So fährt Tirol 2050: Ein Ausblick in die Mobilität der Zukunft

Mit fossiler Energie wird man zum Fossil der Industrie – das machte der Vortragsabend am 8. November 2017 auf Einladung der Wörgler Grünen im Tagungshaus Wörgl klar. Unter dem Motto „Zukunftsthema Energiewende – So fährt Tirol 2050“ gaben drei Experten für E-Mobilität und Nutzung erneuerbarer Energie einen Ausblick auf den weltweit bevorstehenden Umbau des Verkehrssektors, der auch vor Tirol nicht Halt machen wird.

„Flo – mia san eMobil“

Mit 1. September 2017 startete in Wörgl das elektromobile Carsharing-Projekt „Flo“ der Wörgler Stadtwerke. Sich ein E-Auto zu teilen ist eine leistbare Alternative für alle, die nicht täglich auf ein Auto angewiesen sind. „Die Benützung unseres Flos kostet 2 Euro pro Stunde. Die Registrierung ist kostenlos und online möglich“, teilte DI Peter Teuschel, Energiekoordinator der Stadtwerke Wörgl mit und berichtete von den ersten Erfahrungen im Alltagseinsatz der e-mobilen Flitzer, mit denen aufgrund der Reichweite 95 % aller üblichen Wege möglich sind. „Wir starteten mit einer Grundgebühr von 25 Euro und einem Stundentarif von 6 Euro. Bis 22. September langte keine einzige Anmeldung ein. Daraufhin änderten wir den Tarif und bis jetzt sind schon über 2000 Kilometer gefahren. Jetzt ist das Elektroauto schon so gut gebucht, dass wir an die Anschaffung eines zweiten denken“, so Teuschel. Probefahren ist möglich, eine Einschulung gibt´s bei den Stadtwerken. Das „Sorglos“-Flo-Paket beinhaltet Vollkasko-Versicherung und eine Hotline rund um die Uhr. Für den Wörgler Flo wurde gegenüber vom Bahnhof eine Ladestation errichtet. Parallel dazu wird das E-Carsharing-Modell auch in anderen Gemeinden gestartet, in Kundl ist der Flo auch schon unterwegs.

Und wie wird der Stau kleiner?

E-mobile Autos verbessern zwar die Luftqualität und wirtschaftliche Wertschöpfungsbilanz, werden allerdings auch in Zukunft nichts am Stau ändern. Welcher Umbau im Verkehrs-Sektor bevorsteht, darauf gab René Schader von Energie Tirol einen Ausblick. „Tirol will bis 2050 Energie-autonom sein – indem die Hälfte der Energie eingespart und der Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung um 30 % gesteigert wird“, informierte Schader über die ausgerufene Landesstrategie. Beim Energieverbrauch nach Sektoren benötigt der Verkehr derzeit 43 %, Gebäude 37 % und der produzierende Bereich 20 %. Der Umbau ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit: „Derzeit kosten uns Importe von Öl und Gas in Tirol jährlich 2 Milliarden Euro“, so Schader. Geld, das im Land bleiben soll.

Motor bei diesem Umbau sei schon jetzt der Markt. „Europa muss investieren. Die Treiber befinden sich im pazifischen Raum“, so Schader. Vor allem in China und den USA, wo Tesla seit Jahren für Schlagzeilen sorgt. Auch Google und Apple arbeiten an selbstfahrenden E-Autos. So laute der Slogan bei Google `wir bauen kein Auto, wir bauen einen Fahrer´ im Hinblick auf die rasanten technischen Fortschritte bei gleichzeitigem Preisverfall der neuen Technologien. Kostete der „Super-Computer“ für das selbstfahrende Google-Auto im Jahr 2012 noch 70.000 Euro, so gab es das Sensoren- und Kameragesteuerte IT-Paket 2016 bereits um 250 Euro pro Stück. Auch die Datenspeicherungskosten schrumpften gigantisch – lagen die Kosten für 1 Terra-Flops vor 17 Jahren bei 50 Millionen Dollar, so liegen sie 2017 nur mehr bei 50 Dollar!

