Ausstellung von Alois Schild: Perforierte Lebensläufe

Der Verein „Freunde zeitgenössischer Kunst“ Kramsach und artdepot Innsbruck luden am 26. Jänner 2016 zur Eröffnung der Ausstellung „Perforierte Lebensläufe – Ein Warteraum für Daseinsberechtigte“ des Kramsacher Bildhauers Mag. Alois Schild in der Maximilianstraße 3. Zur Vernissage organisierten die Kunstfreunde einen Bus, mit dem BewohnerInnen von Flüchtlingsunterkünften im Unterland nach Innsbruck gebracht wurden, um bei der Ausstellungseröffnung dabei zu sein. „Es war ein sehr berührendes Fest“, freut sich Alois Schild, der sich seit Jahren mit dem Thema Flucht und Integration befasst und mit Kunstaktionen für mehr Verständnis und das Zusammenleben engagiert. Die Ausstellung ist noch bis 10. März 2016 zu sehen, die Öffnungszeiten sind Mo-Fr von 11-18 Uhr, Do 11-20 Uhr und Sa 10-13 Uhr.

Alois Schild zur Ausstellung
„Perforierte Lebensläufe – Ein Warteraum für Daseinsberechtigte“

Der Hauptraum der Galerie wird vollständig mit unzähligen perforierten und rostigen Eisenplatten ausgekleidet und wird dadurch zum „Warteraum für Daseinsberechtigte”.

Diese Platten grenzen ein geschütztes Territorium ab. Die Perforationen jedoch ähneln  „Stichwunden“ oder Einschusslöchern und weisen auf eine Bedrohung und einen Angriff von außen hin.  Was schützen sollte, schließt nun ein. Gleichzeitig wirken die Wände, als könnte jederzeit jemand anklopfen und um Einlass bitten.

Ein Warteraum ist ein temporärer Aufenthaltsort. Sofort denkt man an das Konzept „Asyl auf Zeit“. In unserem Fall geht es aber ebenso um die zeitliche Begrenztheit von “Heimat”. Auch wir könnten jederzeit zu Migranten werden und gezwungen sein, unsere Heimat zu verlassen. Wer ist daseinsberechtigt und was bedeutet  daseinsberechtigt überhaupt?

Im Verlauf der Geschichte gibt es unzählige Fälle von kriegerischer Landnahme, Vertreibung, Zwangsumsiedlung und erzwungener „Völkerwanderung“. Dies bedeutet immer der Verlust der Heimat, Hunger, Leid und Hilflosigkeit bis zum Verlust der Identität. Denken wir nur an die Landsleute aus Südtirol in der Zeit des NS-Regimes.

An den Eisenplatten sind aus Stahl ausgeschnittene Namen angebracht. Typisch österreichische Namen wie Maria, Georg, Anna, Josef oder Franz weisen auf unsere Verantwortung als Einheimische und „Ortsansässige“ in der Asylfrage hin.

Im Zentrum des Warteraums befinden sich vier “Inseln” in Anlehnung an die vier Himmelsrichtungen oder die vier Jahreszeiten. Sie stellen verschiedene  Etappen der Flucht dar. 

Die erste Insel besteht aus zerknitterten Metallplatten, Baustahlstäben und Betonbruchstücken, welche die Bilder von zerbombten Gebäuden heraufbeschwören. Sie steht für die zerstörte Heimat der Flüchtlinge in Kriegsgebieten und für die Beweggründe der Flucht.  

In der zweiten Insel liegen ein zerfetztes Schlauchboot und zahlreiche Kleiderstücke. Sie symbolisieren die lebensgefährlichen Fluchtrouten und die Überquerung des Mittelmeeres.  

Die dritte Insel besteht aus einem Metallkessel, der mit Knochen gefüllt ist und an die tausenden toten Kinder, Frauen und Männer  und an das „Massengrab Mittelmeer“ erinnert.

Die vierte Insel schließlich steht für das “Neuland”- unsere Heimat, Tirol, Österreich, Europa. Das Neuland ist von Draht „umzäunt“ und abgesperrt. In der Mitte der  Insel befindet sich ein  rostiges Metallobjekt in Form einer “Endlosschleife” oder “Warteschlange”. Sie veranschaulicht den langwierigen Asylprozess und die unzähligen Stunden des Verharrens, des Nichtstuns und Wartens auf einen positiven Bescheid.  

Schließlich geben zwei Türflügel den Weg frei auf den Nebenraum der Galerie, in dessen Zentrum das Hauptobjekt der Installation steht. Es trägt den Titel “Die fünfte Jahreszeit”.

Die fünfte Jahreszeit ist die Verbindung unserer Schicksale – das der Flüchtlinge und der Einheimischen. Es gibt unvermutete Begegnungen und die Utopie des friedlichen Zusammenlebens und Austauschs. Die fünfte Jahreszeit ist auch der Neuanfang der Flüchtlinge in einer friedlichen Region der Welt, und sie fordert uns alle auf, Einfühlsames und Konstruktives zu diesen Herausforderungen und Problemen einzubringen.

Die Rauminstallation „Perforierte Lebensläufe“ hat Modellcharakter. Die Installation ist etwas “Mächtiges” und “physisch Präsentes” und bildet stets ein Hindernis, das unausweichlich auffordert, die Augen zu öffnen, nachzuempfinden und zu fühlen, zu denken, zu sprechen und etwas für die Hilfesuchenden  zu tun.