Mit den Themen Arbeit, Geldordnung und Staatsfinanzen beschäftigte sich der Internationale wirtschaftspolitische Kongress von 12. – 15. Mai 1983 in Wörgl, den die INWO (Internationale Vereinigung für Natürliche Wirtschafsordnung) in Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde Wörgl und dem Fremdenverkehrsverband Wörgl ausrichtete. Das Kongresspublikum reiste aus Deutschland, Schweiz und Österreich an und die Stadt Wörgl vergab erstmals den damals mit 50.000 Schilling dotierten Unterguggenberger Preis.
„Für mich war Unterguggenberger ein Mann, der wusste, dass es ein Wirtschaftssystem gibt, wo nicht ein Geld, das sich selbst vermehrt, sondern die Arbeit das Kapital ist“, schreibt Wörgls damaliger Kulturreferent der Stadt Wörgl und Initiator des Kongresses Simon Mayer in seinem Grußwort an die Kongressteilnehmer. Der charismatische Jungbauer und Gemeinderat brachte den geldpolitischen Ideen Gesells große Sympathie entgegen und sah im Wörgler Freigeld-Experiment Werte wie Frieden, Freiheit und Solidarität verwirklicht.
Der erste Michael Unterguggenberger Preis
Tirols Landeshauptmann Eduard Wallnöfer würdigte, „dass die Stadtgemeinde Wörgl mit der Stiftung eines Unterguggenberger Preises in der Höhe von 50.000 Schilling für die beste wirtschaftliche oder finanzpolitische Idee einen Anreiz bietet, dass sich Experten gründlich mit der Behandlung von Wirtschaft und Finanzen in unserer Zeit befassen.“ Dieser Preis, gesponsert von der Raiffeisen-Bezirkskasse Wörgl, wurde zum Auftakt des dreitägigen Kongresses am 12. Mai 1983 bei der Eröffnungsveranstaltung in der Aula des Bundesschulzentrums von Wörgls Bürgermeister Fritz Atzl an den INWO-Präsident Prof. Dr. Felix G. Binn aus Mönchengladbach überreicht. Binn befasste sich mit dem geldtheoretischen Ansatz in Bezug auf Kreislaufdenken und seine praktische Auswirkung auf Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung. „Ausgangspunkt ist die These, dass unsere Lage langfristig immer schlechter wird, wenn wir auf traditionelle Weise fortfahren, zu wirtschaften“, stellte Binn fest. Der Volkswirtschaftler verfasste u.a. die Schriften „Arbeit Geldordnung Staatsfinanzen“ und „Grenzen der Marktwirtschaft“.
Zum zweiten Mal wurde der Unterguggenberger Preis im Rahmen des Wörgler Freigeldjahres 2007 vergeben. Das Unterguggenberger Institut organisierte Ausschreibung, Jury und die Verleihung des mit 5.000 Euro dotierten Geldpreises für die beste finanzpolitische oder wirtschaftliche Idee, wobei die Kriterien erweitert wurden um Umsetzung, Bildungsaspekt und die Öffentlichkeitswirksamkeit von Projekten. Das Preisgeld sponserte die Sparkasse Wörgl. Aus 12 internationalen Einreichungen erkor die Fachjury die Social Trade Organisation STRO Brasilien mit ihrem Mikrokredit-Finanzierungssystem in Porto Allegre als Sieger.
Das Kongress-Programm 1983 im Astnersaal
Das Kongress-Programm am Freitag, 13. Mai und Samstag, 14. Mai ging im Wörgler Astnersaal im Hotel Alte Post über die Bühne. Am ersten Tag gab der ehemalige deutsche Bundesminister Hermann Höcherl aus Bonn einen Rückblick auf die Weltwirtschaftskrise in seinem Referat „Von der Deflationspolitik zur Arbeitslosigkeit“. Mit Idee und Praxis der Wirtschaftsbelebung 1932/33 befasste sich der Redakteur Hans Schumann aus Hamburg und mit dem Ergebnis des Freigeldexperimentes von Wörgl mit besonderer Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit Dr. Kurt Kessler aus Spiekeroog. Nachmittags trat der österreichische Freiwirt Erich Dorfner aus Linz ans Rednerpult und referierte zum Thema „Mit Keynes Methoden kann man nicht Keynes Ziele erreichen“. „Gerechtes Geld als Grundlage für Vollbeschäftigung“, wie das gehen kann, führte Univ.Prof. Dr. Dieter Suhr aus Augsburg aus.
Mit der Vorführung des Filmes „Der Grüne Faden“ und anschließender Diskussion endete das Nachmittagsprogramm. Nach einem ökumenischen Gottesdienst mit Orchesterbegleitung abends in der Stadtpfarrkirche trafen sich die Tagungsteilnehmer beim Unterinntaler Volksmusikabend mit den Loinger Dirndln, der Häringer Saitenmusik, dem Kirchbichler Viergesang und den Häringer Buam.
Arbeitslosigkeit, Sozialsystem, Geldumlauf und Staatsverschuldung
Den zweiten Kongresstag eröffnete ein Ausblick in das beginnende Engagement der Wissenschaft für das Problem der Arbeitslosigkeit – geladen dazu waren als Referenten L.A. Prigle, Director of Research BBDO New York und Hans Cohrssen aus Frankfurt, ehemals Assistent von Prof. Irving Fisher und Zeitzeuge des Wörgler Freigeld-Experimentes.
Über „Die Entwicklung der Belastung und die Tragfähigkeit des Sozialen Netzes am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland“ sprach Paul Fischer von der Sozialwirtschaftlichen Gesellschaft in Bochum. Die Steuerbarkeit der Elemente der Geldmenge und die Bedeutung für den Geldkreislauf nahm Hans Hoffmann, Präsident der wissenschaftlichen Kommission der Liberal Sozialistischen Partei Schweiz ins Visier und mit der Bedeutung des Notenumlaufes für die Politik befasste sich Prof. Dr. Georg Rich aus Zürich, Direktor der Schweizerischen Nationalbank. Das Problem der Staatsverschuldung beleuchtete Dr. van Loen aus Wien und das Abschluss-Referat hielt Felix G. Binn.
Auch am Samstag erwartete die KongressbesucherInnen ein kulturelles Rahmenprogramm – ein Erich-Kästner-Konzert mit Anselm König in der Galerie Perlinger im Parkrestaurant Golf.
Unter den Kongressteilnehmern waren auch Michael Unterguggenbergers Tochter Lia Rigler, die heute in Graz lebt – aus ihrem privaten Fotoalbum sind diese Bilder entnommen, sowie sein Sohn Dkfm. DDr. Silvio Unterguggenberger (1935-2019), der 1957 seine Diplomarbeit an der Hochschule für Welthandel in Wien über den „Schwundgeldversuch“ von Wörgl schrieb. Zu seinem Resümee zählte, dass „durch die Erfolge des Wörgler Versuches die Bedeutung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, insbesondere im Hinblick auf Beschäftigung und Arbeitsplatzsicherung, eindrucksvoll demonstriert wurde“. Und weiter: „Mit ihren einstimmigen Beschlüssen, den Schwundgeldversuch zu unternehmen und fortzusetzen, haben die Bürger von Wörgl – in bester Landestradition – Mut zum Widerstand gegen Not und Unbill bewiesen. Diesen Widerstandsgeist in Einigkeit, der die Voraussetzung für unser und unserer Kinder Überleben ist, sollten wir uns unbedingt bewahren.“