Jenbacher Museum zeigt Dokumente aus Krisenzeiten

Bei der Planung der Sonderausstellung „Dokumente in Krisenzeiten“ im Jenbacher Museum ahnte deren Schöpfer Mag. Walter Felkel noch nichts von der brennenden Aktualität dieses Themas angesichts der Kriegsereignisse in Osteuropa und daraus bereits resultierender steigender Inflation. Am 30. April 2022 wurde die sehenswerte Schau von Notgeldern inklusive Freigeld, Inflationsgeld, Kriegsanleihen, Lebensmittelmarken und Sammelaktionen während der Kriegs- und Krisenjahre sowie der Aktivitäten des deutschen Schulvereines feierlich eröffnet.

Über zwei Museumsräume erstreckt sich die Sonderausstellung Dokumente aus Krisenzeiten, die von Mag. Walter Felkel zusammengestellt wurde. Dabei griff der pensionierte Lehrer auf viele selbst gesammelten Exponate zurück. „Das erste österreichische Notgeld datiert aus dem Jahr 1848 und war bis 1869 in Umlauf“, erläuterte Felkel, der bis zur Generalversammlung am 7.2.2022 dem Jenbacher Museumsverein 20 Jahre lang als Obmann vorstand und das 1991 gegründete Museum in dieser Zeit erfolgreich zu einem Highlight der Silberregion Karwendel ausbaute.

„Am schönsten war das Geld in der Not“

Breite Anwendung fanden Notgelder dann im 20. Jahrhundert. „1917 bis 1921 war fast kein Münzgeld mehr in Umlauf, alles Metall war für den Ersten Weltkrieg eingeschmolzen worden. In Tirol gaben 26 Gemeinden Notgeld als Kleingeldersatz aus, die ersten waren Kitzbühel und Kufstein“, erklärte Felkel. Mit der Gestaltung beauftragt wurden heimische Künstler – und so verschwanden die Scheine vielfach bei Sammlern. „In Kufstein wurden 600 verschiedene aufgelegt“, so Felkel. Nicht überall stürzten sich allerdings Sammler auf die Kassenscheine, die mit festgelegtem Datum wieder in die offizielle Währung umgewandelt wurden. „In Eben am Achensee wurden die Notgeldscheine von Heimkehrern ausgegeben. Nachdem sich niemand dafür interessierte, verbrannte ein erboster Bauer nach einem halben Jahr eine ganze Kiste mit Scheinen, weshalb diese heute großen Seltenheitswert besitzen“, so Felkel.

Neben Notgeld-Serien in ihrer großen Gestaltungsvielfalt zeigt die Sonderausstellung auch Kriegsanleihen, die von der österreich-ungarischen Monarchie ab 1915 aufgelegt und die Menschen aufgefordert wurden, diese zu kaufen – 1918 waren die darin investierten 55 Millionen Kronen nichts mehr Wert. Unter dem Motto „Gold gab ich für Eisen“ wurde selbst der Schmuck aus der Bevölkerung eingesammelt, um den Krieg zu finanzieren.

Mit dem Krieg waren Hunger und Not für die Bevölkerung aber längst nicht vorbei – es folgten die Jahre der Hyperinflation von 1921-1924, viele Menschen verloren ihr gesamtes Vermögen. Die junge Republik führte daraufhin 1925 den Schilling als Zahlungsmittel ein.

Freigeld – regionale wirtschaftliche Selbsthilfe während der Weltwirtschaftskrise

Mit der 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise zogen nach dem Aufschwung der 1920er Jahre wieder Arbeitslosigkeit, Armut und Leid ein. „1933 machte dann der Wörgler Bürgermeister Michael Unterguggenberger mit Gesells Schwundgeld Furore“, betonte Felkel, der zur Sonderausstellung zur Erklärung der Hintergründe eine gekürzte Version der Universum-History-Doku „Der Geldmacher – das Experiment des Michael Unterguggenberger“ zeigt. Der monatliche Schwund brachte der Gemeinde einen Gewinn – so konnten Straßen und Infrastruktur wie eine Sprungschanze gebaut werden. Trotz Verbot eine Erfolgsbilanz: Während in Österreich die Arbeitslosigkeit um 19 % stieg, ging sie in Wörgl dank Freigeld-Einsatz um 16 % zurück. „In Tirol führten weiters Wattens, Schwaz, Vomp, Imst und Kirchbichl Freigeld ein, in Österreich Rechnitz und Lilienfeld“, so Felkel.

Zu Dokumenten der Krisenzeiten zählen Lebensmittelmarken ebenso wie die Aktivitäten des Winterhilfswerkes des Deutschen Reiches von 1933-1945, das Spenden mit einer Unmenge kleiner Dinge eintrieb. Und zu den Krisenerscheinungen zählt Felkel auch den 1880 von Wiener Politikern propagierten und in Südtirol gegründeten Deutschen Schulverein: „Dieser hat in den entlegendsten Gebieten Europas Schulen gebaut, bis er 1938 von den Nazis verboten wurde.“

Ehrung für Walter Felkel

Walter Felkel und seine Frau Erika, die eine Dokumentation der Museumsaktivitäten von 1991-2021 erstellt hat, standen im Rahmen des Saison-Eröffnungsfestes auch im Mittelpunkt von Ehrungen. Sowohl der TVB Silberregion Karwendel dankte den Beiden als auch Jenbachs Bürgermeister Dieter Wallner, der Mag. Walter Felkel mit dem Ehrenring der Marktgemeinde auszeichnete. Die neue Obfrau Mag. Monika Singer überreichte Mag. Walter Felkel die Urkunde, mit der ihn der Museumsverein zum Ehrenmitglied ernennt.

Die diesjährigen Museumssaison im Jenbacher Museum im „Reitlinghaus“ an der Achenseestraße 21 dauert bis 29. Oktober 2022  und umfasst auch die Adventsamstage von 15-19 Uhr. Die Sonderausstellung Dokumente aus Krisenzeiten ist während der Öffnungszeiten jeweils montags, donnerstags, freitags und samstags von 14-17 Uhr zu sehen. Gruppenbesuche sind nach telefonischer Vereinbarung jederzeit möglich, für Schulklassen auch mit museumspädagogischer Betreuung (Telefon 0664-9517845). Weitere Ausstellungsbereiche befassen sich mit lokaler Wirtschaftsgeschichte wie Bergbau, Eisenbahn, Sensenerzeugung und Jenbacher Werke, der Natur, der Geschichte des Wintersports und der Südtiroler Option. Weitere Infos online www.jenbachermuseum.at