Mit sichtlichem Stolz präsentierten am 23. Oktober Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner (links) und Nationalrätin Carmen Schimanek (rechts im Bild) das Zertifikat, mit dem der Stadt Wörgl zunächst für drei Jahre vom Familienministerium das Prädikat „familienfreundliche Gemeinde“ verliehen wird.
„Wir haben jetzt unser Vollzertifikat und sind sehr stolz darauf – Wörgl hat dafür eine Menge geleistet. Es ist der Verdienst sehr vieler Menschen in Wörgl, die ehrenamtlich, in der Senioren- und Kinderbetreuung, in Schulen, in der Freiwilligen-Koordination sowie bei Komm!unity mitarbeiten“, bedanken sich Wechner und Schimanek, die 2009 die Initiative für den nun fortlaufenden Audit-Prozess ergriffen hatte und für dessen Durchführung in Wörgl verantwortlich zeichnete. Neben dem Bündeln familienfreundlicher Maßnahmen wurden bestehende Angebote sichtbar gemacht und zusätzliche Angebote geschaffen.
Zertifikat ist Lohn für Auditprozess
Bevor die Gemeinden, Städte und Marktgemeinden das Zertifikat erhalten, durchlaufen sie gemeinsam mit ExpertInnen den Auditprozess familienfreundlichegemeinde. Dabei werden bei Workshops und anderen Aktionen gemeinsam mit den BürgerInnen Maßnahmen für Kinder, Jugendliche, Familien, Singles und ältere Menschen sowie generationenübergreifende Projekte entwickelt. Nach Abschluss der Auditierung erhalten sie ein Grundzertifikat. Setzen die Gemeinden die geplanten Maßnahmen innerhalb von drei Jahren um, zeichnet sie das Bundesministerium für Familien und Jugend mit dem Vollzertifikat aus.
Bereits 27 Tiroler Gemeinden mit dabei
Das Audit familienfreundlichegemeinde wurde im Jahr 2004 gemeinsam mit ExpertInnen der Bundesländer auf einen professionellen Standard gebracht und hat sich inzwischen europaweit zu einem Vorzeigemodell entwickelt. Bisher haben daran österreichweit über 360 Gemeinden – darunter 27 aus Tirol – teilgenommen. Die Abwicklung obliegt der Familie & Beruf Management GmbH, die Durchführung erfolgt in Kooperation mit dem Österreichischen Gemeindebund. Die ausgezeichneten Gemeinden dürfen das europaweit geschützte Zertifikat drei Jahre lang führen.
Bei der Feier am 22. Oktober 2015 im Congress Innsbruck ging das Vollzertifikat an die Gemeinden Eben am Achensee, Kitzbühel, Kufstein, Reith im Alpbachtal und Wörgl.
„Besonders bewertet wurden unsere Broschüre über Kinderbetreuungseinrichtungen, die Aktion „Wörgler Wichtel“, bei der sich Kinder an alle Betriebe mit diesem Emblem wenden können, wenn sie Hilfe brauchen. Die Schulsozialarbeit wurde ebenso hervorgehoben wie der Computer-Hoagascht für Senioren“, erklärte Wechner. Betont wurde bei der Verleihung weiters, dass alle Altersgruppen und sozialen Schichten berücksichtigt seien und eine gute Vernetzung von Projekten und Institutionen in der Stadt bestehe. Bei der Erarbeitung des Maßnahmenkataloges profitierte Wörgl vom Bürgerbeteiligungsprozess der LA21. „Vieles war aus der Agenda schon da. Es ging darum, Angebote zu bündeln, Bestehendes sichtbar zu machen und auszuloten, was noch gebraucht wird“, schildert Schimanek die Vorgangsweise.
Mit Erteilung des Vollzertifikates kann Wörgl jetzt an den Ortstafeln den Hinweis familienfreundliche Gemeinde anbringen. „Im September fand im Stadtamt die Prüfung durch das Ministerium statt“, erklärt Schimanek. „Dabei wurde uns gesagt, dass Wörgl eine Gemeinden ist, die in Österreich am meisten zu bieten haben. Als Vorzeigeprojekt wurde die Semesterferienbetreuung, die Notfallkinderbetreuung oder die Aktion Wörgler Wichtel bezeichnet.“ Die Kindernotfallbetreuung ist ein Angebot, das von den bestehenden Betreuungseinrichtungen vermittelt wird.
Mit dem Zertifikat ist die Arbeit am Thema nicht abgeschlossen. Für weitere Maßnahmen für mehr Familienfreundlichkeit will man jetzt vermehrt Unternehmen ansprechen. Ein Vorbild gäbe es bereits mit der Firma Berger, mit der eine Kooperation zum Betrieb eines Kindergartens besteht. Hier gehe es um familienfreundliche Arbeitszeiten und Kinderbetreuung.
„Wir werden uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen und nachjustieren“, erklärt Bgm. Wechner. „In drei Jahren findet wieder eine Überprüfung statt, und da wollen wir den Standard halten“, so Schimanek. Eine permanente Steuerungsgruppe zum Thema wird nicht eingerichtet, Ansprechpartner seien der Verein Komm!unity und im Stadtamt Barbara Stonig-Kuenzer.
Wechner und Schimanek gaben beim Pressetermin im Stadtamt am 23. Oktober 2015 abschließend noch einen Ausblick auf neue Initiativen unter dem Motto familienfreundliche Gemeinde. „Von Freiwilligenkoordinatorin Christine Deutschmann kam der Vorschlag, einen Fünf-Uhr-Tee mit Tanz für Senioren 50+ einzuführen“, teilt Schimanek mit. In Vorbreitung sei mit dem Verein Komm!unity auch die Einrichtung einer Ferien-Kinderbetreuung an „Zwickeltagen“.
Herausforderung Bevölkerungszuwachs
Wörgl wächst und wird angesichts des aktuellen Flüchtlingsansturmes in Europa vor Herausforderungen gestellt. „Die Flüchtlingsproblematik wird auf die Gemeinden abgewälzt und diese werden damit alleingelassen“, kritisiert Wechner. Die Quotenvorschreibung des Bundes bedeute für Wörgl, dass 195 Flüchtlinge unterzubringen sind. „Es wird eine große Herausforderung für die Stadt, wenn diese Menschen den Asylstatus erhalten und der Familiennachzug beginnt. Da brauchen wir für hunderte Leute Wohnungen und soziale Infrastruktur“, erklärt Wechner und erhält Unterstützung von NR Schimanek – sie vermisse „ein Maßnahmenpaket und einen Leitfaden für die Gemeinden von der Bundesregierung“ sowie entsprechende finanzielle Unterstützung der Gemeinden.