Archäologische Ausgrabungen zählen in Wörgl und Umgebung seit Jahrzehnten schon fast zum gewohnten Anblick. Hier am Tälerschnittpunkt liegt ein „Hotspot“ für alle, die sich für unsere Vorfahren und ihre Lebensweise interessieren. Deren Hinterlassenschaften finden sich nicht nur im Tal, auch am Berg – und von neuesten Erkenntnissen berichteten auf Einladung des Wörgler Museumsvereines am 12. September 2025 die beiden Archäologen Julia Haas und Roman Lamprechter von der Uni Innsbruck.
Vor dem spannenden Vortrag im ausgebuchten Kulturraum überreichten die Beiden die bei jüngsten Grabungen entdeckten Funde vom Grattenbergl an Andy Winderl, den Obmann des Museumsvereines, der sich über den Bestandszuwachs an frühgeschichtlichen Artefakten freut.
Archäologen dürfen, was sonst illegal ist – sich mit Metalldetektoren und weiteren technischen Geräten auf die Suche nach Besiedelungsresten im Boden begeben und diese ausgraben, wobei hier schichtweise freigelegt wird. Zum Arbeitsfeld der Archäologie zählt weiters die Analyse in Zusammenarbeit mit Laboren sowie das Ausprobieren früherer Kulturtechniken.
Wobei unerwartete Funde immer wieder zur Überarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen führen – wie jüngst die Entdeckung 100.000 Jahre alter Funde bei Kufstein und damit dem Nachweis von menschlicher Besiedelung lang vor der letzten Eiszeit, die vor 10.000 Jahren endete.
Funde aus der Jungsteinzeit
Julia Haas, die aus dem Tiroler Oberland stammt, und Roman Lamprechter aus Kundl nahmen für ihre spannende Reise in die Vergangenheit das ganze Tiroler Unterland ins Visier. Ab der Jungsteinzeit (5.000 v. Chr.) belegen Steinwerkzeuge aus Kirchbichl, Breitenbach und Angath menschliche Aktivitäten. Am Mariahilfbergl in Brixlegg ist durch den Fund eines Kupferbeiles schon in der Steinzeit die beginnende Metallverarbeitung dokumentiert.
Besonders reichhaltig sind die Funde ab der Bronzezeit (ab 2.200 v.Chr.). In Tirol finden sich zahlreiche Erzlagerstätten, Malachit und Azurit im Gestein weisen auf Kupfer hin. „Das hier gewonnene Kupfer wurde mit Zinn aus Cornwall und eventuell auch aus Sachsen zu Bronze verarbeitet. Damals bestand regelrecht eine Bergbau-Industrie“, folgern die beiden Archäologen. Beispiele für Abbaugebiete sind die Bauernzeche in St. Gertraudi bei Reith i.A., aber auch die Funde in der Wimpissinger Schottergrube in Kundl.
Bronzezeit-Elite
„Die reich ausgestatteten Urnengräber aus dieser Zeit zeigen, dass hier eine Elite gelebt hat“, erklärte Haas. Die handwerklichen Fähigkeiten und die bereits „hohe metallurgische Kunst“ werden anhand von Grabbeigaben oder auch anhand rituell abgelegter Schwerter ersichtlich. Fast die Hälfte der rund 20 in Tirol gefundenen bronzezeitlichen Schwerter wurde im Raum Wörgl und Umgebung gefunden.
„Mit der Eisenzeit verbinden viele den Begriff der Kelten. Das ist aber nicht ein Volk, sondern benannte die Gebiete von der Donau bis nach Marseille“, erklärte Haas. In der Keramik tauchen erstmals Schriften auf, auch Münzen und Glas sind unter den Funden.
Frühzeitlich besiedelt: das Grattenbergl
Anhand einer historischen Karte erläuterte Haas die herausragende Lage des Grattenbergls, von dem aus man einen guten Überblick übers Inntal und den Eingang ins Brixental hat und das für Archäologen seit dem 19. Jahrhundert reichhaltige Funde bereithielt. Haas und Lamprechter nahmen im April 2023 das Grattenbergl nochmals mittels geomantischer Untersuchung in vier Messfeldern an der Ostseite ins Visier, wobei eine Fläche von 1.769 Quadratmetern untersucht wurde. Dabei wurden feuererhitzte Steine und Keramik gefunden, auch Hinweise auf die Verhüttung von Kupfer, Schlacke und eine Düse für eine Luftpumpe, die zur Erreichung der für die Erzschmelze notwendigen Hitze verwendet wurde.
Uran in der Wörgler Klamm
„Südlich des Inns befinden sich viele Kupferlagerstätten, nicht alle wurden aber in der Ur- und Frühzeit genutzt“, erklärte Roman Lamprechter, der auf bekannte Konzentrationen im Raum Schwaz-Brixlegg, in Kitzbühel-Jochberg sowie im salzburgischen Viehhofen und Mitterberg hinwies. Relikte des Bergbaues finden sich am Eisstein in der Wörgler Klamm, wo sogar Uran-haltiges Gestein gefunden, allerdings kein prähistorischer Bergbau nachgewiesen wurde.
Prähistorischer Bergbau im Brixental
Im Rahmen eines Projektes der Universität Innsbruck gingen Haas und Lamprechter im Brixental den Spuren frühgeschichtlichen Bergbaues nach und machten dabei interessante Entdeckungen: „Geländeformen geben Hinweise“, schilderte Lamprechter einen der Anhaltspunkte, von denen aus mit minimalinvasiven Suchschnitten und Metalldetektoren nach Material gesucht wird, wobei auch eine digitale Kartierung der Befunde vorgenommen wird.
