„Es ist unverantwortlich von der Regierung, erst Angst zu machen und dann zu beruhigen. Wir sind nicht gegen Einsparungen – aber was jetzt läuft, ist eine große Sauerei und wir werden uns wehren“, eröffnete AUVA-Betriebsratsvorsitzender Josef Lintner am 19. April 2018 die Mitarbeiterversammlung im Rehabilitationszentrum Bad Häring, bei der auch Patientinnen gegen die Zerschlagung der AUVA protestierten. Mit einstimmigem Votum gab die Belegschaft ihrer Vertretung die Freigabe für schnelles Handeln im Konflikt – was bei weiterer Eskalation auch Streik bedeuten kann.
Die Tiroler seien kein Land der Streiker – aber Forderung der türkis-blauen Regierung nach Einsparung von 500 Millionen Euro (bei einem Budget von 1,5 Mrd. Euro), sei „nicht machbar“, so Lintner, der auf bereits angelaufene Protestaktionen verwies. So wurden mittlerweile über 125.000 Unterschriften für den Erhalt der AUVA gesammelt. Die AUVA mache gute Arbeit. „Wir hoffen auf Experten ohne Eigennutz“, so Lintner, der voll hinter der Selbstverwaltung steht, bei der nicht gewinnorientierte Manager sondern in erster Linie das Wohl der Versicherten im Fokus stehe. „Andere Länder beneiden uns um die AUVA“, so Lintner, der auch den Kommunikationsstil der Regierung kritisiert und der jüngsten medialen Zusage der Ministerin, dass man nun auch mit 100 Millionen Einsparung zufrieden sei, keinen Glauben schenkt und dahinter Beruhigungstaktik vermutet: „Da steckt was im Busch.“
„Die AUVA wurde vor 130 Jahren gegründet und ist die älteste Sozialversicherung Österreichs. Sie wurde zur Behandlung von Unfallopfern und Absicherung der Arbeitgeber ins Leben gerufen, später kam die Heilbehandlung dazu“, erinnerte Zentralbetriebsrats-Vorsitzender Ing. Erik Lenz, der für 6.000 AUVA-MitarbeiterInnen spricht, an die Verankerung der AUVA im Sozialsystem Österreich und stellte Eckpunkte des Zentral-Betriebsratskonzeptes zum Regierungsprogramm vor. Seit Ankündigung der drastischen Kürzungen am 16. Dezember 2017 erarbeiteten Belegschaft und Unternehmensleitung in guter Zusammenarbeit ebenfalls ein Einsparungsprogramm, das sinnvoll einspart.
Lenz rückte zunächst Falschmeldungen zurecht. „Es ist nicht richtig, dass in den letzten Jahren 150 Dienstposten in der Verwaltung geschaffen wurden. Im Gegenteil – seit 1999 wurden 95 Posten abgebaut.“ Den Verwaltungsaufwand beziffert er mit 93 Millionen Euro – „da kann man nicht 500 Millionen Euro einsparen!“ Bereits 2014 brachte eine Beitragssenkung von 1,4 auf 1,3 % eine Budgetkürzung um 100 Millionen Euro, die nicht ohne Qualitätseinbuße für die Versicherten umgesetzt werden konnte – so wurde die Abteilung für Schwerverbrennungsopfer am Unfallkrankenhaus Linz geschlossen, womit auch wertvolle medizinische Kompetenzen verloren gingen – „selbst wenn das Geld da ist, würde es Jahre dauern, das wieder zu erarbeiten“, so Lenz.
