Unter dem Motto „Gemeinschaft – TrachTradioNetzwerk“ stand der 64. Bäuerinnentag des Bezirkes Kufstein am 10. November 2018 in der Dreikleehalle in Angerberg, an dem über 300 Bäuerinnen aus allen Gemeinden des Bezirkes Kufstein teilnahmen und eindrucksvoll die Lebendigkeit ihres bestehenden Netzwerkes demonstrierten. Wie dieses Netzwerk erweitert und Konsumenten eingeflochten werden können kam dabei ebenso zur Sprache wie der steigende Leistungsdruck und Herausforderungen durch Wetterkapriolen und Klimawandel.
„Ein Netz schützt und fängt auf. Heute werden online weltumspannende Netzwerke ohne persönliche Begegnungen geschaffen“, stellt beim einleitenden Gottesdienst Msgr. Peter Paul Kahr fest und betonte, „dass die Begegnung von Mensch zu Mensch heute deshalb besonders wichtig ist.“ Gott vernetze den Menschen durch den Lebensatem. Den Bäuerinnen sei der Garten Eden vertraut, der den Menschen zur Bebauung und Behütung überlassen wurde. Das sei eine verantwortungsvolle Aufgabe. Wer sich dieser stelle, brauche Wurzeln in der Tradition und Offenheit für Neues.
Dass die Tiroler Bauern offen für Neues sind, zeigte sich auch am Begrüßungsgeschenk – Rapsöl, in Tirol einzigartig hergestellt vom Pranznbauern in Kirchbichl. Das bezirksweite Treffen wurde unter der Leitung von Bezirksbäuerin Ökonomierätin Margreth Osl, ihrer Beraterin Theresia Richter und Gebietsbäuerin Sylvia Gasteiger mit den Frauen der Ortsorganisationen von Wörgl, Kirchbichl, Bad Häring, Angath, Angerberg und Mariastein vorbildlich organisiert. Unter den Gästen waren Bezirkskammerobmann ÖR Johann Gwiggner, LA Ing. Alois Margreiter, die Bürgermeister Walter Osl von Angerberg und Josef Haas von Angath sowie Kirchbichls Vizebgm. Franz Seil. Und einen besonderen Applaus erhielt Elisabeth Grander aus Scheffau – sie war bei allen 64 Bezirksbäuerinnentagen bisher dabei!
Bäuerinnen helfen Bäuerinnen
Bezirksbäuerin Margreth Osl gab einen Rückblick auf die vielfältigen Aktivitäten auf Bezirksebene, die Exkursionen und Weiterbildungen ebenso beinhalten wie Geselliges. Ziegenzucht- und Fischzuchtbetriebe wurden besucht, Unternehmerinnenstammtische abgehalten, beim TT-Wandercup 1.000 Leute verköstigt. Besonderes Highlight war der Aktionstag an den Volksschulen „Landwirtschaft macht Schule“. „Unser Bezirk hat die meisten Kinder erreicht – wir waren in 25 Volksschulen, besuchten 78 Klassen und erreichten 1450 SchülerInnen und damit künftige Konsumenten“, lobte Osl das Engagement der Bäuerinnen. Schnelle und unbürokratische Hilfe für in Not geratene Familien leistete auch im vergangenen Jahr die Sozial-Initiative „Bäuerinnen helfen Bäuerinnen“, über die 26 Familien mit 60 Kindern unterstützt wurden.
„Einer allein kann nicht viel bewegen, dazu braucht es ein starkes Netzwerk wie die Tiroler Bäuerinnenorganisation. Wir legen großen Wert auf Brauchtum, Tracht und Tradition“, so Osl. Die Bäuerinnen seien Vorbilder und Botschafterinnen: „Sie stehen für Regionalität, Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit.“
Die Verbundenheit der Bäuerinnen über Gemeinschaft, Tracht und Tradition hob Kammerobmann Hans Gwiggner in seiner Grußbotschaft hervor und betonte, dass „vor allem die Bäuerinnen dazu beitragen, den Wert der regionalen Küche und Produkte bewusst zu machen.“
Netzwerke durch werken stärken
Bundesbäuerin Andrea Schwarzmann aus Vorarlberg forderte in ihrem Festreferat „Netzwerk stärkt und verbindet“ dazu auf, aktiv zu werden und dieses Netzwerk „durch werken zu stärken“. Beziehungsarbeit brauche allerdings Zeit, die immer knapper wird. Dank der Technisierung sei die „körperliche Arbeit durch die Stalltür hinaus“, dafür sei Zeit- und Leistungsdruck und damit psychischer Druck eingezogen, oft drohe Überforderung. Zu unternehmerischen und betriebswirtschaftlichen Herausforderungen kommen weitere im Zusammenleben und –arbeiten mehrerer Generationen, wofür mit Projekt Lebensqualität Bauernhof ein professionelles Hilfsangebot geschaffen wurde.
