Kraftwerk Egerndorf: Ein weiterer Schritt zum Kraftwerksbau

Seit 10 Jahren arbeiten die Wörgler Stadtwerke am Kraftwerksprojekt Egerndorf an der Brixentaler Ache, mit dem 2.700 Haushalte mit Ökostrom versorgt werden sollen. Nach Anrainer-Einsprüchen wurde umgeplant und nach zähen Verhandlungen mit Kirchbichls Bürgermeister Herbert Rieder liegt jetzt ein Projekt am Tisch, das diesen Herbst der Bevölkerung noch einmal vorgestellt werden soll. Bei der Generalversammlung der Bürgerinitiative LA21 Bruckhäusl aktiv informierte Stadtwerke-Geschäftsführer Reinhard Jennewein über das Kleinwasserkraftwerks-Projekt.

2008 kam der Kirchbichler Egon Dietrich mit der Idee zu den Wörgler Stadtwerken, das Gefälle der Brixentaler Ache von Bruckhäusl bis zur Grattenbrücke für ein Wasserkraftwerk zu nützen. Die Ache war in diesem Abschnitt zur Zementindustrie-Pionierzeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits zur Stromgewinnung genützt – durch ein Kraftwerk in der Neuen Fabrik auf Höhe der heutigen Pegelmessstelle sowie durch das Kraftwerk Walch bei der Grattenbrücke, zu dessen Betrieb das Wasser über Bruggermühl abgeleitet wurde.

2012 erfolgte die Gründung der Kraftwerk Wörgl GmbH als Privatstiftung, an der die Stadtwerke mit 65 % und Egon Dietrich mit 35 % beteiligt sind. 2013 wurde das Projekt beim Land zur naturschutz- und wasserrechtlichen Bewilligung eingereicht. Drei Grundeigentümer erhoben Einspruch. „Ein Bauer wollte als Gegenleistung die Umwidmung von Feldern dort für eine Tankstelle. Das war nicht im Sinn der Stadtentwicklung“, erklärt Jennewein. So entschieden sich die Projektbetreiber zur Umplanung: „Wir wollten für die Druckrohrleitung mit einem Durchmesser von 2,8 Metern natürlich die kürzeste Strecke. Mit dem Radweg, der der ÖBB gehört, haben wir nun eine Alternative gefunden. Auf Kirchbichler Seite benötigen wir sonst keinen Fremdgrund mehr.“ Durch die Umplanung entstehen beim 12 Millionen Euro teuren Kraftwerksprojekt Mehrkosten in Höhe von 220.000 Euro. Bisher wurden rund 350.000 Euro in die Vorarbeiten investiert.

„Kirchbichls Bürgermeister Herbert Rieder hat sehr hart verhandelt, aber wir haben einen fairen Kompromiss erzielt“, berichtete Jennewein. „Das heißt noch nicht, dass die Gemeinde zustimmen wird – Einigkeit kann erst nach einer weiteren Bürgerversammlung hergestellt werden, die in den nächsten Wochen erfolgen wird. Die Beweisumkehr war der Knackpunkt, der jetzt weg ist“, erklärt Rieder und hat noch eine Herausforderung parat: „In den nächsten 10 Jahren soll von Brixen bis Angath entlang der Brixentaler Ache ein Hochwasserschutz errichtet werden. Dieser muss noch eingearbeitet werden.“ Wobei Rieder davon ausgeht, dass im Kraftwerksbereich die Kraftwerksbetreiber dann auch für Errichtung und Erhalt des Hochwasserschutzes zuständig seien. Die Zustimmung des Kirchbichler Gemeinderates hänge davon ab, ob in allen Punkten Einigkeit erzielt werden kann. Eine Lösung sei heuer aber „nicht ausgeschlossen“.

Die Verzögerung hatte für die Betreiber den Vorteil, Daten über die Grundwasser-Situation zur Beweissicherung zu sammeln. Dazu wurden 18 Messstationen errichtet. „Es hat sich gezeigt, dass das Grundwasser nicht so stark auf Niederschlagsereignisse reagiert wie manche angenommen hatten – die Schwankungsbreite liegt bei 30 bis 35 Zentimeter“, stellt Jennewein fest und berichtet von einer weiteren Vorgabe des Landes Tirol: „Die Pegelmessstelle müssen wir in Richtung Osten versetzen, was uns rund 110.000 Euro kostet.“

Wenn alle Hürden genommen werden, soll das Kraftwerk Egerndorf über die Stromgewinnung hinaus Vorteile bringen – als Naherholungsraum. Das Krafthaus soll als Schaukraftwerk gestaltet werden. Bei der Wasserfassung auf Höhe der bestehenden Pegelstelle ist eine Fuß- und Radwegbrücke zur Anbindung an den Radweg nach Bruckhäusl vorgesehen. Eine Verlängerung des Weges auf Wörgler Seite ist aufgrund der beengten Grundverhältnisse zwischen Bahn und Ache nicht möglich.

