Taubenschlag statt Häuserkampf

„Taubenabwehr in unseren Städten ist seit Jahrzehnten ein mühsamer, teurer Häuserkampf, der nichts bringt“, berichtete der Taubenexperte Hans Lutsch von der ARGE Stadttauben bei seinem Vortrag am 18. November 2019 im Volkshaus Wörgl und stellte als wirkungsvolle, tierschutzgerechte, nachhaltigste und effizienteste Methode das „Augsburger Modell“ vor, das mit betreuten Taubenschlägen nachweislich die Taubenplage in den Griff bekommt.

Vor 6.000 Jahren holten sich die Menschen die Tauben ins Haus – uns verbindet mit den Tieren eine Jahrtausende lange Kulturgeschichte, die sich auch in religiöser Symbolik widerspiegelt. Ob „Heiliger Geist“ oder Friedenstaube, die Vögel waren als Botschaft überbringende Brieftauben ebenso geschätzt wie auf der Speisekarte und als Düngelieferant. Dass sie heute als Problem in vielen Städten gesehen werden, sei nicht Schuld der Tiere, sondern menschengemacht. Und dazu tragen Taubenzüchter wesentlich bei, wie Hans Lutsch aus Erfahrung weiß: „Tauben sind heute gehandelt wie Rennpferde, die teuerste wurde jüngst um eine Million Euro gehandelt.“ Tiere, die nicht die gewünschten Zuchtergebnisse bringen, werden einfach freigelassen und landen in Städten und damit einem nicht artgerechten Lebensraum. Denn die Tiere sind an die Betreuung des Menschen und damit an ein Zuhause, einen Taubenschlag, gewöhnt, in dem sie gefüttert werden und die meiste Zeit des Tages verbringen.

Stadttauben sind keine Wildtiere

Zur Stadttauben-Problematik tragen auch Taubenauflässe zu kirchlichen Festen wie zu Pfingsten bei. „In Venedig wurden am Palmsonntag hunderte Tauben aufgelassen. Gegen die daraus entstandene Plage wurde 2008 ein Fütterungsverbot erlassen. Daraufhin sind die Schwachen gestorben – und jetzt vermehren sie sich wieder“, weiß Lutsch, der vom gegenteiligen Effekt von Fütterungsverboten berichtete: „Unter Stress verdoppeln und verdreifachen Tauben ihre Bestände, sie brüten noch mehr und unter Hunger noch erfolgreicher.“

Fütterungsverbote führen auch zu Erkrankungen. Tauben sind Hartkörnerfresser. Gefressene Abfälle führen zu Nierenversagen und Nasskot, der vielmehr verschmutzt als der trockene Kot gesunder Tiere. „Nach dem Tierschutzgesetz sind Tauben geschützt. Das heißt, der Mensch ist zur Hilfe verpflichtet, darf sie nicht töten und nicht vergiften“, so Lutsch. Bei Vergiftung drohen Strafen bis zu 5.000 Euro, auch Gefängnis.

Teure Bauelemente zur Taubenabwehr sind nutzlos – die Tiere nisten sich dahinter ein. Netze helfen nur, wenn sie straff gespannt sind. Ultraschall erwies sich als Rohrkrepierer, weil Tauben ihn nicht hören. Hohe Kosten ohne Nutzen, wie Lutsch vorrechnete: „In Salzburg werden pro Jahr von Hausbesitzern 300.000 bis 500.000 Euro für Taubenabwehr ausgegeben – ohne Reinigungskosten.“ In der Endabrechnung ist Taubenbetreuung wesentlich günstiger. Allerdings mit dem Effekt, dass diese Kosten nicht von den privaten Hausbesitzern getragen werden.

Das Augsburger Modell macht sich die Konditionierung der Tauben aufs Brüten zu Nutze: In betreuten Taubenschlägen sammeln sich die Tiere, werden dort gefüttert, auch tierärztlich versorgt und verbringen dort den Großteil des Tages, weil sie gerne dort sind, da auch brüten. Die Vermehrung wird durch den Austausch der Eier in Attrappen unterbunden. „In eineinhalb Jahren haben wir 1.400 Eier entnommen“, berichtete Lutsch aus Salzburg, wo auch außerhalb von Taubenschlägen Eier ausgetauscht werden. Effizienter geht´s aber mit Taubenhaus bzw. Taubenschlag.

Taubenschläge locken Tauben an – sie finden hier den gewohnten Lebensraum wieder. Auch der Taubenkot sammelt sich in der Unterkunft, die täglich betreut werden muss. „In Augsburg erfolgt das durch Projekte, Sozialvereine, den Tierschutz und Ehrenamtliche. Als Entschädigung gibt es ein Taschengeld“, so Lutsch. Taubenkot kann als wertvoller Dünger verkauft werden, auch die Eier.

Sollte sich Wörgl für die Errichtung eines Taubenschlages entscheiden, rät er, ihn groß genug zu dimensionieren und auf eine freie Einflugschneise zu achten. Das Taubenhaus lockt die Tiere an. Derzeit wird die Taubenpopulation auf rund 150 Tiere in der Bahnhofstraße und weitere 150 rund um die Kirche geschätzt. Bestandsaufnahme, Standortsuche und eventuell Gründung eines Vereins zur Betreuung sind nun weitere Schritte, mit denen sich die Wörgler Grünen nach dem Antrag im Gemeinderat zur Errichtung eines Taubenschlages in Wörgl befassen werden. Wer Interesse hat, bei der Betreuung mitzuhelfen, ist herzlich willkommen.