Naturjuwel Filz: vorbildlich gelebter Naturschutz

Ihre Schönheit liegt im Detail und ihr Wert für die Artenvielfalt und das Ökosystem kann in Geld nicht aufgewogen werden – die „Filz“ ist ein ökologischer Hotspot im Tiroler Unterland. Das seit 30 Jahren geschützte Feuchtbiotop gilt als Vorzeigeprojekt in ganz Tirol. Warum das so ist, machte am 17. April 2018 ein Info-Abend im Wörgler Tagungshaus mit Filmvorführung und Fachreferaten von Biologen klar.

Auf Einladung von Tagungshaus, Unterguggenberger Institut und der Schutzgebietsbetreuung fanden sich 70 Interessierte aus Nah und Fern ein, um sich über die ökologische Einzigartigkeit und Pflege des Feuchtbiotopes mit Hoch-und Übergangsmooren, Nasswiesen und Hochstaudenfluren  mit zahlreichen geschützten und gefährdeten Tier- und Pflanzenarten zu informieren.

Der Wörgler Filmemacher und Naturliebhaber Armin Oberhauser fing von 2011 bis 2016 die Kostbarkeiten und Schönheit der Filz mit der Kamera zu allen Jahreszeiten ein. Sein Film beeindruckte durch faszinierende Nahaufnahmen der Tier- und Pflanzenwelt und „zeigt, wie wichtig es ist, solche Biotope für kommende Generationen zu erhalten“, erklärte der Apotheker und Botaniker Dr. Paul Vergörer. Als Gründungsmitglied der Ökologiegruppe Wörgl, die von 1985 bis 2009 bestand und die Unterschutzstellung sowie die Pflege des Biotopes bewerkstelligte, führte er bereits im Zuge der Biotopkartierung 1992 eine Pflanzenstandserhebung durch, die er 2016 und 2017 wiederholte und dabei 167 verschiedene Pflanzen  registrierte.

Pflanzen-Bestandserhebung zeigt Veränderungen auf

„Auch bei Pflanzen gibt es einen Verdrängungswettbewerb“, so Vergörer. 49 Arten fand er nicht mehr – darunter der Calmus, der von den Sumpfschwertlinien vollständig verdrängt wurde –  dafür neu eingewanderte wie den seltenen Goldhahnenfuß oder den fleischfressenden Wasserschlauch.  Sieben Orchideenarten listet seine Bestandserhebung ebenso auf wie seltene, eingewanderte Seggen. „Dank der Biotopbetreuung konnten Neophyten wie Springkraut und Goldrute weitgehend zurückgedrängt werden“, betonte Vergörer und wies auf die Bedeutung der Biotope hin, die in Tirol derzeit nur zu einem kleinen Teil geschützt sind.  „Viele sind stark gefährdet, wie das Lindenmoos in Angerberg. Dieses Hochmoorbiotop ist durch Oberflächenentwässerung bedroht“, so Vergörer.

Der Erhalt eines dichten Netzes von Biotopen sei für den Gen-Austausch und damit den Erhalt der Tier- und Pflanzenvielfalt notwendig. „In Tirol werden jedes Jahr Flächen im Ausmaß von 600 bis 700 Fußballfeldern bebaut und damit versiegelt. In den vergangenen 100 Jahren sind 90 % der Feuchtgebiete verschwunden“, erklärte Vergörer und will Bewusstsein für den Naturschutz schaffen. Auch Intensiv-Landwirtschaft trägt zum massiven Rückgang der Insekten bei, wobei hier schon ein Umdenken im Gang sei.

Insektenvielfalt: 2018 weitere wissenschaftliche Bestandsaufnahme

„Dass der Naturschutzgedanke so gelebt wird, ist in Wörgl einzigartig“, stellte der Biologe und Schutzgebietsbetreuer Philipp Larch fest. Und die Artenvielfalt in der Filz spreche für sich. 2005 stellten Kurt Lechner und Alois Ortner im Rahmen einer entomologischen Untersuchung 340 Schmetterlingsarten und 9 Heuschrecken-Arten fest. „312 Schmetterlingsarten können sich auch in der Filz dank der vorhandenen Pflanzenvielfalt entwickeln“, so Larch. 2018 wird die wissenschaftliche Erhebung wiederholt und deren Ergebnisse in den Pflegeplan eingearbeitet.