„Am Götschen in Brixen befindet sich der bekannteste und größte prähistorische Bergbau des Brixentales. Das Suchfeld liegt inmitten einer Skispiste. Hier wurden großflächige Haldenstrukturen erschlossen, mit Abbau und Aufbereitung. Das ist der bisher älteste nachgewiesene Bergbau in ganz Tirol“, teilte Lamprechter mit.
Auf der Kraftalm bei Itter spürten die Archäologen 10 Meter lange Feuersetzungen im Berg auf. Dabei sprengten die prähistorischen Bergleute durch das Entzünden von Feuern mit der entstehenden Hitze das darüberliegende kupferhältige Gestein kuppelförmig aus. „Hier befand sich das zweitgrößte entdeckte Montanrevier“, so Lamprechter. Interesseantes Detail am Rand: im prähistorischen Bergbau spielte das vorhandene Silber keine Rolle, das Metall fand keine Verwendung.
Wörgl war strategische Schlüsselstelle
„Der Raum Wörgl war eine strategische Schlüsselstelle und spielte eine riesige Rolle bei der Verteilung der Metalle“, erklärte Julia Haas. Das lässt sich aus dem umfangreichen Egerndorfer Gräberfeld schließen, aber auch aus Ausgrabungen in Kundl und aktuell in Angath, wo im Zuge des Baues der neuen Unterinntaltrasse der Bahn ein weiterer Bestattungsplatz gefunden wurde.
Aufmerksamkeit ernten bei den WissenschaftlerInnen auch die aktuellen archäologischen Grabungen der Wörgler Firma Talpa am Scheiberfeld, auf dem das „Wörgler Badl“ gebaut werden soll. „Es müssen Tausende gewesen sein, die im Raum Wörgl bestattet wurden“, schließt Haas aus den bisherigen Grabungen.
Bei solchen „Rettungsgrabungen“ werden die Funde von den Archäologen dokumentiert – die wissenschaftliche Aufarbeitung ist nicht mehr ihr Revier, sondern fällt in die Zuständigkeit der Universität. Leider würden Funde oft „weggebaggert“, bedauert Lamprechter und weist darauf hin, dass Funde offiziell zu melden sind.
Weitere Funde erwartet
Es gibt amtlich ausgewiesene Funderwartungsgebiete – wenn da gebaut werden soll, sind Archäologen immer dabei. So wie beim Scheiberfeld. Was passiert mit den Funden? Wem gehören sie und wer zahlt für die Grabung? – lauteten weitere Publikumsfragen. „Bis zur Hälfte der Kosten trägt der Staat, sonst muss der Bauträger zahlen. Die Funde gehören rein rechtlich zur Hälfte dem Grundeigentümer und zur Hälfte dem Finder“, erklärte Lamprechter. Die Suche dürfe nur mit Erlaubnis des Grundeigentümers erfolgen. Anders ist die Rechtslage im Nachbarland Bayern – während bei uns alles privat ist, gehören dort alle Funde dem Staat.
So ist nicht verwunderlich, dass wissenschaftlich arbeitende Archäologen wie Julia Haas und Roman Lamprechter keine Freude mit all den illegalen, mit Metalldetektoren ausgerüsteten Hobby-SchatzgräberInnen haben, die mit ihren Aktivitäten wichtige Spuren unserer Vorfahren unwiederbringlich zerstören. Denn professionelle Archäologen haben nicht nur den Fundgegenstand im Blick, sondern das gesamte Umfeld, das über das Leben unserer Vorfahren Aufschluss gibt.
- Die beiden Archäologen Julia Haas und Roman Lamprechter übergaben zwei Kisten mit Ausgrabungsfunden vom Grattenbergl an Museums-Obmann Andreas Winderl.
- Julia Haas und Roman Lamprechter vom Institut für Archäologien an der Universität Innsbruck beim Vortrag im Kulturraum.
- Museumsobmann Andreas Winderl begrüßte zur archäologischen Spurensuche in Wörgl und Umgebung.
- In verständlicher Form vermittelten die beiden Archäologen ihr umfangreiches Wissen über die Ur- und Frühgeschichte.
- Zu den Besonderheiten zählen die gefundnen Hallstattschwerter aus Wörgl und Umgebung.
- Funde am Gratttenbergl.
- Wörgler Bergbaurelikte finden sich in der Wörgler Klamm und am Eisstein.
- Interessantes Detail: Uranvorkommen in der Wörgler Klamm.
- Der prähistorische Bergbau in Brixen am Götschen liegt unter einer Skipiste.
- Roman Lamprechter demonstriert die prähistorische Abbauweise.
- Diese Höhlen auf der Kraftalm bei Itter entstanden durch Feuersprengungen prähistorischer Bergleute – beide wurden „befüllt“ – eine mit Müll, die andere als Mariengrotte.
- Bei den Grabungen auf der Kraftalm wurde eine große prähistorische Montanlandschaft auf der Hohen Salve entdeckt.
- Archäologische Fundstätten in Wörgl und Umgebung.
- Ein kleines Dankeschön für die beiden Vortragenden – Produkte vom Unterkrumbacher Hof in Wörgl, in dessen Obstanger mitten in der Stadt im Boden eine römische „Villa Rustica“ ruht.
- Roman Lamprechter und Julia Haas im Museum Wörgl, in dem archäologische Funde seit der Bronzezeit dokumentiert und ausgestellt sind.