Trotz Corona-bedingt verordnetem Stillstand in vielen gesellschaftlichen Bereichen macht das Leben keine Pause. Zuhause bleiben und Spazierengehen – das erhöhte in den vergangenen Wochen erheblich die Besucherfrequenz im Wörgler Feuchtgebiet Filz. Einerseits erfreulich, andererseits aber auch Anlass zur Sorge für die SchutzgebietsbetreuerInnen, da rücksichtsloses Verhalten die Tier- und Pflanzenwelt schädigt. Sie appellieren: „Bitte auf den Wegen bleiben! Keine Blumen pflücken! Und Hunde an die Leine nehmen.“
„Im Schutzgebiet hat die Natur Vorrang, nicht der Mensch“, erklärt Schutzgebietsbetreuer Philipp Larch. Und anschaulich bringt es Filz-Aktivistin Maria Ringler auf den Punkt: „Wir gehen auch nicht in Ihre Wohnung und plündern den Kühlschrank!“ Verhaltensregeln zum Schutz von Tieren und Pflanzen sind ebenso wie laufende Pflegemaßnahmen unerlässlich, um die Artenvielfalt im Naturjuwel zu erhalten und nach dem Nachweis des Amphibienpilzes Chytrid in der Filz ein Verschleppen der Tierseuche zu vermeiden.
„Wir beteiligten uns mit der Filz im vergangenen Jahr am Uni-Projekt „Frosch im Wassertropfen“, bei dem 100 Kleinstgewässer in Tirol mittels Gen-Analyse untersucht wurden“, berichtet Larch. Anhand von DNA konnte dabei in der Filz das Vorkommen von Grasfrosch, Erdkröte, Wasserfrosch und dem seltenen kleinen Wasserfrosch sowie von Bergmolch und dem seltenen Alpenkamm-Molch nachgewiesen werden. Und leider auch der Pilzbefall, der sich von Afrika aus – dort sind die Tiere immun dagegen – weltweit verbreitete und bereits zum Aussterben von 90 Amphibienarten geführt hat.
„Die Filz ist eines von drei positiv getesteten Gewässern. Zwei befinden sich im Bezirk Kufstein, eines im Raum Innsbruck“, erläutert Larch. Wie die Übertragung erfolgte, darüber kann nur spekuliert werden. Eine Einschleppung ist durch Menschen und Tiere wie freilaufende Hunde, Wasservögel oder illegal im Biotop ausgesetzte Tiere möglich. Denn in der Filz werden unerlaubterweise immer wieder Amphibien ausgesetzt. Durch die Gen-Analyse ist bestätigt, dass der 2017 erstmals gesichtete Alpenkamm-Molch hier eingesetzt wurde: „Es gibt 2 Arten dieser Molche, der Nördliche Kammmolch hat sein natürliches Verbreitungsgebiet auch in Tirol. Jene Art, die in der Filz nachgewiesen wurde, ist der Alpen- Kammmolch. Er konnte in ganz Tirol sonst nur nahe Tratzberg nachgewiesen werden, und dort wurden diese Molche nachweislich künstlich eingebracht. Daher geht man sehr stark davon aus, dass die Kammmolche in der Filz unter der Mithilfe des Menschen dort hingekommen sind“, erklärt Larch.
Die Übertragung des Pilzes, der nur für die Amphibien gefährlich ist, kann auch durch Schuhwerk erfolgen. Wer gern in Feuchtgebieten wandert, sollte deshalb Schuhe desinfizieren und Hunde nicht in Tümpeln baden lassen. Larch warnt auch eindringlich davor, aus der Filz Tiere oder Pflanzen für den eigenen Gartenteich zuhause zu entnehmen – was ohnehin nicht erlaubt ist.
Der Aufwand, der fürs Schutzgebiet mittels Pflegemaßnahmen wie jährlicher Mahd samt Entfernung des Schnittgutes, Entbuschung des Moorbereiches, Freihalten von Wasserflächen durch Teichsanierungen oder regelmäßiger Entfernung von Neophyten wie Springkraut oder kanadischer Goldrute betrieben wird, macht sich für die Natur und Artenvielfalt bezahlt. Im fünf Hektar großen Paradies tummeln sich hunderte Schmetterlingsarten, Libellen, Heuschrecken und eine große Insektenvielfalt, zahlreiche Vogelarten und Kleinsäuger wie Siebenschläfer oder Haselmaus. Hasen, Rehe, Fuchs und Dachs halten sich ebenfalls im Schutzgebiet auf.
Derzeit sind Filz-Aktivistin Maria Ringler und freiwillige HelferInnen mit Aufräumungsarbeiten nach dem Heckenschnitt im Herbst 2019 beschäftigt. Ein Auslichten ist notwendig, um Wiesen- und Moorflächen freizuhalten. Sorgen bereitet die anhaltende Trockenheit – der Wassermangel macht sich in den Teichen bemerkbar und bedroht die nächste Generation der Amphibien. „Im Vorjahr half uns die Feuerwehr mit einer Wasserlieferung. Heuer haben wir wieder angefragt, aber aufgrund von Corona werden derzeit keine solchen Übungen durchgeführt“, erklärt Maria Ringler, die unterstützt von ihrem jungen freiwilligen Helfer David Prix seit Wochen einen der Froschlaichtümpel mit Wasserflaschen vor dem Austrocknen bewahrt und rund 1.500 Kaulquappen aus bereits vertrockneten Tümpeln gerettet hat und in die großen Teiche übersiedelt.
Pflegemaßnahmen werden laufend mit der Stadt Wörgl, die das Feuchtgebiet gepachtet hat, koordiniert. So steht heuer auf dem Wunschzettel, im Herbst einen Teil des großen Teiches auszubaggern, um ein weiteres Verlanden einzudämmen. Neue Wege will Philipp Larch auch bei der Mahd gehen, um schwere körperliche Arbeit zu verringern und die Pflege dauerhaft zu sichern. Geplant ist probeweise der Einsatz von „leichten“ Maschinen wie Bandrechen und Motorkarren mit Ladewagen, wobei durch möglichst große Auflagefläche der Geräte der Bodenverdichtung entgegengewirkt werden soll. Angedacht ist auch, einen Teil der Filz wieder zwei Mal jährlich zu mähen, um das Überhandnehmen von Hochstauden wie Mädesüß einzudämmen. „Das mosaik-artige Bewirtschaftungsprinzip hat sich bisher bewährt und soll fortgeführt werden“, erklärt Larch und dankt allen Freiwilligen für ihren Einsatz bei der Pflege des wertvollen Rückzugsgebietes für Tiere und Pflanzen.
Gäste sind in der Filz auch weiterhin herzlich willkommen – vorausgesetzt ist richtiges Verhalten. „Und fotografieren ist erwünscht!“ ergänzt Maria Ringler, die sich über Fotozusendungen zur Dokumentation des Lebens im Feuchtgebiet freut und BesucherInnen gern mit ihrem Fachwissen durch das Schutzgebiet führt.