Vor Kino, Radio und Fernsehen zählten Sagen und Märchen zum „Unterhaltungsprogramm“ unserer Vorfahren. So sind auch aus dem Raum Wörgl Sagen überliefert, die im Band V der „Wörgler Heimatschriftchen“, 1957 herausgegeben von Hans Federer, abgedruckt wurden. Geschichten, die Spiegel ihrer Zeit, aber auch zeitlos sind. Denn es wusste schon Friedrich Schiller: „Alles wiederholt sich nur im Leben, ewig jung ist nur die Fantasie; was sich nie und nirgends hat begeben, das allein veraltet nie!“
Die überlieferten Sagen beinhalteten oft moralische Botschaften und Mahnungen an die Zuhörerschaft. Das „Körnchen“ Wahrheit liegt vielfach in historischen Begebenheiten, in schillernden Persönlichkeiten und unerklärlichen Phänomenen. Da siegt das Gute über das Böse, da mischt sich Volks- mit Aberglauben. Raubritter, Hexen, Drachen und Geister spuken durch die Geschichten, wobei die drei Wehrburgen am Eingang des Brixentales lohnenden Stoff für die Sagenwelt boten: Schloss Itter, das Luecher-Schlössl in Kirchbichl-Boden und die Wörgler „Werburg“, auch genannt „Hauserschlössl“ , Aineter Schössl oder „Lechnerschlössl“ im Ortsteil Weiler Haus.
Die Sage vom Luecher Schloss
Die Sage vom Luecher Schloss, erzählt von Maria Grindhammer geb. Hauser in Luech, berichtet von den grausamen, harten Schlossherren der drei Burgen, die als Raubritter ihr Unwesen trieben und nichtsahnende Wanderer beraubten und ausplünderten, auch niederschlugen und töteten, wenn sich diese zur Wehr setzten. Von teuren Festen mit betrunkenen Knappen und Streitereien ist die Rede, die von den Schlossherren mithilfe des „Messerturmes“ von Schloss Itter geschlichtet wurden – wer nicht parierte, wurde dort hineingeworfen und kam grausam um. Im Gegensatz zu ihren Männern waren die Schlossfrauen im Geheimen sehr fromm und gottesfürchtig. Das störte den Luecher Schlossherren und als er seine Frau betend vor einem goldenen Kreuz fand, drohte er ihr mit dem Messerturm, sollte er sie noch einmal beim Beten sehen. So habe die Frau in einer mondhellen Nacht im Mai das kostbare Kreuz in einer Höhle am Pölven vergraben – und an dieser Stelle wuchsen dann wohlriechende Maiglöckchen. Die Sage erzählt von unterirdischen Gängen zwischen den Burgen. Die Blütezeit des Raubrittertums habe aber nicht mehr lange gedauert. „In blutigen Aufständen rechneten die Bauern mit ihren habsüchtigen, tyrannischen Herren ab und legten viele Raubburgen in Schutt und Asche, so dass nur mehr kümmerliche Reste von ihrem einstigen Dasein zeugen, wie dies bei Werburg und Luech der Fall ist“.
Was wirklich auf Schloss Itter geschah
Schloss Itter wurde 1241 erstmals urkundlich erwähnt und war Verwaltungssitz des regensburgischen Gerichtes Brixental. Lediglich von 1247 bis 1300 war es an die Herren von Velben verpfändet. Dieses Adelsgeschlecht drangsalierte als Raubritter die heimische Bevölkerung ebenso wie Durchreisende. Der Bischof von Regensburg, der König von Böhmen, der Herzog von Niederbayern und König Ludwig der Bayer entsandten Streitkräfte, die das Treiben der Velben beendeten. Im Zuge der Bauernaufstände wurde die Burg Itter 1526 kampflos den Rebellen übergeben, die sie umgehend plünderten und dann zerstörten. Nach der Niederschlagung des Aufstandes mussten die Bauern die Burg wieder auf- und ausbauen. 1669 wurde der Amtssitz nach Hopfgarten verlegt. 1878 rettete ein Münchner Brauereibesitzer das Schloss vor dem Verfall, das 1884 in den Besitz der weltberühmten Pianistin Sophie Menter kam. Sie erhielt Besuch von Franz Liszt, P.I. Tschaikovsky und A. Rubinstein. Liszt soll hier seine Faustsymphonie komponiert haben. 1902 kaufte ein Berliner Großindustrieller das Schloss der verarmten Pianistin ab, danach folgten noch etliche Besitzerwechsel. 1943 bis 1945 war das Schloss von der Deutschen Wehrmacht beschlagnahmt und eine Außenstelle des Konzentrationslagers Dachau, in dem hochrangige französische Politiker und Generäle inhaftiert waren (Ein Buchtipp dazu: „Die letzte Schlacht“ von Stephen Harding). Nach Kriegsende wurde das Schloss in den 1950ern Nobelhotel. Um den Mythos der Bauernaufstände rankt auch das Theaterstück „Schloss-Hex-Zeit“ von Sepp Kahn, das 2002 als Freilichtaufführung am Itter Schloßberg mit 250 Mitwirkenden aus Itter aufgeführt wurde.
