Er tritt mit Lesungen oft im Ausland und ganz selten in Österreich auf – las aber am 2. Oktober 2018 bereits das dritte Mal in Wörgl aus seinen mittlerweile drei Büchern: Der Bildhauer und Tierschutz-Aktivist Chris Moser aus der Wildschönau. Auf Einladung der Wörgler Grünen und des Tagungshauses Wörgl gab er dem Publikum Einblick in sein Leben, seine Arbeitsweise und Philosophie.
Heuer jährt sich der 10. Jahrestag der Verhaftung im Zuge des spektakulären Tierschutzprozesses, der mit einem Freispruch aller AktivistInnen endete. Ein traumatisierender Einschnitt im Leben, der bis heute bei Chris Moser nachwirkt und den er in seinem ersten Buch niedergeschrieben hat. Er begann seine Lesung mit einem Observationsbericht eines verdeckten Ermittlers, der ihn am 5. März 2008 von morgens bis abends beschattete und alle Details minutiös in seinem Bericht festhielt – inklusive aller Kontaktpersonen bei der wöchentlichen Freitags-Demo vor der Kleiderbauer-Filiale in Innsbruck und dem Urinieren in die Büsche nach der Rückkehr in Wörgl.
Am 21. Mai 2008 wurde Chris Moser um 6:10 Uhr früh vor den Augen seiner Familie verhaftet, das Haus bis in alle Winkel von bewaffneten Polizisten durchsucht, vieles dabei beschlagnahmt und auch zerstört. Nach 32 Hausdurchsuchungen an diesem Tag werden 10 Leute verhaftet. 13 AktivistInnen wird später der Prozess gemacht, der 14 Monate dauert, 7 Millionen Euro Steuergeld kostet und mit einem Freispruch für alle Beteiligten endete.
Während andere dieses düstere Kapitel ihres Lebens abgeschlossen haben, weil sich ihre Lebenssituation völlig verändert hat, ist für Chris Moser das Erlebte immer noch sehr präsent – seine Familie, sein Wohnort, seine Arbeit – alles blieb gleich. „Ich bin jeden Tag damit konfrontiert“, sagt er. Und das spürt man, wenn er vom Prozess erzählt, aus dieser Zeit vorliest.
Das Kalkül der Repression zu zermürben – psychologisch wie finanziell – sei aber bei ihm nicht aufgegangen. Drei Monate saß Moser in Untersuchungshaft, nahm anfangs die Anschuldigungen nicht ernst. Bis man ihm eine Brandstiftung anhängen wollte, die allerdings ein Versicherungsgutachten aufklärte und ihn entlastete. Die Anklage nach § 278a, Bildung einer terroristischen Vereinigung stand im Raum, und mit Fortdauer der U-Haft wuchs die Ungewissheit, wie dieses „Exempel gegen zivilgesellschaftliches Engagement“ ausgehen wird.
Mosers 1. Buch ist bereits in zweiter Auflage vergriffen. In seinem 2. Buch philosophiert er über Herrschaftsstrukturen, die immer Unterdrückung sind. Und fragt sich, warum das politische System nicht als Unterdrückung wahrgenommen wird. Warum man von „Umwelt“, nicht von „Mitwelt“ spricht. Und dass er Anarchismus um Veganismus erweitern würde.
Sein 2016 erschienenes 3. Buch „Viva la Rebellion – ein Aufruf zum Widerstand“ entstand nach dem Prozess. „Die Vergangenheit lähmt mich nicht“, so Moser. Sie wurde sein Ansporn, sich weiter zu engagieren und damit wohl auch am Radar der Polizei zu bleiben. 175 Leute wurden vor dem Tierschutzprozess observiert. Ob diese Observation beendet ist? Eine offizielle Benachrichtigung darüber hat Moser nicht erhalten.
Chris Moser engagiert sich als bildender Künstler ebenso weiterhin für Tierschutz und Menschenrechte wie als Aktivist, zuletzt gegen die Gatterjagd in Salzburg, andernorts in Österreich bereits verboten. Auf die Frage, weshalb ausgerechnet Tierschützer ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten, hat Moser auch eine Antwort gefunden: „Es geht um ein Lebensrecht für alle. Die Tierrecht-Bewegung geht ans Eingemachte der Ausbeutungsgesellschaft.“ Da könne man nicht nur das Huhn sehen, da komme auch die Näherin in Fernost und damit umfassende Systemkritik ins Blickfeld.