Wörgls ehemaliger Stadtbaumeister DI Hermann Etzelstorfer beschäftigt sich seit seinem Pensionsantritt intensiv mit der Frage der Energiegewinnung mit dem Hintergrund, als Wohnungseigentümer die eigene Wohnanlage mit Strom- und Wärme-Energie möglichst unabhängig von externen Anbietern zu machen. Im Zuge seiner Recherchen befasste er sich auch mit PV-Kleinst-Anlagen, den sogenannten „Balkonkraftwerken“ und stellt sein Wissen gern der Öffentlichkeit zur Verfügung:
„Die Energiekrise betrifft uns alle. Besonders die Stromkunden. Die Stadtwerke erhöhten ihren Arbeitspreis für den Strom von € 0,0744/kWh (Ende 2021) auf zuletzt € 0,275/kWh brutto. Argumentiert wurde von den Stadtwerken unter anderem, dass sie den größten Teil des Stroms zukaufen müssen.
Um diese Abhängigkeit zu reduzieren sind wir alle gefordert. Neben der Ausnützung der Einsparmöglichkeiten ist eine Erhöhung der eigenen Produktion notwendig. Um dies zu erreichen, sollten natürlich möglichst viele Photovoltaik Anlagen errichtet werden. Das Problem dabei ist, dass für diese Anlagen eine Genehmigung und ein Anschluss notwendig ist. Diese dauern in der Regel sehr lange – und ohne Genehmigung und Anschlusspunkt gibt es keine Förderung.
Wie nur einige wenige wissen, gibt es eine Möglichkeit, Strom im geringen Umfang selbst zu produzieren. Nämlich mit sogenannten Kleinst-Photovoltaik Anlagen für Balkone.
Kleinst-Photovoltaik Anlagen oder Balkonkraftwerke sind handelsübliche steckerfertige Anlagen (Plug in) mit einer Leistung bis max. 800 Watt Spitzenleistung wie sie typischerweise auf Balkonen und Terrassen Verwendung finden. Zum Vergleich: ein elektrischer Tischgrill hat eine Leistung von ca. 2300 Watt. Kleinst-PV Anlagen können ganz einfach mittels Schukostecker an das hauseigene Stromnetz angeschlossen werden. Der erzeugte Strom dient ausschließlich zur Eigenversorgung. Da kein eigener Netzanschluss (Zählpunkt) notwendig ist, wird die nicht verbrauchte Energie kostenlos an den Netzbetreiber (Stadtwerke) abgegeben.
Balkonkraftwerke können ohne behördliche Genehmigung in Betrieb genommen werden. Es ist lediglich der Netzbetreiber 14 Tage vor der Inbetriebnahme zu informieren.
Da diese steckerfertigen Anlagen einfach montiert und demontiert werden können, sind sie nicht nur für Eigentümer, sondern auch für Mieter interessant.
Bei Wohnungseigentum gilt für „kleinere Eingriffe an den allgemeinen Teilen der Wohnanlage“ die „Zustimmungsfiktion“. Das bedeutet, dass die Miteigentümer über die geplante Installation zu informieren sind. Langt binnen zwei Monaten kein Widerspruch ein, gilt das als Zustimmung. Es gibt auch die Möglichkeit einer schriftlichen Abstimmung. Dabei gilt: mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und wenn diese Mehrheit mindestens ein Drittel aller Miteigentumsanteile verkörpert gilt die Zustimmung als erteilt.
Bei Mietwohnungen ist immer die Zustimmung des Eigentümers einzuholen.
Die Anschaffungskosten sind gering und liegen zur Zeit bei ca. € 600 für eine Anlage mit 800 Wp Leistung.
Erzeugen kann so eine Anlage mit 800 Wp je nach Aufstellungsort und Ausrichtung ca. 700 kWh Strom pro Jahr. Beim derzeitigen Strompreis von € 0,275/kWh wäre das ein Gegenwert von ca. € 190.- pro Jahr.
Bei einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 3625 kWh/Jahr könnten daher mit einem Balkonkraftwerk ca. 20% der Stromkosten pro Haushalt und Jahr mit einem Balkonkraftwerk eingespart werden.
All diese Fakten sprechen für sich und es müsste im Interesse der Stadtgemeinde liegen, dass möglichst viele Photovoltaik Kleinst-Anlagen in Wörgl aufgestellt werden. Alle profitieren davon.
Die Stadtgemeinde – da sie als e5 Gemeinde ihre Postion stärkt.
Die Stadtwerke – sie können die anfallenden Überschüsse kostenlos übernehmen und müssen daher weniger Strom zukaufen.
Die Besitzer einer PV Kleinst-Anlage – können Strom für sich selbst produzieren und verbrauchen.
Und zuletzt wir alle.
Durch diese PV Kleinst-Anlagen bekämpfen wir alle gemeinsam die Energiekrise und den Klimawandel. Außerdem reduzieren wir unsere Abhängigkeit und stärken die regionale Wertschöpfung.
Damit möglichst schnell viele dieser PV Kleinstanlagen in der Stadtgemeinde umgesetzt werden könnten wäre daher zu überlegen ob nicht die Stadtgemeinde Wörgl dem Beispiel der Stadt Graz, die schon im April 2022 die Förderung ( 60% der Kosten) beschlossen und eine entsprechende Verordnung erlassen hat (siehe Anhang), folgen sollte.
Bei einem angenommenen Fördervolumen von € 36.000 könnten 100 Anlagen mit je 0,8 kWp gefördert werden. Das entspräche einer Gesamtleistung von 80 kWp.
Zum Vergleich: Die PV Anlage auf dem Dach der Feuerwehr hat eine Leistung von 79,9 kWp. Die Leistung entspricht dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 23 Haushalten. Die jährliche Einsparung von CO2 beträgt ca 50 Tonnen.
Die Bedenken hinsichtlich des Ortsbildes sind, wenn die Betreiber dieser PV Kleinst-Anlagen verantwortungsvoll handeln und auf die bestehende bauliche Struktur Rücksicht nehmen, zu vernachlässigen, wie die nachfolgend ausgeführten Beispiele zeigen.“
Text: DI Hermann Etzelstorfer