Der Freirieder – eine faustische Sage von der Wörgler Werburg
„Der Freirieder“ ist eine faustische Geschichte vom „Lechnerschlössl“, der Wörgler Werburg, erzählt von Georg Opperer in den Wörgler Heimatschriftchen. Die Handlung spielt nach dem Bauernaufstand Mitte des 16. Jahrhunderts, nachdem die Wehrburgen in Schutt und Asche gelegt wurden. Zwei Nachzügler aus der Besatzung von Schloss Itter, der „Torwicht Veit“ und ein Kurier entgingen dem Schicksal der Vernichtung oder Gefangennahme und suchten Unterschlupf in den Ruinen von Schloss Itter und dem verfallenen Gemäuer des „Hauserschlössls“.
Der Torwicht setzte sich in Kellerräumen auf Itter fest und fristete sein Leben nach Einsiedlerart mit Betteln und der Herstellung von Kräutermedizin. Anders der Kurier, der das Abenteuer suchte – Vieh von der Weide stahl und sich Gastfreundschaft auf umliegenden Höfen erschlich. Die Nachrede, nichts zu besitzen und doch zu leben, brachte ihm die Bezeichnung „Freirieder“ ein, damals aber auch als Bezeichnung für einen Buhler um weibliche Gunst verwendet.
Auf einem nächst dem Hauserschlössl gelegenen Hof hauste eine Bäuerin, die nicht in ihren Beruf zu passen schien. Sie wurde auch nicht wie üblich beim Hofnamen, sondern Frau Zieglerin genannt und strandete hier auf der Durchreise. Krank. Wieder genesen setzte ihr ein junger Hofbesitzer mit eifriger Werbung zu und ehelichte die Frau, die nichts von einer Bäuerin an sich hatte und auch nicht glücklich wurde. Sie nahm der Freirieder ins Visier. Um Eindruck zu schinden und Reichtum vorzutäuschen, wandte er sich an seinen Kumpan auf Schloss Itter.
Dieser wusste ihm schon einen Rat. In seiner Einsiedelei entdeckte er, dass ein Geist umgehe, der einen Schatz hüte – allnächtlich sei aus einem der vielen unterirdischen Gelasse ein Geräusch zu hören, das wie das Rollen von Münzen auf einem steinernen Tische klang. Was der Turmwicht nicht wagte, ging er Freirieder an und als um Mitternacht das Klimpern begann, stieß er die Tür zum Verließ ein. Ihm bot sich ein überraschender Anblick. An einem Tisch bei wahren Stößen von Gold- und Silbermünzen saß ein Ritter im Festkleid, der nun ängstlich versuchte, das Geld mit seinen Armen zuzudecken. Dem Freirieder erstarrte zwar das Blut in den Adern, er trat aber dennoch auf den Ritter zu und fuhr ihn an: „Was willst du mit dem Geld, alter Sünder? Gehörst doch längst unter den Wasen!“
Der Ritter zerfiel zu Staub. Trotz des Grausens wollte sich der Freirieder auf den Schatz stürzen – da erschien der Teufel. Er schob den Freirieder zur Seite und deckte mit einer unheimlich großen Hand den ganzen Tisch zu. Er wandte sich an den Freirieder, der den Ritter erlöst habe, wodurch dieser zur Ruhe, er dem Teufel aber aus den Klauen kam: „Wenn du mir mit deiner Seele dafür Ersatz bietest, ist der Schatz dein – anders nicht!“
Seine Seele wolle der Freirieder nicht verschreiben, den Schatz aber haben. So schlug er dem Teufel vor, ihm statt seiner eigenen hundert andere Seelen zuzubringen und fragte gleich nach, wie er das am besten anstellen könne. Der Teufel war mit dem Tausch einverstanden und riet, es mit dem Verführen von Weibern oder dem Verhindern der Aussegnung von Seelen bei Sterbenden zu versuchen. Die hundert Seelen müsse der Freirieder liefern – zu Lebzeiten oder danach und er möge bis zum jüngsten Tag dazu brauchen, wenn er nicht früher auf einen Mutigen stoße, der seinem Spuk widerstehen könne. Der Pakt mit dem Teufel bereitete dem Freirieder keine Sorgen und dem Veit warf er vor, dass er ihn genarrt habe. Damit entledigte er sich mit Erfolg des lästigen Mitwissers.
