz in der Bevölkerung hob Jost Bernasch hervor: „Autonomes Fahren ist nicht nur eine technische Frage, die Menschen müssen sich auch daran gewöhnen. Es ist illusorisch zu glauben, dass es einen schnellen Übergang gibt. Es wird lange Mischverkehr Realität sein.“ Auf die Frage, wieviel Infrastruktur-Daten für autonomes Fahren nötig seien, antwortete Bischof: „Die Wissenschaft sagt – keine. Aber als Techniker sage ich – nütze sie doch, wenn sie da sind, etwa Infos über Ampelschaltungen etc. Natürlich muss der Notfallbetrieb ohne Infrastruktur-Daten auch funktionieren.“ Derzeit würden amerikanische Konzerne bereits Realwelt-Daten sammeln. Und das habe auch das ALP.Lab vor: „Daten sammeln und aufbereiten, um sie dann Unternehmen wie AVL und Infineon zur Verfügung stellen, damit sie ihre Algorithmen verbessern können.“
Die Euphorie, die noch vor ein paar Jahren hinsichtlich der Umsetzung des autonomen Fahrens herrschte, habe sich abgeschwächt, so Rohringer. Es gäbe aber gute Voraussetzungen und es gelte zu verstehen, „dass uns diese Technik unterstützt“. Die Datenmengen für Mobilitätskonzepte generell nutzbar zu machen, dafür spricht sich Andrea Leitner aus und Jost Bernasch hofft auf ein Zusammenspiel von Industrie und Politik bei der Erstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
„Österreich braucht sich nicht verstecken, was die Grundlagen betrifft – auch nicht bei den Anwendungen“, so Bischof. Derzeit würden aber Regularien noch behindern, die Erfolge auch auf die Straße zu bringen.
Und wie sich das auf der Straße anfühlt, konnten die VeranstaltungsteilnehmerInnen gleich vor Ort mit einem autonom fahrenden Auto von Virtual Vehicle, Europas größtem Forschungsunternehmen im Bereich der virtuellen Fahrzeugentwicklung, auf einer kleinen Runde am Bahnhofsgelände erleben. Testfahrer Markus Schratter erklärte die technischen Finessen des seit 2018 entwickelten Autos, das in Graz in bestimmten Testgebieten mit 30 bzw. 50 km/h unterwegs ist, auf dem Redbull-Ring aber auch schon mit 120 km/h seine Praxistauglichkeit bewies. Im Hybrid-Auto steckt Technik im Wert von 150.000 bis 200.000 Euro.
Für den privaten Pkw-Betrieb ist allein aus Kostengründen autonomes Fahren noch in weiter Ferne. Auch wenn Tesla-Modelle das schon auf die Straße bringen. Aber eben nicht unfallfrei, wie Vorfälle in den USA wiederholt zeigen. Tief stehende Sonneneinstrahlung, die Sensoren irritiert – oder noch nicht programmierte Blaulicht-Einsatzszenarien zeigen, dass die Systeme auf unseren Straßen noch nicht einsatzfähig sind. Unfälle, die auf Österreichs Teststrecken durch Sicherheitsfahrer vermeidbar sind. Und dass autonomes Fahren gerade in Städten im öffentlichen Verkehr funktioniert, zeigt der Testbetrieb eines E-Busses in Graz.