Bauernprotest in Wörgl für faire Preise

Nachdem mit der Handelskette SPAR keine Einigung über eine Preisanhebung im Milch-Sektor erzielt wurde, rief der Bauernbund zur Demonstration am Aschermittwoch, 26. Februar 2020 auf. Dem Aufruf folgten österreichweit über 3.300 Bauern, die mit über 1.500 Traktoren die Spar-Zentrallager in mehreren Bundesländern blockierten. Vor der SPAR-Zentrale in Wörgl formierten sich 750 Landwirte mit 200 Traktoren und forderten, unterstützt von Bauernbund-Funktionären, faire und damit höhere Preise für ihre Produkte.

In Wörgl konzentrierte sich der Protest aus dem Westen Österreichs – mit Bussen kamen Demonstrierende auch aus Vorarlberg und Salzburg. Der Protestzug startet bei der SPAR-Lkw-Zufahrt nördlich der Bahn und zog dann über die Nordtangente durch die Bahnunterführung über Pichler-Straße und Madersbacherweg zum Eingang der SPAR-Zentrale. Mit Transparenten und Kuhglocken machten die Bauern und Bäuerinnen lautstark auf ihre Anliegen aufmerksam.

Faire Preise für die Erzeuger

„So geht´s nicht weiter“, stellte Tirols Bauernbund-Obmann Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler bei der Kundgebung vor der Spar-Zentrale fest. „Heute müssen wir leider vor einer einheimischen Handelskette protestieren.“  Diese sei nicht bereit, so wie andere Handelsunternehmen  notwendige Preisanpassungen durchzuführen. „Es geht nicht, unsere Landschaft nur für Werbezwecke zu verwenden. Heute setzen Tausende ein Zeichen. Die besten Lebensmittel gibt es nicht auf Rabatt!“ so Geisler. Die Preispolitik der Handelsketten diene weder dem Tierwohl noch dem Klimaschutz – sie habe keine Zukunftsperspektive und „zerstört die nachhaltige Berglandwirtschaft und die Zukunft der Jugend. Wir wollen einen fairen Dialog – und der muss sich im Preis widerspiegeln“, so Geisler. „Es geht nicht um Mitleid, sondern um Kostenwahrheit. SPAR hat im Vorjahr einen Gewinn von über 350 Millionen Euro ausgewiesen. Ein Anteil dieser Wertschöpfung soll an die Landwirtschaft weitergegeben werden – das ist unsere Forderung.“

Nicht nur die Bauern verzeichnen stagnierende Einkommen, „auch die Verarbeitungsbetriebe stehen mit dem Rücken an der Wand“, erklärte Geisler. In Österreich würden 150.000 Bauern drei großen Handelskonzernen gegenüberstehen: „Wir brauchen neue, faire Spielregeln für die Landwirtschaft.“

Und Geisler richtete eine weitere „klare Forderung an SPAR und alle Handelsketten: Schluss mit Rabatt-Aktionen! Die gehen auf Kosten der Landwirte. Und Schluss damit, ausländische Produkte mit rot-weiß-roter Verpackung zu verkaufen“, fordert Geisler und will den Schulterschluss mit den Konsumenten: „Die heimische Landwirtschaft gibt´s nicht zum Spar-Tarif!“

Verpflichtende Herkunfts-Kennzeichnung

„Wir Bauern sind keine Demonstrierer – aber jetzt müssen wir ein Zeichen setzen. Viele stehen wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand“, erklärte LLK-Präsident Josef Hechenberger und zeigte den Preisverfall der bäuerlichen Produkte mit einem Vergleich auf: „1990 erhielt mein Vater für den Liter Milch 7 Schilling – das sind rund 50 Cent. Jetzt liegt der Milchpreis deutlich drunter.“ Von 73.000 Milchbauern in Österreich warfen in den vergangenen 20 Jahren zwei Drittel das Handtuch – heute existieren nur noch 25.000. Diese Entwicklung müsse gestoppt werden, wenn „man eine Lebensmittelproduktion im Land haben will.“ Die Preise für bäuerliche Produkte müssten generell „deutlich nach oben“ – da gehe es nicht nur um den Milchpreis. Es gehe nicht an, der Landwirtschaft immer mehr Aufgaben zu übergeben, aber nicht dafür zahlen zu wollen. „Wir brauchen verpflichtend eine Herkunftskennzeichnung für alle Produktgruppen“, so Hechenberger.