Einige Tage später traf der Freirieder hoch zu Ross und fein ausstaffiert vor dem Hof der Zieglerin ein. Er gestand seine herzinnigliche Neigung und lud sie ein, auf eine Stunde in sein Haus zu folgen. Sie solle ihn am Weg vor dem Hauserschlössl erwarten. Geblendet von der Schmeichelei machte sich die Zieglerin zur versprochenen Stunde auf den Weg.
An der Stelle, wo heute die Hauserkapelle steht, errichteten Bewohner der Umgebung gerade eine hölzerne Kapelle. Als die Zieglerin dort vorbeikam, verspreizte sich ein Balken beim Aufziehen und die beiden Männer baten sie, den Balken unten zu lösen. Was sie bereitwilligst tat. Durch die Verrichtung dieses guten Werkes erlangte sie die Erleuchtung, dass sie sich auf einem sündigen Abwege befinde und sie entschloss sich, dafür zur Buße den ganzen Tag den Zimmerleuten beim Kapellenbau zu helfen.
Der Freirieder wartete umsonst. Durch das gute Werk stieg die Zieglerin bei ihrem Mann und den Nachbarn im Ansehen. Die Erkenntnis, zu welchem Unheil ihre Unzufriedenheit bald geführt hätte, ließ sie nun alles Bockbeinige abstreifen und eine gute Gattin und Hausfrau sein. Als sich der Freirieder wieder einstellte, wies sie ihm die Tür.
Der suchte sich ein neues Ziel für seine Begierde und nahm das Weib des Sauweiders am Inn aufs Korn, das er in einer ähnlichen Zweifelslage vorfand, als er einmal durch die Auen ritt. Dort stand auf einer kultivierten Insel in der Sandwüste, die der Inn zurückgelassen hatte, die Hütte des Sauweiders. Ein in den Diensten der Grafen von Mariastein invalid gewordener Knappe, der die Säue und Schafe seines Herrn betreute. Grob und ungeschlacht wie er war, mochte sein Weib aus dem Gesinde seines Herrn machen Anlass zur Klage gehabt haben.
Der Freirieder bot sich als Tröster und Retter an und das Weib versprach, ihn auf der Werburg zu besuchen. Am Weg dorthin begegnete sie vor der Hauserkapelle einem Jungen, der ein Kalb mit Gewalt festhielt und fragte nach dem Grund. Der Bub erklärte, dass das Kalb dem Einöder gehöre und er es absichtlich zurückhalte, weil er wisse, dass der Einöder ganz gotteslästerlich fluche, wenn ihm ein Stück seiner Herde abgehe. Die Sauweiderin gab dem Jungen eine Ohrfeige, ließ das Kalb los und freute sich darüber, dass das Tier heimwärts stürmte. Das war für sie das erlösende gute Werk. Sie besann sich darauf, wie ihr Mann erst fluchen und toben werde, wenn er sie vermissen wird. Denn es kam jahrein jahraus nicht vor, dass sie ohne sein Wissen einen Schritt außer Haus tat. Sie kehrte reuig zurück, gab ihrem Mann unumwunden Rechenschaft über ihren Ausgang – und der Freirieder wartete wieder umsonst.
Der Sauweider sah im Freirieder den Schuldigen. Sein Weib lobte er ob ihrer Treue, aber den Nebenbuhler wolle er züchtigen und machte sich auf den Weg. Vor Meirhof traf er auf den Verführer seines Weibes, dem er blutige Rache geschworen hatte. „Mein Weib wollte ausrücken, um dich zu erschlagen für deine Niedertracht, die die Weiber zur Untreue verleiten will. Sie hat aber mich geschickt, damit ich es besser mache!“ warf der wütende Sauweider dem Freirieder entgegen, der flüchten wollte. Do da sauste der Hirtenstab des Sauweiders auf seinen Schädel nieder. Der Freirieder stürzte unter dem mächtigen Hieb des kampfgewandten Sauweiders tot zusammen. Seine Seele sollte aber keine Ruhe finden. Er hatte bei Lebzeiten seine Verpflichtung gegenüber dem Teufel nicht im kleinsten Teil erfüllt und muss nun als Geist das Versäumte nachholen.
