Erstes Rot-Kreuz Sozialzentrum Österreichs in Wörgl feierlich eröffnet

Die Sozialen Dienste des Roten Kreuzes sind Gradmesser unserer Gesellschaft – einerseits für Solidarität mit Schwächeren und andererseits für die Zunahme von Armut. Letzteres war das einzige, das die Stimmung bei der Eröffnungsfeier des neuen, in Österreich einzigartigen Sozialzentrums in Wörgl in der Brixentalerstraße 50/52 am 25. Juni 2016 trübte. Es beherbergt den Kleiderladen, das Warenhaus und die Lebensmittelausgabe der Tafel unter einem Dach und ist schon jetzt eine Erfolgsgeschichte, die mit der Zentralisierung des Rettungsdienstes der Ortsstelle Wörgl an diesem neuen Standort ab 2017 fortgesetzt werden soll.

Mit Eröffnung des neuen Sozialzentrums auf 850 Quadratmetern Fläche wurde auch an das 10jährige Bestehen der Tafel Wörgl erinnert, die allwöchentlich am Samstagabend kostenlos gespendete Lebensmittel an Bedürftige verteilt. „Seit 2008 haben sich die Kunden verdoppelt“, erklärte Rot-Kreuz Bezirksstellenleiter Dr. DI Heinrich Scherfler und machte den Umfang der Hilfsleistungen  anhand der Vorjahres-Statistik bewusst. Das Sozialzentrum führt die bisher getrennten Einrichtungen Tafel, den seit 8 Jahren bestehenden Kleiderladen und Österreichs einziges, vor vier Jahren gegründetes Warenhaus zusammen. „Im Vorjahr erbrachten 70 MitarbeiterInnen 25.000 ehrenamtliche Stunden. Neun Tonnen Kleiderspenden gingen an 7.000 Kunden, im Warenhaus wurden 30 Tonnen an ebensoviele Kunden verkauft und bei 8.000 Ausgaben der Tafel wurden 60 Tonnen Lebensmittel gratis verteilt“, so Scherfler, der sich bei Ideenspender und Gründungsorganisator Peter Mader, Referent für Gesundheits- und Soziale Dienste der RK-Bezirksstelle sowie allen Haupt- und Ehrenamtlichen sowie den Spendern bedankte. Für besondere Verdienste um den Aufbau des Sozialzentrums überreichte er dessen Leiter Peter Schollerer und Bernd Eder die Henry-Dunant-Medaille.

„Das Sozialzentrum ist ein Laden mit sozialem Mehrwert“, betonte Scherfler. Als Raum für Begegnung sei hier Platz für Gespräche – ob Ratschlag oder Kummer von der Seele reden. Geschaffene Arbeitsplätze ermöglichen soziale Integration und ein sinnvolles Engagement nach der beruflichen Karriere. „Wertvolle Lebensmittel und Waren landen nicht auf dem Müll, wir geben Dingen eine zweite Chance“, so Scherfler. „Das Sozialzentrum lebt von ehrenamtlicher Mitarbeit, Spendern und Menschen, die den Wert der Nachhaltigkeit leben und hier einkaufen. Ohne das soziale Engagement aller könnten diese Leistungen nicht erbracht werden.“

„In Österreich bestehen über 90 Tafeln, 17 davon in Tirol“, zeigte Peter Mader auf und wies auf die Notwendigkeit der Unterstützung von immer mehr Menschen mit wenig Einkommen hin. Das Sozialzentrum wurde in erster Linie für diese Menschen geschaffen – aber nicht nur: „In Warenhaus und Kleiderladen einkaufen können hier alle. Unsere Kunden sind Vollzahler und damit Systemerhalter, nur so ist es möglich, Bedürftigten einen Rabatt zu geben.“ „In    Warenhaus und Kleiderladen werden qualitativ hochwertige, gut erhaltene Artikel des täglichen Gebrauchs, sowie neuwertige Secondhand Kleidungsstücke aller Art zu günstigen Preisen für die ganze Bevölkerung bereit gestellt“, informiert Rot-Kreuz-Bezirksgeschäftsführer Mag. Thomas Dangl.

„Was wir hier tun, ist Symptombekämpfung, eine momentane Hilfe“, so Mader. Um nachhaltig die Lebenssituation für Menschen zu verbessern, startet das Rote Kreuz ab Herbst dieses Jahres in Wörgl ein neues Angebot: „Wir richten ein Lernhaus für Volksschulkinder ein. Wenn wir den Kindern jetzt nicht helfen, stehen sie in 15 Jahren bei der Tafel.“

Beeindruckt  zeigte sich Mag. Roman Vieider, stellvertretender Geschäftsleiter der Rot-Kreuz-Landesorganisation: „Die Arbeit des Roten Kreuzes in Wörgl und im Bezirk Kufstein hat Signalwirkung für ganz Österreich in einer Zeit, in der die Probleme immer unlösbarer erscheinen.“ Die zunehmende Notwendigkeit zu helfen sei bitter, erklärte Bürgermeisterin Hedi Wechner und dankte ebenfalls allen Beteiligten. Die Segnung des neuen Sozialzentrums nahm Rot-Kreuz Kurat Robert Jonischkeit, evangelischer Pfarrer von Kufstein und Wörgl vor. Nicht mit geweihtem Wasser, denn: „Es gibt besseres als Wasser – euch. Von euch geht der Segen aus, ihr seid die Boten der Menschlichkeit, eure Arbeit bringt Frucht.“

Rot-Kreuz-Stützpunkt Wörgl wird zentralisiert

Zum Standort des Sozialzentrums will das Rote Kreuz auch den Rettungsdienst übersiedeln. Die bestehende alte Wache in der Brixentalerstraße, deren Neubau seit rund 15 Jahren gewünscht wird, soll damit aufgelassen werden. Am 30. Juni befasst sich der Wörgler Gemeinderat mit der notwendigen Weichenstellung. „Wir wollen eine Zentralisierung an einem Standort“, betont Bezirksrettungskommandant Gerhard Thurner. Geplant ist ein Auf- und Anbau ans Sozialzentrum mit einem Investitionsvolumen von 2 bis 2,5 Millionen Euro zur Unterbringung des Rettungsdienstes sowie von Schulungsräumlichkeiten. Gibt der Gemeinderat betreffend Flächenwidmung und Bebauungsplan grünes Licht, werde im Herbst mit der Feinplanung und im Frühjahr 2017 mit dem Bau begonnen. Die Ortsstelle Wörgl zählt derzeit rund 200 MitarbeiterInnen in allen Sparten.