Eine spannende Auseinandersetzung von Architektur mit dem Handwerk bot die Ausstellung „Out of Hands“ von 8.-10. Juli 2021 in der Galerie am Polylog in Wörgl, die vom Verein Netzwerk Handwerk in Kooperation mit dem Institut für experimentelle Architektur ./studio3 der Universität Innsbruck. Zehn Studierende befassten sich in Architektur-Entwürfen eingehend mit der Formen- und Materialsprache des Handwerks.
Andrea Achrainer vom Netzwerk Handwerk begrüßte unter den zahlreichen Gästen bei der Vernissage Institutsleiterin Univ.Prof. Arch. DI Kathrin Aste sowie die beiden Projektleiter Univ.Ass.DI Christian Dummer und Mag. Arch. Raffael Schwärzler sowie Vertreter vom Verein Netzwerk Handwerk.
„Wir im ./studio3 sind gewohnt, zu kooperieren“, wies Kathrin Aste auf die Arbeitsweise der universitären Einrichtung hin, der durch die Zusammenarbeit bei Projekten die Bedeutung des Handwerks bewusst ist. Unter Corona war dieser Kontakt sehr eingeschränkt – umso mehr freute man sich nun, die ausgearbeiteten Modelle im Rahmen der Ausstellung zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen und damit Interesse für experimentelle Architektur zu wecken.
„Das sind keine alltäglichen Gebäude – es sind architektonische Ideen und Materialisierungen“, so Aste. Wenn bei konkreten Umsetzungen „ein bisschen davon mitgenommen wird, gelingt schon etwas! Handwerk und Nachhaltigkeit werden immer wichtiger – wir werden noch sehr kreativ sein müssen im Umgang mit Materialien. Die Zusammenarbeit mit Handwerkern bringt uns sehr viel.“
Die Bedeutung von Kooperation, des miteinander Seins, unterstrich auch Christian Dummer. „Die Nähe zu Produkt und Herstellung ist durch die Industrialisierung verloren gegangen“, stellte er fest und wies auf die Doppelbedeutung des Ausstellungsmottos „Out of Hands“ hin – einerseits bedeute die Übersetzung „von Hand gemacht“, andererseits „außer Kontrolle“. In diesem Spannungsfeld bewegen sich die zehn vielfältigen experimentellen Entwürfe. Anliegen sei, die seit der Moderne bestehende Trennung von Leben und Arbeit zu einer neuen Symbiose zu vereinen – unter Berücksichtigung von Umwelt und Material. Raffael Schwärzler wies auf historische Grundlagen des vorindustriellen Handwerks in Europa hin.
Die Architektur-Modelle wurden teilweise für ganz konkrete Orte wie Rattenberg oder Innsbruck entworfen, wobei die Studierenden Gewerke wie Glasmacher, Tischler, Spielzeugmacher oder Geigenbauer thematisierten. Luca Guarino befasste sich mit der Idee, angesichts des vorherrschenden Platzmangels in Tirol einstige Bergbaugebiete und Steinbrüche als attraktive Standorte für unkonventionelle Bauten – auch für Wohnzwecke – zu nützen, statt diese einfach sich selbst zu überlassen.
„Wie im mittelalterlichen Vorbild soll das Handwerk zurück in den belebten stadtnahen Raum gebracht werden und dadurch wieder mehr allgemeine Aufmerksamkeit erlangen“, meint Maximilian Dietzfelbinger. So könnten neue Formen der Lehre und Fertigung entstehen und das soziale Miteinander gestärkt werden. Durchaus kritisch sieht Micha Schneider die Entwicklung des Tischlerhandwerkes in Wandel der Industrialisierung. Durch Massenproduktion würden „Möbel zu saisonalen Objekten degradiert“. Das Ergebnis sei eine „gewollte Gleichschaltung des ästhetischen Empfindens des Konsumenten – eine „uniformierte Welt unter dem Deckmantel vorgetäuschter Individualität“.
Nach dem Vorbild historischer Altstädte, die einen „hybriden Lebensraum“ boten, in dem Arbeits- und Wohnbereich sowie öffentlicher Raum ineinander verwoben waren, solle heute die Trennung von Arbeits- und Wohnraum auch wieder aufgehoben werden, regt Marinus Schurer mit seinem Entwurf an. Als Werkautoren beteiligten sich weiters Christian Beetz, Demircan Ercan, Valentin Gensheimer, Alex Kerschbaumer, Michael Maier und Michael Marthe.