Gleich zwei Mal füllte das große Publikumsinteresse am vergangenen Wochende am 26. April 2025 den großen Saal im Tagungshaus Wörgl und am 27. April den Veranstaltungssaal im Haus der Musik: Das Museum Wörgl lud in Kooperation mit Stadtchronist Toni Scharnagl zum Museumshoagascht mit Erinnerungen an die Innfähre zwischen Wörgl und Angath, bei der Burgi Gschwentner als Zeitzeugin von Lilly Staudigl interviewt wurde und zahlreiche Fotos zur Verfügung stellte. Gezeigt wurden auch historische Filmbeiträge vom Wörgler Filmclub sowie vom ORF.
Die Wörgler Innfähre war von 1925 bis zur Eröffnung des Innsteges 1982 eine von der Bevölkerung geschätzte kurze Verbindung zwischen Wörgl und Angath sowie Angerberg und Mariastein, die den Umweg über die Angather Brücke ersparte. Wenn sich mancher heute aus nostalgischen oder touristischen Gründen eine solche „Schifffahrtslinie“ wieder wünschen würde – der Blick in den Alltag der Fährmänner zeigte auf, warum die Überfuhr wohl endgültig Geschichte ist.
Die „Kreither“ Burgi stellte nebst zahlreicher Fotografien aus dem Familienalbum auch ihren Schatz an Erinnerungen an den „Onkä“ Sepp Leiminger zur Verfügung und schilderte lebhaft den Alltag der Überführer, die 365 Tage im Jahr bei jedem Wetter tagsüber und bei besonderen Anlässen auch nachts die Passagiere sicher von einer auf die andere Innseite transportierten und dabei Wind und Wetter ausgesetzt waren.
Die Geschichte der Überführer hielt Hans Bramböck im Angather Dorfbuch fest. So befanden sich die ersten Fähren beim Giglmair sowie in Aichat in Angath. Als letztere aufgelassen wurde, eröffnete der Kreither Bauer Peter Leiminger am 6. September 1925 die Innüberfuhr knapp unterhalb der Mündung des Wörgler Baches in den Inn. Seine Unterstandshütte befand sich auf Angather Seite und wurde im Lauf der Zeit zum geselligen Treffpunkt, bei dem auch gern musiziert wurde. Peter mit dem Flügelhorn spielte mit den Achleiter Musikanten auf der linken Innuferseite, während auf der Wörgler Seite die Eisenbahnmusiker ihre Instrumente erklingen ließen. Damals bestand noch keine Autobahn, so wurde auch von einer zur anderen Innseite gerufen.
Neben der Zille, die am Seil befestigt war und mittels Ruder die Fahrtrichtung bestimmt wurde, waren am Inn auch Mutzen der Holzfischer und Fischer unterwegs. „Anfangs wurden auch Tiere wie Kühe und Ziegen sowie Handelsgüter mit der Fähre transportiert“, erzählte Burgi Gschwentner. Peter Leiminger galt als rauer, aber geselliger Bursche – so war sein Umgang mit Frauen legendär, die er alle einfach nur „Moidl“ nannte. Die Dienste des Überführers nahmen Touristen, Ausflügler und Wallfahrer ebenso in Anspruch wie die Angerberger Bevölkerung, die zum Einkaufen nach Wörgl kam. War die Zille nicht am Landungssteg, den auch der Überführer errichtete und ständig an den Wasserstand anpasste, wurde der Fährmann mit der Glocke ans andere Ufer gerufen.
Peter Leiminger versah den Fährdienst bis zu seinem Tod 1944. Sein Sohn Josef, geboren am 13. Jänner 1905, hatte zunächst eine ganz andere Berufswahl getroffen. Nach einer Schlosserlehre beim Kainer in Wörgl trat er bei den Jenbacher Werken ein, die während des 2. Weltkrieges zur Rüstungsindustrie gehörten. Erst nach Kriegsende im Mai 1945 trat Sepp Laiminger widerwillig in die Fußstapfen seines Vaters und nahm das Überführer-Gewerbe an. „Mit an Grausen vom 1. Tag weg“, wie er selbst im raren Filmdokument „Der Überführer-Sepp“ von Egon und Astrid Frühwirth aus dem Jahr 1981 erzählt.
Im Sommer erschwerte Hochwasser den Fährbetrieb, im Winter Eis – der Inn fror öfter zu, die Zille musste aus dem Eis befreit werden. Viel Arbeit bereitete auch das Schneeschaufeln, um die Wege freizuhalten.
Sepp fügte sich in sein Schicksal. 1961 wurde die Zille erneuert, am Achleithof von der Familie gezimmert. Die Kinder sammelten das Moos zur Abdichtung der Ritzen und nach Fertigstellung wurde das Fährfloss, das Platz für 20 Erwachsene bot, mit dem Traktor nach Wörgl transportiert und hier zu Wasser gelassen.