Der Zeitplan zum Kraftwerksbau ab der Einigung mit der Gemeinde Kirchbichl sieht drei bis sechs Monate für die Bescheiderstellung durch das Land Tirol, 6 bis 9 Monate für die Detailplanung, weiters die Frist für die Ausschreibung sowie eine eineinhalb Jahre dauernde Bauzeit vor, wobei die Wasserfassung nur während der Niedrigwasserphase im Winter errichtet werden kann. Bestenfalls könnte das Kraftwerk Egerndorf frühestens 2020 in Betrieb gehen.

Lebensraum sichern und verbessern

LA21 Bruckhäusl aktiv-Obmann Thomas Gasteiger ging in seinem Bericht auf weitere Projekt ein, die den Lebensraum der Dorfgemeinschaft betreffen. Der 2017 eröffnete Radweg auf Wörgler Seite vom Kraftwerk Bruckhäusl bis nach Einöden wird von Radfahrern ebenso wie von Spaziergängern sehr gut angenommen. 120.000 Euro investiert Wörgl in ein Hochwasserschutz-Projekt für den Ortsteil Weiler Haus durch Entwässerungsmaßnahmen am Pfaffenberg. „30 Jahre lang ist es bei starken Niederschlägen immer wieder zu Überschwemmungen gekommen. Jetzt ist der erste Bauabschnitt mit Staumauer, Verrohrung, Sickerbecken und Ableitung in den Leitgraben fertig gestellt“, berichtete Gasteiger und dankte im Speziellen Bürgermeisterin Hedi Wechner, die sich für diese Lösung eingesetzt hatte.

Gasteiger informierte weiters über den aktuellen Stand der von der Strabag geplanten Aushubdeponie am Riederberg. Im Frühjahr 2017 wurde das Projekt, das die Ablagerung von einer Millionen Kubikmeter Aushub im Zeitraum von 20 Jahren vorsieht, vorgestellt. Die Bürgerinitiative meldete daraufhin Bedenken u.a. hinsichtlich der Hochwasser-Sicherheit sowie der Verkehrsbelastung an, die von der Stadtgemeinde im Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden. Bis jetzt laufe allerdings kein Behördenverfahren. Gemeinderat Georg Breitenlechner fügt den Bedenken noch eine weitere Forderung hinzu – im Hinblick auf die Ereignisse in Going, bei denen nach einem Hangrutsch die Betroffenen keinen Schadenersatz erhielten: „Der Betreiber soll eine Versicherung unabhängig von der Verschuldensfrage abschließen.“

Der Verein LA21 Bruckhäusl aktiv unterstützt das Projekt zur Fuchsweg-Attraktivierung, bei dem der Wörgler Heimatmuseumsverein und der Tourismusverband zusammenarbeiten. Der Fuchsweg wurde um 1930 errichtet und führt vom Berghäusl in Wörgl bis zum Hauserwirt. Die Wegerhaltung nimmt der TVB vor. Zusätzliche Ruhebänke, geschichtliche und naturkundliche Infos sollen einen Anreiz schaffen, den Wanderweg entlang des Fußes der Möslalm vermehrt als Naherholungsgebiet zu nützen.

Bruckhäusl seinerzeit

Der Verein LA21 Bruckhäusl aktiv versteht sich nicht nur als Plattform zur Vertretung der Bürgerinteressen in Umweltbelangen, sondern kümmert sich seit Schließung der Mülldeponie und Errichtung der Bruckhäusler Umfahrung vermehrt um die Dokumentation der Ortsgeschichte. Mit dem Material der Fotoausstellungen Bruckhäusl seinerzeit von 2008 und 2013 wurde begonnen, ein Archiv aufzubauen, das im Frühjahr 2017 vom Dachboden der Volksschule ins neu renovierte Vereinshaus von Musikkapelle und Schützen übersiedelt ist. Zur Dorfchronik gehören historische Fotos ebenso wie Film-Dokumente über die abgerissenen Kraftwerke der Zement-Pioniere und des 50 Jahre dauernden, eingestellten Skilift-Betriebes am Riederberg. Zehn Jahre nach der ersten Fotoausstellung plant der Verein im Frühjahr 2018 einen weiteren Dorfabend unter dem Motto „Bruckhäusl seinerzeit“.