Es fehle an Wertschätzung und Wertschöpfung, stellte der Präsident der Vorarlberger und der Österreichischen Landwirtschaftskammer Josef Moosbrugger fest und nahm mit seiner Kritik die Einkaufspolitik der Handelskonzerne ins Visier: „Von uns werden höchste Standards gefordert und dann wird das Billigste zum günstigsten Preis importiert. Das macht uns kaputt!“ Man brauche „keine Scheinheiligkeit, sondern Fairness.“ Und dazu habe man auch das Recht. Moosbrugger forderte die Bauernschaft auch auf, sich „nicht auseinanderdividieren zu lassen“.

„Alarmstufe rot“ ortete Georg Wagner, Vizepräsident der Salzburger Landwirtschaftskammer in angekündigten Milchpreis-Senkungen, „damit die Verarbeitungsbetriebe die Lohnerhöhungen zahlen können.“ Wagner beklagte, dass über Lebensmittelskandale wie dem jüngsten über Hormon-Kalbfleisch aus Holland zu wenig berichtet werde. „Wir fordern nur einen fairen Preis“, so Wagner, der sich um die Zukunft der Landwirtschaft sorgt: „Junge Bauern sehen sich nimmer aus.“

Mehr Regionalität und Schluss mit Rabatt-Aktionen

„Wir würden lieber auf Augenhöhe verhandeln – aber was SPAR von uns verlangt, geht unter die Gürtellinie“, machte Landwirtschaftskammer-Vizepräsidentin Helga Brunschmid ihrem Ärger Luft und ging auf den Vorwurf ein, die Landwirtschaft habe ein Struktur-Problem: „Ja, wir haben kleine Strukturen und produzieren teurer. Eine flächendeckende Landwirtschaft geht nur mit fairen Preisen.“ Strukturveränderung im Berggebiet sei keine Lösung, denn im internationalen Vergleich mit Agrarkonzernen bleibe man immer ein „Kleinhäusler der Weltwirtschaft“. „Wir brauchen Bauern auch in entlegenen Gebieten – und das geht nicht ohne Abgeltung“, so Brunschmid, die die Einkaufspolitik der Handelsketten kritisiert: „Wozu braucht man 100 Meter Milchregal?“ Statt Produkte von weither zu karren, sollte hier mehr Regionalität Einzug halten – denn heimische Produkte zu kaufen sei auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Falsch sei auch, dass „gute Lebensmittel zum Ramschpreis verkauft werden. Die Geiz ist Geil-Mentalität ist eine Katastrophe und wir wollen uns das nicht länger gefallen lassen.“ Durch Aktionen wie eins und eins gratis würden viele Lebensmittel weggeworfen. Brunschmid: „Ein Drittel der Lebensmittel landen im Müll, dagegen wehren wir uns.“

Jugend will wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Für die nächste Generation nahmen Steffi Hörfarter und Dominik Traxl von der  Landjugend das Mikro zur Hand. „Wir produzieren die besten Lebensmittel der Welt – und damit das so bleibt, brauchen wir Rahmenbedingungen“, stellte Steffi Hörfarter fest. Traxl rief die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft – täglich und ganzjährig – in Erinnerung: „Für die Hofübergabe braucht es Junge. Und da fragt man sich – rentiert es sich noch, die Kuh zu melken und die Landschaft zu pflegen?“ Die Jugend sei „die Zukunft  einer lebensorientierten Landwirtschaft“.

Während die Kundgebung für die Bäuerinnen und Bauern mit einer Jause endete, übergaben Vertreter der Bauernschaft ihre Forderungen in der SPAR-Zentrale der Geschäftsführung. „Die Teilnehmer der heutigen Protestaktionen übergeben eine Liste mit folgenden Forderungen: ein Stopp der ‚chronischen Aktionitis‘, ein Österreichbonus auf heimische Lebensmittel und ein Ende der Konsumententäuschung mit den rot-weiß-roten Fähnchen auf ausländischer Ware“, erklärt Bauernbund-Präsident Georg Strasser in einer Presseaussendung. Ein Grund für die Protestaktionen sei zudem der steigende Druck auf den Agrarmärkten, in einer Zeit, in der gleichzeitig auch die Standards in der Produktion permanent nach oben geschraubt werden. „Eine positive Entwicklung in Teilen der Landwirtschaft kann zehn Jahre nominell stagnierende Einkommen nicht kompensieren“, gibt Strasser zu bedenken. Strasser weist darauf hin, dass die Umsatzrendite der Bauern im Vorjahr bei 0,35 % und bei Spar beim Zehnfachen, bei 3,2 % lag – und dieser Vorteil solle weitergegeben werden.

SPAR sieht sich als „Reibebaum“

„Nur 9 % der Milch geht an SPAR – über 60 % werden ins Ausland exportiert, wofür die Molkereien noch einen viel niedrigeren Preis erhalten. Wir sind der Reibebaum“, teilte SPAR-Unternehmenssprecherin Nicole Bergmann dazu im Radio Ö1-Interview mit.