Mit der Verbauung des Wörgler Baches wurde der Fährplatz nach Westen verlegt. Sepp richtete sich sein Unterstandshäusl auf der Wörgler Innseite ein, das gesellschaftlicher Treffpunkt vor allem für Wörgler Pensionisten wurde. Sepp reparierte Fahrräder und Mopeds, ein aus Ungarn stammender Friseur bot hier Alt und Jung seine Dienste an und die Kartenspieler in geselliger Runde waren für den Tabaknebel im Fährhäusl berüchtigt.
Dem Rauchen konnte der Sepp nichts abgewinnen, wohl aber dem Kautabak, dessen „Entsorgung“ etlichen Leuten besonders in Erinnerung blieb. Sein liebstes Hobby war neben der Jägerei die Musik – er spielte 62 Jahre lang Klarinette bei der Angather Musikkapelle. Urlaub kannte der Sepp nicht. Für die wenigen freien Tage im Jahr musste immer eine Aushilfe gefunden werden, unterstützt wurde er da u.a. von Norbert Haller. Dessen Bruder Roman übernahm als Junge nach dem Tod von Peter Leiminger den Fährbetrieb, bis Sepp seine Arbeit bei den Jenbacher Werken beenden konnte.
Sicherheitsvorschriften wie heute gab´s damals nicht. Ein Rettungsring und ein Haken gehörten zur Ausstattung der Zille. Wobei zu erwähnen ist, dass Peter und Sepp selbst nicht schwimmen konnten, durchaus aber zu Lebensrettern wurden, wenn etwa Schulkinder ins Wasser fielen. Manchmal war eine Rettung aber nicht mehr möglich – wie im Fall eines schwermütigen Bauern, der sich mitten im Fluss in die Fluten stürzte. Sepp galt als guter Zuhörer, hatte auch seine „Weisheiten“ parat. So sorgte Burgi mit folgendem Ausspruch von Sepp für Gelächter: „Uns hat er erklärt: Es gibt Mandl, Weibl – und Wildschönauer!“
Die Innfähre inspirierte nicht nur Fotografen, Filmemacher und Maler wie Franz Schunbach, sondern auch die Wörgler Mundartdichterin Anna Hausberger, die den Überführern ein literarisches Denkmal gesetzt hat. „Der Kapitän, ein alter, grantiger Seebär“ schrieb sie über Peter, würdigte die „Linie Wörgl-Angerberg“ als verlässliches Transportmittel für Wallfahrer und Einkäufer. Wobei die Angerberger Mädels sich für den Gang in die Stadt oft Schuhe zum Wechseln mitnahmen, da der steile Weg auf der Angerberger Seite nichts für feine Damenschuhe war.
Ein Großteil der ZuhörerInnen verband selbst noch Erinnerungen mit der Innfähre, und einige berichteten auch über ihre Erlebnisse. So wie Briefträger Hansi Lettenbichler, der samt Moped und Post übersetzte. Er zahlte als einziger nur 50 Groschen statt des sonst üblichen Fahrpreises von 1 Schilling (der übrigens nie erhöht wurde!) – mit der Begründung, dass „die Postler ja so schlecht verdienen.“ Thea Gruber erinnerte sich an einen Kindergartenausflug 1955, bei dem 50 (!) Kinder in der Zille am Boden sitzend den Inn überquerten.
Burgi erinnert sich, dass Sepp oft Fußbälle aus dem Inn fischte und dann ihr und ihrem Bruder mitbrachte. „Der Inn nimmt, und der Inn gibt“, auch diese Weisheit habe der „Onkä“ weitergegeben. Sepp hatte geheiratet, doch die Beiden blieben kinderlos. So half die Familie seiner Schwester in der Landwirtschaft mit, wobei Burgis Mutter Notburga Gschwentner zu den schneidigen „MutzenfahrerInnen“ zählte.
„Innfähre kürzt Weg um eine Stunde ab“, hielt ein Artikel in der Tiroler Tageszeitung vom 22. Juli 1961 mit dem poetischen Titel „Die Gondolieri von Wörgl landen am Angerberg“ fest, der folgende Schilderung der Überfuhr enthält: „Drüben am linken Ufer liegt die von Leiminger und seinem Neffen im Frühjahr 1961 kunstgerecht gezimmerte neue Zille längsseit an der Böschung. Die Bordwände sind rotweiß gestrichen, bequeme Sitzbänke für 20 Personen links und rechts, geben der Zille das Aussehen eines stolzen Verkehrsmittels. Das Steuer, das der Fährmann während der Überfahrt stehend bedient, befindet sich am Bug des Bootes. Mit einer Kette ist die Zille an das Spannseil gehängt, das die beiden Innufer verbindet. Ohne motorische Hilfe schwimmt das Boot in ungefähr 90 Sekunden, nur von der Strömung getrieben, von Ufer zu Ufer. Eine Rolle, an der die Bootskette hängt, läuft dabei kreischend über das Spannseil. Der Fährmann kann durch geschicktes Manövrieren mit dem Ruder die Geschwindigkeit des Bootes abstufen. Mitten auf dem Fluss genießt man einen prächtigen Ausblick zum Kaisergebirge und zur Hohen Salve….“
Mit dem Bau des Innsteges, der im Mai 1982 eröffnet wurde, endete die Ära des Fährbetriebes zwischen Wörgl und Angerberg, der lange als letzte Überfuhr in Tirol galt.