„Uns ist es gelungen, in den letzten 30 Jahren die Arbeitsunfälle zu halbieren. In der Unfallkrankenhaus-Versorgung sind wir spitze und in der Reha Weltspitze – 80 % unserer Patienten können wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden“, zeigte Lenz auf und stellte das ZBR-Konzept vor, das er am Montag auch der Bundesministerin erläutert hatte. Das schlägt vor, den Aufgabenbereich der AUVA auf arbeitsbedingte Erkrankungen, Berufskrankheiten und Freizeitunfälle auzudehnen, durch Prävention zu sparen und die Unfallheilbehandlung auszubauen. Damit seien für das Sozial- und Pensionsversicherungssystem Einsparungen von jährlich rund 4 Milliarden Euro zu erreichen. Vor allem der Bereich der Freizeitunfälle fällt dabei ins Gewicht, sie verursachen jährlich Kosten in Höhe von 20 Milliarden Euro. Lenz: „Wir wissen, wie Prävention geht. Allein bei den Freizeitunfällen könnten 3 Milliarden eingespart werden“ – somit das doppelte des gesamten AUVA-Budgets. Schon jetzt werden in den Unfallkrankenhäusern Opfer von Freizeitunfällen ebenso behandelt wie von Arbeitsunfällen. Mit dem ZBR-Konzept liege die Grundlage für eine spannende Diskussion am Tisch, so Lenz: „Die Bevölkerung steht stark hinter uns!“
Gewerkschaft unterstützt AUVA
„Geht es der Regierung um Verbesserung oder nur um Machtverschiebung von der Selbstverwaltung zur Politik?“ – diese Frage warf der stellvertretende ÖGB -Vorsitzender Tirol Christian Hauser auf und stellte fest: „Die Verwaltung kann nicht eingespart werden – ohne sie ist kein Betrieb lebensfähig.“ Eine Beitragssenkung von 1,3 auf 0,8 % bringe 522 Millionen Euro. Die von der Regierung angepeilten Kürzungen seien nicht ohne „Einsparungen“ bei Personal, Leistungen, Forschung und Patienten möglich, „und das kann es nicht sein!“ Der Versuch, das über Jahrzehnte funktionierende System der AUVA zu zerschlagen, würde auch den sozialen Frieden in Österreich in Frage stellen. Hauser vermutet mit der angepeilten Zerstörung der AUVA einen Racheakt der Bundesministerin, da sie sich bei der AUVA für einen Job beworben und diesen nicht bekommen habe. Sie solle davon Abstand nehmen – denn die Zeche dafür müssten alle Österreicher zahlen. „Der ÖGB steht hinter der AUVA“, erklärte Hauser und verteilte mit GPA-djp Tirol, Regionalsekretär Christof Federspiel und VIDA Tirol Landessekretär Mario Pritzi Streikjacken.
AK Zangerl: „Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt“
Deftige Worte fand auch AK-Präsident Erwin Zangerle, der zu den Regierungsplänen meinte: „Als Arzt würde ich sagen, das ist partielle Hirnlosigkeit. Wenn Dinge zerschlagen sind, ist es meist unwiederbringlich und bei der AUVA ein nachhaltiger Schaden.“ Es gehe „ausschließlich um Macht, Einfluss und Geld, nicht um Menschen und Patienten“, so Zangerl. Selbstverwaltung heiße, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Einrichtung betreiben. Das auszuschalten stehe bei der Regierung ganz oben auf der Liste, „weil sie da nicht anschaffen können“, so Zangerl. „Ich will keine neoliberale Gesellschaft. Wir sind die Leistungsträger und wie dürfen uns das nicht gefallen lassen, sonst gibt es einen Domino-Effekt“, so Zangerl, der „nicht von der Industrie fremdbestimmt werden will. Die Industriellenvereinigung ist nicht einmal Sozialpartner. Als Industrieller würde ich mich schämen, die Menschen einer Gesellschaft mit Privatkliniken auszuliefern.“
„Wie kann ich euch als Patient unterstützen?“ meldete sich bei der anschließenden Diskussion ein Betroffener, der feststellte: „Von der Rechnung her sind die Argumente der Regierung blödsinnig.“ Die Belegschaftsvertretung wünscht sich vor allem eine öffentliche Diskussion und Unterstützung bei der Forderung, Freizeitunfälle nicht anders als Arbeitsunfälle zu behandeln: „Jeder Unternehmer ist froh über fitte Mitarbeiter“, erklärte Lintner und hält eine zusätzliche Selbstversicherung für Sportler für nicht zielführend. Anstatt die Neidgesellschaft weiter zu schüren, solle Solidarität und Integration nicht in Frage gestellt werden. Österreich habe ein Top-Gesundheitssystem, das auch leistbar ist. Über Verbesserungen könne man jederzeit diskutieren. Aber es gehe nicht an, hier einfach Geld weg zu nehmen und es der Industrie zu geben, so Lenz.
Lintner warnte abschließend noch vor den Auswirkungen von Einsparungen in Form von Auslagerungen. Damit habe man durchwegs nur negative Erfahrungen gemacht, wie Verschlechterungen bei der Qualität der Wäschereinigung oder bei ausgelagertem Küchendienst in anderen Bundesländern zeige. „Wir haben noch unsere eigene Küche, die frisch kocht und nicht aufgewärmtes Essen serviert“, so Lintner, der auch auf die Motivation, Aus- und ständige Weiterbildung der Belegschaft als Basis für den hohen Qualitätsstandard in der REHA Bad Häring hinwies: „Die Mitarbeiter leisten tolle Arbeit!“ Da sei es kontraproduktiv, ständig ihre Leistungen durch angedrohte Auslagerungen in Frage zu stellen.