Technologie-Preisverfall ermöglichten raschen Umstieg

Die Recycling-Industrie für Akkus nach ihrer 7- bis 10jährigen Lebensdauer entstehe gerade, auch neue Speichertechniken, wobei Tesla hier Pionier nicht nur bei Fahrzeugen ist. „Tesla errichet derzeit auf Inseln Energieversorgungs-Systeme, die sich zu 100 % aus Solarenergie speisen“, berichtete Schrader. Und um noch einmal bei Tesla zu bleiben, dessen Fahrzeuge bisher im Hochpreis-Sektor angesiedelt waren: „Tesla kündigte an, jetzt ein kleineres, günstigeres E-Auto zu bauen und hat ohne konkrete Modellvorstellung bereits 400.000 Bestellungen, von denen jeder 1.000 Dollar Anzahlung leistete.“

Billigere E-Autos, darin läuft auch China derzeit zum „Weltmeister“ auf. Aber auch zahlreiche gängige Automobil-Hersteller rüsten um – und vor allem kommen viele neue Anbieter dazu. „Ein Verbrennungsmotor hat 2.000 Teile und ist hochkomplex. Elektromotoren sind viel einfacher und laufen viel länger“, erklärt Schrader. Das wirke sich bereits bei Automobilmessen aus: „Nissan will nicht mehr zur Automesse, sondern zur Computermesse Cebit.“ Die fossilen Autoriesen sind zu langsam – die neuen Anbieter unterlaufen die alten Geschäftsmodelle. So ist heute die Deutsche Post der größte Elektro-Autohersteller Deutschlands. Was der Markt nicht liefern konnte, wurde kurzerhand selbst gebaut.

René Schader brachte zum bevorstehenden Umbau im Verkehrssektor ein Bild aus New Yorks mit Pferdekutschen gefüllten Straßen um 1900 mit. Gut zehn Jahre später waren alle bis auf wenige Ausnahmen dem Automobil gewichen. Eine solche Disruption, ein Systemumbau in kürzester Zeit, stehe auch jetzt bevor.

392.188 Fahrzeuge waren Ende 2016 in Tirol angemeldet. Der Anteil von Elektroautos bei den Neuanmeldungen lag 2016 in Österreich bei noch mageren 1,5 %. Länder wie Norwegen, Californien oder die Niederlande zeigen vor, wo die Reise hingeht: „Im Jänner 2017 lag der Anteil der neu angemeldeten E-Autos in Norwegen bereits bei 50 %. Das Ziel dort ist, bis 2025 keine Verbrennungsmotoren mehr zu verwenden.“

Mit dem schlagartig möglichen Umbau komme auch eine andere Benützungskultur: „Der private Autobesitz wird abnehmen. Mobilität wird zunehmend eine Dienstleistung – elektrisch, automatisiert und vernetzt“, so Schader. Das bedeute, dass auch keine leeren großen Busse mehr durch die Gegend fahren – vielmehr werden es „kleine Bienen“ sein, die zielgenau unterwegs sind. Neue Kombi-Tickets für Öffis und E-Carsharing-Systeme sind ebenso angedacht. Stichwort Autofahren mit Smartphone. „Derzeit sitzen 1,2 Personen in einem Auto“, weiß Schrader. Das zu ändern, darauf zielen neue Fahrgemeinschaftsmodelle ab. „Wir starten heuer noch mit der Mobilitätsplattform ummadum, die mit einem Punkte-Belohnungssystem Anreize für gemeinschaftliche Fahrzeugnutzung gibt.“

Sonnenenergie mehr nützen

Und wo soll der Strom für die E-Mobilität herkommen? Aus dem Weltall. „Die Sonne schickt dir keine Rechnung. Zwei Stunden Sonneneinstrahlung auf der Erde reichen für den menschlichen Energiebedarf eines Jahres!“ eröffnete der Volksschullehrer und Energieberater Thomas Haidenberger aus Iselsberg-Stronach in Osttirol sein Plädoyer für den vermehrten Ausbau der Solarenergienutzung in Tirol. „Tirol ist ein Sonnenland. Jeder kann auf www.tirolsolar.at die Eignung seines Grundstückes auf Sonnenenergienutzung erfahren“, so Haidenberger. „Mit Solarenergie kann gleich viel Strom wie mit Wasserkraft gewonnen werden. Und in der Photovoltaik verbessert Kälte den Ertrag.“, weist Haidenberger auf Tirols Potenzial zur Nützung von Solarenergie und deren Vorteile hin: „Tirol braucht die Sonne als 2. Standbein in der Energieversorgung. Ähnliche Investments bringen auch ähnliche Erträge wie bei der Wasserkraft. Sonnenenergienutzung nimmt Druck von Naturlandschaften  und eine dezentrale Stromversorgung vermindert Übertragungsverluste.“