- Franz Schunbach wählte die Wörgler Innfähre wiederholt als Motiv für seine Bilder – dieses stellte die Familie Puchwald für den Museumshoagascht zur Ansicht zur Verfügung.
- Innfähre-Zeitzeugin Burgi Gschwentner und Moderatorin Lilly Staudigl (v.l.).
- Museumsvereinsobmann Andy Winderl dankte allen Mitwirkenden – namentlich Moderatorin Lilly Staudigl, Zeitzeugin Burgi Gschwentner, Ramon Kohlmann für die Ton-Restaurierung beim Überführer-Film und Stadtchronist Toni Scharnagl.
- Volles Haus beim Museumshoagascht im Tagungshaus Wörgl.
- Lilly Staudigl holte sich immer wieder Leute ans Mikro, die eigene Erinnerungen an die Innfähre beisteuern konnten – wie hier Briefträger Hans Lettenbichler.
- „Klassentreffen“ nach dem Museumshoagascht im Museum Wörgl – Burgi Gschwentner und zwei Mitschülerinnen….
- Aufgrund des großen Publikumsinteresses wurde der Museumshoagascht zur Innfähre am Sonntag im Veranstaltungssaal im Haus der Musik wiederholt.
- Peter Leiminger eröffnete 1925 seinen Fährbetrieb am Inn zwischen Wörgl und Angerberg/Angath.
- Burgi Gschwentner ist die Großnichte von Sepp Leiminger und teilte ihre Erinnerungen mit dem Publikum.
- Die Innfähre des „Kreither Peter“ wurde unterhalb der Einmündung des Wörgler Baches eingerichtet. Auf dem Inn waren außer der Zille des Fährmanns auch Mutzen unterwegs, die Innufer waren damals noch nicht verbaut. Foto von Burgi Gschwentner.
- Peter Leiminger – links vor seinem Unterstandshüttl auf Angerberger Seite. Foto von Burgi Gschwentner.
- Beim Fährhäusl ging´s oft lustig zu – links Fährmann Peter Leiminger. Er war auch leidenschaftlicher Musikant, spielte Flügelhorn. Foto von Burgi Gschwentner.
- 1925 richtete Peter Leiminger seine Innfähre ein – hinten ist Wörgls Kirchturm und die Brauerei zu sehen. Foto von Burgi Gschwentner.
- Peter Leiminger war Tierfreund – er zähmte Raben. Fotos von Burgi Gschwentner.
- Während des 2. Weltkrieges nützten auch Soldaten die Innüberfuhr. Foto von Burgi Gschwentner.
- Peter Leiminger gab gut Acht auf seine Schützlinge…. Foto von Burgi Gschwentner.
- Hand hoch, wer noch selbst mit der Wörgler Innfähre unterwegs war…
- Viele Museumshoagascht-BesucherInnen waren noch Passagiere der Wörgler Innfähre.
- Sepp Leiminger übernahm im Mai 1945 den Fährbetrieb, den sein Vater Peter Leiminger 1925 eröffnet hatte. Foto von Burgi Gschwentner.
- Sepp Leiminger richtete sich sein Fährmannshaus auf Wörgler Seite ein. Foto von Burgi Gschwentner.
- Sepp Laimingers Fährdienst endete mit der Eröffnung des Innsteges 1982. Foto von Burgi Gschwentner.
- Nicht immer war der Überführer-Sepp barfuß im Dienst. Foto von Burgi Gschwentner
- Zeitzeugen erinnerten sich beim Museumshoagascht an die Wörgler Innüberfuhr und berichteten von ihren Erlebnissen mit dem letzten Überführer Sepp Leiminger.
- Die Fährmänner errichteten auch die Zugangs-Stege, damit die Passagiere trockenen Fußes ein- und aussteigen konnten. Foto von Burgi Gschwentner.
- Rückenlehnen als Absturzsicherung kamen erst spät zum Einsatz. Foto von Burgi Gschwentner.
- Weiteres Motiv der Innfähre, gemalt von Franz Schunbach.
- Das Innhochwasser 1965 – der Fährbetrieb wurde eingestellt. Foto von Burgi Gschwentner.
- Schuhe wechseln für den Stadtbesuch – das war bei den Mädels vom Angerberg üblich. Foto von Burgi Gschwentner.
- Sepp Leiminger mit den Kindern seiner Schwester – rechts Burgi Gschwentner, die das Bild für den Museumshoagascht zur Verfügung gestellt hat.