Konsumenten vermehrt ins Netzwerk einbinden
Nachdem in der Bäuerinnenorganisation viel für die soziale Gleichstellung in der Gesellschaft erreicht wurde, sei nun ein Ziel, heute in den Gremien mehr Frauen zu verankern. Schwarzmann ermunterte die Bäuerinnen, sich auch da zu engagieren und empfahl den ZAM-Lehrgang und das politische Handbuch als wertvolle Begleiter. Als Zukunftsthemen sieht die Bundesbäuerin Themen wie die Einbindung junger Bäuerinnen und den Ausbau des Netzwerkes über Berufsgruppe und gute Nachbarschaft hinaus, um künftig wieder vermehrt KonsumentInnen zu erreichen: „Landwirtschaft und Konsumenten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auseinandergelebt“, so Schwarzmann. Auf die Verbraucher zuzugehen sieht sie als „Stärke der Frauen“ und hob den Wert der Schulaktionen hervor: „In den vergangenen vier Jahren wurden österreichweit über 100.000 Schüler erreicht.“ Die Bäuerinnen seien für die Bevölkerung „das Portal zur Landwirtschaft, das sie erlebbar macht.“
„Die Bäuerinnen sind verlässliche Partnerinnen bei der Verköstigung von Veranstaltungen aller Art“, wies Landesbäuerin Theresia Schiffmann auf eine weitere gemeinschaftsbildende Komponente der Bäuerinnenarbeit hin. Für die Zukunft seien Weiterbildung, Kontakt zu Konsumenten und das Dorfgeschehen im kulturellen Bereich aktiv mit zu gestalten besonders wichtig. Schiffmann lud die Bäuerinnen ein, ein lebendiges Netzwerk zu sein, Funktionen zu übernehmen und mit zu gestalten: „Einbringen bereicht das Leben und macht viel mehr Freude als auf die da oben schimpfen.“
Bäuerinnen halten Tradition aufrecht
LA Alois Margreiter hob in seiner Ansprache den großen Anteil der Arbeit bäuerlicher Familien an der Landschaftspflege hervor und stellte ebenso fest, dass die „Arbeit am Hof belastender geworden ist“. Als Bürgermeister einer Zuzug-Gemeinde schätze er sehr, dass „die Bäuerinnen die Tradition hoch halten – das ist ein wichtiger Faktor.“ Chancen in der Erweiterung des bäuerlichen Netzwerkes hin zu den Konsumenten sieht er auch im Hinblick auf das Schaffen von Verständnis für die Landwirtschaft und deren Produktionsbedingungen und damit für den Wert der regionalen Produkte.
Mit einem Dank an alle, die zu Organisation und Gelingen des Bezirksbäuerinnentages beigetragen haben, eröffnete LLk-Präs. Josef Hechenberger seine Grußworte, aus denen auch Sorge sprach. Er dankte Bundesbäuerin Andrea Schwarzmann, dass sie in Entscheidungsgremien die Interessen der Bergland- und Grünland-Landwirtschaft vertrete: „Nicht alle denken so wie wir im Westen Österreichs“, so Hechenberger. „Sehr nachdenklich“ stimmte ihn heuer, dass „die Natur verrückt spielt. Das Wetter zeigt uns die Verwundbarkeit der Landwirtschaft und die Hilflosigkeit der Bauern“, so Hechenberger, der viele Gespräche mit Landwirten führte, die von der Trockenheit im Sommer sowie von den Unwetterfolgen in Osttirol existenzbedrohend betroffen sind. „Seit 252 Jahren gibt es Wetteraufzeichnungen – die 10 wärmsten Sommer wurden nach dem Jahr 2000 verzeichnet“, lieferte Hechenberger Fakten zur Erderwärmung und meinte, dass die Landwirtschaft dabei nicht das Problem sei, sondern die Lösung – mit Kreislaufwirtschaft und regionaler Versorgung ohne weite Transportwege.
Trachten verbinden
„Trachten sind Botschafter einer Region“, leitete die Trachtenschneiderin Christine Ehrenstrasser die von ihr präsentierte Trachtenmodenschau ein. Originell sind nicht nur die Trachten – auch die kreative Präsentation war es, für die viele Bäuerinnen selbst in die Rolle von Models schlüpften und Kasettl, die Unterinntaler Tracht und Trachten aus anderen Landesteilen Tirols präsentierten. Gezeigt wurden bei der flotten Modeschau auch selbst geschneiderte Dirndl und Trachten, die in Trachtennähkursen unter der Anleitung von Christine Ehrenstrasser geschneidert wurden. Sie betreut seit 18 Jahren Trachtennähkurse und wirkte bei der Erstellung des neuen, vom Tiroler Landestrachenverband erstellten Buches „Die Tiroler Trachten“ mit, das künftig dazu beitragen soll, das Kulturgut Tracht in Originalität unverfälscht zu erhalten. Sei das Tragen der Tracht früher Bekenntnis zu einem Stand gewesen, so sei es heute ein Bekenntnis zur Region und ihres Brauchtums. „Es macht Freude, in unserer schnelllebigen Zeit etwas herzustellen und zu besitzen, das Beständigkeit hat“, so Ehrenstrasser.
Der Bäuerinnentag, der musikalisch von den „Tiroler Stimmen“ aus Bad Häring umrahmt wurde, klang mit einem gemeinsamen Mittagessen und viel „netzwerken“ bei Kaffee und Kuchen aus.