Nachdem die für 30. März geplante Gemeinderatsitzung aufgrund der Coronavirus-Pandemie abgesagt und die für 14. Mai vorgesehene verschoben werden musste, tagte der Wörgler Gemeinderat nach dem Lockdown erstmals wieder am 28. Mai 2020. Der große Saal im Veranstaltungszentrum Komma bot ausreichend Platz zur Einhaltung der Sicherheitsabstände. Gewöhnungsbedürftig war die Neuaufstellung der Sitzordnung, die an eine „Schulklasse mit Frontalunterricht“ erinnerte, wie Bürgermeisterin Hedi Wechner eingangs auch einräumte.
Nach der Bestellung des neuen Stadtamtsdirektors Mag. Philipp Ostermann-Binder durch mehrheitlichen Gemeinderatsbeschluss (19 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen der Wörgler Grünen, die die Vorgangsweise, nicht aber die Personalentscheidung kritisierten) gab Bgm. Hedi Wechner einen Rückblick auf die Covid19-Zeit, den Notbetrieb der städtischen Verwaltung sowie der Covid19-Bilanz im Bezirkskrankenhaus Kufstein. „Insgesamt wurden bisher 78 Patienten im BKH Kufstein mit Covid19 behandelt, am Höchststand waren es 31 Erkrankte. 15 Infizierte sind leider gestorben. Das Alter der Patienten lag zwischen 23 und 98 Jahren, der Altersdurchschnitt liegt bei 71 Jahren. Von den 78 Patienten waren 42 Männer und 36 Frauen, die Aufenthaltsdauer betrug bis zu 54 Tage“, so Wechner. Von den Patienten in der Intensivstation waren 11 Männer und fünf Frauen. Beim „Gemeinde-Ranking“ liegt Wörgl mit 11 Covid19-Patienten im Krankenhaus nach dem Hotspot Brandenberg an zweiter Stelle.
Das Wörgler Stadtamt war 50 Tage lang von 16.3.-30.4.2020 im Notbetrieb mit Homeoffice und telefonischen Kontaktzeiten, aber ohne Parteienverkehr außer in Notfällen. Seit 4. Mai ist wieder Normalbetrieb im Stadtamt. Im Notbetrieb war auch der städtische Bauhof, der in zwei Schichten arbeitete, und in Schulen und Kindergärten wurde während des Lockdowns eine Grundreinigung durchgeführt.
Bei der Kommunalsteuer erwarte man ebenso ein Minus wie bei den Abgabenertragsanteilen. Vom Land liege die Zusage für eine Sonderzahlung an die Stadt in Höhe von 540.000 Euro vor, vom Bund werde ein Investitionszuschuss von 1,4 Millionen Euro erwartet. Einnahmenrückgänge werden auch bei Gebühren für Kindergarten, Musikschule und fürs Parken sowie beim Citybusbetrieb erwartet.
„Die Hilfsgelder laufen sehr zögerlich an“, so Wechner, die mit vielen Wörgler Unternehmen telefonisch Kontakt aufnahm. Als Wirtschaftsförderung habe man die 9+1 Gutscheinaktion ins Leben gerufen. „Bis 25. Mai wurden 27.664 Gutscheine verkauft“, teilte Wechner mit. Insgesamt ist bis 31.8.2020 die Ausgabe von 100.000 Gutscheinen geplant. Die 10-Euro-Einkaufsgutscheine werden um 9 Euro im Bürgerbüro verkauft, die Differenz von einem Euro übernimmt die Stadt.
Applaus fürs Seniorenheim
Mit einem Sonderapplaus bedankte sich der Gemeinderat beim Personal des Seniorenheimes dafür, dass es gelungen ist, das Heim Covid19-frei zu halten. Das Seniorenheim war bis 3. Mai für Besucher gesperrt, auch der Seniorenheimpark, der ausschließlich den BewohnerInnen zur Verfügung stand. „Jetzt sind mit Anmeldung wieder von 13 bis 17 Uhr Besuche möglich, die 50 Minuten dauern dürfen“, berichtete Wechner. „Ein herzlicher Dank geht an die Seniorenheim-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – sie haben Großartiges geleistet! Und es war eine Portion Glück dabei.“
Im Veranstaltungszentrum Komma mussten bis jetzt 68 Veranstaltungen abgesagt werden, was einem Verlust von 44.000 Euro entspricht. Die Galerie am Polylog ist seit 22. Mai wieder offen und zeigt noch bis 13. Juni die Ausstellung „I have seen reality“ von Friedrich Biedermann.
Zu wenig direkter Informationsfluss an den Gemeinderat – das beklagte nach den Wörgler Grünen auch Gemeinderat Michael Riedhart von den „Jungen Wörglern“: „Es hat nur einmal einen kurzen E-Mail-Kontakt mit der Bürgermeisterin gegeben. Aber sonst haben wir alles erst aus den Medien erfahren, z.B. diese Gutscheinaktion. Es war kein Infofluss da.“ In Kufstein habe im Vergleich zu Wörgl die gemeinderatsinterne Kommunikation sehr gut informiert. Bgm. Wechner meinte, in dieser Zeit müsse man sich die Infos holen. Zudem habe es 27 schriftliche Aussendungen und 51 Beiträge auf der Gemeinde-Website gegeben.
Ab dem 15. April waren Umlaufbeschlüsse im Gemeindrat möglich, aber schwierig umzusetzen. Was an fehlender Diskussion lag und, so Wechner, „mit sehr großen Mängeln behaftet war“. Beschlossen wurde mit 18 Ja bei drei Gegenstimmen Investionen der städtischen Vermögensverwaltungs-KG für 2020. Die Erlassung eines Bebauungsplanes in der Anichstraße 7 fand bei 9 Ja- und 12 Nein-Stimmen keine Mehrheit und wurde nochmals im Gemeinderat am 28. Mai behandelt. Anstatt eines bestehenden Einfamilienhauses mit Garten will hier die Firma Gründhammer eine Wohnanlage samt Tiefgagarage mit 13 Wohnungen und 18 Autoabstellplätzen entstehen, die Baumassendichte beträgt 3,25. Der Bebauungsplan wurde einstimmig beschlossen.