Der Schatz im Lechnerschloss
Die Sage „Der Schatz im Lechnerschloss“ wurde mündlich von den Bauersleuten beim Luecherwirt wie auch beim Lechnerbauern überliefert und 1925 in den Tiroler Heimatblättern erstmals veröffentlicht.
Die Geschichte knüpft an die Sage vom Freirieder an. Unter den Trümmern der Werburg sei ein großer Schatz verborgen und wer diesen finde, werde der reichste Mann weit und breit. Ein alter Pinnersdorfer Wirt machte sich auf, den Schatz zu heben. Er grub und grub – und fand viele Kisten, gefüllt mit schwerem Golde. Er eilte nach Hause, um sein Gespann zu holen. Mit der ersten Fuhre konnte er aber nur einen Teil des Goldes heimführen. Als er zurückkehrte, um noch mehr zu holen, war der ganze Schatz verschwunden. Der Pinnersdorfer Wirt aber habe bereits so viel Gold in Sicherheit gebracht, dass er damit sein Haus neu bauen und zu einem der schönsten in der ganzen Gegend machen konnte.
Fakten zu den Burgen:
Werburg in Wörgl – Weiler Haus: Die Burg dürfte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gebaut worden sein, die erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1255. Um 1300 gehört die Burg dem bayerischen Herzog Chontlerius, der auch die Burg südlich von Kundl besaß. Das bayerische Adelsgeschlecht der Wittelsbacher zählte von 1310 bis 1329 die Werburg neben weiteren Burgen in Kufstein, Kitzbühel, Rattenberg und Ebbs zu den wichtigen Stützpunkten ihrer Landesherrschaft. Beim Übergang des Gebietes an Tirol 1504 wird die Burg nicht mehr genannt, sie scheint ihre Bedeutung bereits verloren zu haben. Die Werburg wird auch als „Aineter Schloss“, abgeleitet von Einöd, sowie als Högau bezeichnet. Der Sage nach hausten hier auch die Velben, urkundliche Belege finden sich nicht.
Luecher Schlössl: Der Heimatforscher Prof. Sinwel geht davon aus, dass zu den Besitzungen der Velben auch das Luecher Schloss oberhalb des Oberluecher-Hofes in Kirchbichl Boden zählte. Die urkundliche Bezeichnung der Burg, die zur selben Zeit wie die Werburg entstanden sein dürfte, lautete „Neues Haus“, Ruinenreste sind heute noch erkennbar. Auf die Velben deutet auch der Name des „Felberer-Bauern“ in Pinnersdorf hin. Vor dem Neubau des Bauernhauses nach dem 1. Weltkrieg war das „Velberer Haus“ an einen Spitzturm mit vergitterten Fenstern angebaut, es dürfte eine der Niederlassungen der Velben gewesen sein.
Engelsberg in Hopfgarten: Die Errichtung wird um das Jahr 1226 datierte, 1234 wurde die Burg Engelsberg am östlichen Taleingang in die Kelchsau beim Zusammenfluss von Windauer und Kelchsauer Ache erstmals urkundlich erwähnt. Sie wurde während der Bauernkriege im Jahre 1526 zerstört und danach nicht mehr aufgebaut. Die Ruinen wurden anhand des Aussehens der Burg nach einem Neubau nach 1300, welcher nach der Fehde mit den Velben notwendig wurde, restauriert und sind mit einem Kultur-Themenweg erschlossen.
Link für weitere Infos zur Geschichte von Schloss Itter: http://www.burgen-austria.com/archive.php?id=308
Gasthof Pinnersdorf: Einer der ältesten Gasthöfe in unserer Gegend besteht heute nur mehr als Landwirtschaft – der Gasthof Pinnersdorf erhielt bereits 1601 kurz nach dem Bau der neuen Gerichtsstraße von Kastengstatt nach Kitzbühel das Zapfrecht. Seit dem 15. Jahrhundert genossen die Besitzer bedeutendes Ansehen. Sie hatten das Recht, die Häringer Kohle und die Holzkohle, die in unserer Gegend gebrannt wurde, bis zur Saline nach Hall zu transportieren. 1712 war der Wirt Anton Kögl der Vorsteher von Wörgl-Kufstein. Um 1900 kaufte die Familie Astl die Besitzungen, die das Gastgewerbe bis in die 1970er Jahre ausübte.