Bei einem Poetry Slam ist alles möglich – nur keine Texte über fünf Minuten, keine Verkleidung und keine Gesangsdarbietung. Die freie Themenwahl entglitt am 14. Juli 2017 in der Kulturzone Wörgl erstmals ins Makabre. Mord und Totschlag zogen sich durch den Dichterwettstreit – Moderator Stefan Abermann und das Publikum nahmen es mit Galgenhumor.
Poetry Slams sind immer wieder für Überraschungen gut. Texte über Gewalttätigkeiten in diesem Ausmaß – das war absolut neu fürs Wörgler Publikum und den Moderator Stefan Abermann, der wieder und trotzdem mit flotten Sprüchen durch den Abend führte und damit für Entspannung sorgte. Abermann eröffnete außer Konkurrenz den Slam-Reigen mit seinem Text übers Skitouren Gehen und was passiert, wenn ein Lift den Berg aus der Balance bringt.
Nach dem Probevoting, bei dem fünf Publikumsjuroren schlechtestenfalls 1, bestensfalls 5 Punkte für einen Text vergeben können, startete der Literatur-Wettstreit mit Silke und ihren Überlegungen, warum Fieber und Kater nach durchzechter Nacht Kindheitserinnerungen auslösen. Welche Bücher liest man am besten in der Straßenbahn und was sagen sie über den Charakter des Lesers aus? Ob Bibel, veganes Kochbuch oder Strafgesetzbuch – das lotete als „Dame der Dreifaltigkeit“ Katrin mit ihrem ersten Text aus.
Mit seiner Heimat, dem Stubaital, ist Lorenz noch stark verbunden – obwohl er seit Jahrzehnten nicht mehr dort lebt. Jugendfreundschaften und Familien-Entscheidungen lieferten Stoff für seine Texte. Irritierend dann Daniel mit seinem Auftritt, der die makabre Serie einläutete: Ein Kaffeehausbesuch mit tödlichem Ausgang für die Gäste vom Damenkränzchen bis zum Baby.
Anja reflektierte furchtlos und herzhaft über Mut und Mutlosigkeit und beendete damit die Vorrunde, aus der anhand der Punkte keine eindeutigen Finalisten hervorgingen. So entschied das Publikum – alle nochmal auf die Bühne. Daniel eröffnete die Finalrunde und kam dabei dem Publikumswunsch nach „etwas Lustiges“ nur in punkto Galgenhumor nach – auch sein zweiter Text endete tödlich – blutüberströmt im Adrenalinrausch. „Wie ein Horrorfilm“, kommentierte der Moderator den Text, dem das Publikum das Stichwort „Frustsaufen“ zuteilte.
Ein tödliches Ende im Selbstmord nahm auch Katrins zweiter Text übers „blöde Gerede“ und Dorfgetratsche in der „Landidylle“. Der Installateur des Vertrauens führte in Silkes schwarzhumorigem Finale-Beitrag zum tödlich endenden Familiendrama und dem Rückschluss „Sport ist Mord“. Nachdem sich an diesem Abend die Themen Mord & Totschlag sowie Heimat durchzogen, rundete Anja die Kategorie Heimat mit ihrer Reflexion über die Zeit des Zurückkommens nach langer Zeit ins heimatliche Dorf ab. Ist es richtig, „allen das zu geben, worauf sie mich reduzieren“ angesichts der immer selben oberflächlichen Fragen? Jeder spiele den, den er nicht mag. Jeder spiele in Rollen, die andere für ihn ausgesucht haben. So füllt jeder seine Leere mit dem, was andere ihm geben. „Wir werden die sein, die andere in uns sehen.“ Sind wir alle Shilouttenfüller und Sehenswürdigkeiten?
Das vom Publikum wieder mit mitgebrachten „Siegestrophäen“ gefüllte Slammer-Sackerl – diesmal zählten ein Furzkissen, eine Badeente und eine Backmischung zur den Kuriositäten – ging schließlich nach dem Applaus-Barometer des Publikums an Silke.
Dass es wieder einen Kulturzone-Poetry Slam mit Moderator Stefan Abermann geben wird, steht fest – das Datum allerdings noch nicht. Wer schon vorher Lust auf Kurz-Literatur-Vorträge hat: Zum zweiten Mal wird heuer am Freitag, 28. Juli 2017 der Gastgarten des Kulturlabor Stromboli in der Krippgasse 11in Hall in Tirol zur Open-Air-Sommerlesebühne, auf der sich die Stars der Tiroler Slam/Lesebühnen/Performance-Literaturszene tummeln werden.