Nach Auflösung der Ökologiegruppe 2009 formierten sich die Filz-Liebhaber um Maria Ringler, die sich bei der Koordination ehrenamtlicher Arbeitseinsätze gemeinsam mit Wörgls Umweltbeauftragten „Maxä“ Georg Griesser ebenso engagiert wie beim „Springkraut-Zupfen“, der Foto-Dokumentation und der Wissensvermittlung bei begleiteten Filz-Rundgängen. „Die ehrenamtliche Mithilfe der Bevölkerung bei den Pflegemaßnahmen ist tirolweit Vorbild“, weiß Philipp Larch, der auch andere Schutzgebiete betreut und das Pflegekonzept erläuterte.

Vom 5,2 Hektar großen Schutzgebiet, das die Stadt Wörgl von der Dorfinteressentschaft sowie von Landwirten angepachtet hat, werden rund 2,5 Hektar im Herbst vom Maschinenring mit einem Handmäher  gemäht. „10 % der offenen Biotopfläche bleiben unbearbeitet als Rückzugsgebiet für die Tiere“, so Larch. Mäharbeiten im Moor sind nicht jedes Jahr erforderlich und dienen der Freihaltung von Sträuchern und Bäumen. Das Mähgut wird dann bei Freiwilligeneinsätzen händisch „auf Reihe“ gebracht, wobei wiederholt auch Asylwerber tatkräftig mit anpackten. „Seit drei Jahren helfen die Mitglieder von Werkbank und Beta beim Abtransport des Mähgutes“, freut sich Larch über die Unterstützung. Eine Seilwinde erleichtert die kräfteraubende Handarbeit. Der Einsatz schwerer Maschinen ist nicht möglich – nur händisch kann schonend und nicht bodenverdichtend gearbeitet werden. Das Entfernen des Mähgutes, das vom städtischen Bauhof zur Kompostieranlage in Kirchbichl geliefert wird, sichert durch Verhinderung von Nährstoffeintrag die Artenvielfalt.

Goldfische sind weiterhin ein Problem

Pflegemaßnahmen betreffen nicht nur die Feuchtwiesen, auch die Teiche, die im Lauf der Zeit zuwachsen und verlanden würden. „2017 entfernten wir Wasserpflanzen und stutzten die Weiden“, erklärte Larch. Offene Wasserflächen sind wichtig für Amphibien wie Frösche, Kröten und Molche, denen allerdings noch Gefahr von anderer Seite droht: „Wir haben schon 33 Goldfische entfernen müssen“, berichtete Larch. Die Zierfische wurden offenbar dort ausgesetzt und vermehrten sich – mit gravierenden Folgen, da sie den Laich der Amphibien fressen und damit deren Fortbestand gefährden. Die schwierige Goldfisch-Jagd muss heuer leider weitergehen – im Frühjahr wurde bereits wieder ein Jungfisch gesichtet.

Nur was man kennt, schützt man auch – diesem Motto folgend finden immer wieder lehrreiche Naturführungen in der Filz auch mit Schulklassen statt. „Derzeit arbeiten wir mit einer ersten Klasse der Handelsakademie Wörgl zusammen, die ein Projekt erstellt, um die Schönheit der Filz sichtbar zu machen“, erklärte Larch und bittet die Bevölkerung auch weiterhin um Mithilfe – etwa beim Auszupfen von Springkraut in und rund um die Filz. Auch das Ausstechen der Goldrute wird heuer noch Arbeitseinsätze erfordern. Infos über Filzaktivitäten gibt´s bei Maria Ringler, die zum Infoabend ihre Fotodokumentation ebenso mitbrachte wie selbstgebackenen Kuchen.