Einblicke in ein Jahrhundert Wirtshauskultur

Ein wahrer Publikumsmagnet war der Wörgler Museumshoagascht am 13. Juni 2025 mit den beiden ehemaligen Alte-Post-Wirtsleuten Hanni und Hannes Silberberger, der den Rahmen aller bisherigen geschichtlichen Themenabende des Museumsvereines sprengte und kurzerhand ins Komma Wörgl verlegt werden musste.

Mit dem Abriss von Alter Post und Astnersaal verschwindet ein traditionsreicher Ort der Begegnung und Kultur im Wörgler Stadtzentrum. Grund für das Museumsteam, die vergangenen Jahrzehnte noch einmal Revue passieren zu lassen. Dazu moderierte Lilly Staudigl das mit historischen Fotos großteils aus dem Stadtarchiv illustrierte unterhaltsame Zeitzeugengespräch mit Hanni und Hannes Silberberger, die auf sehr unterhaltsame Weise Einblick in die gelebte Wirthauskultur beim Astner gaben.  Welche Bedeutung dem Astnersaal für Wörgls Theaterszene zukam, daran erinnerten langjährige Mitglieder der Gaststubenbühne Wörgl und Museums-Obmann Andy Winderl lieferte mit kurzen Filmbeiträgen bewegte Bilder zur Geschichte des Hauses und entführte in den vor öffentlichen Blicken verborgenen jahrhundertealten Gewölbe-Keller des Hauses.

Lange Tradition

Die erste urkundliche Erwähnung reicht zurück ins Jahr 1479. Jakob Astner erwarb 1901 das Wirtshaus, erneuerte es und baute den Astnersaal, der viele Jahrzehnte lang der größte Saal im Tiroler Unterland blieb. Seither bewirtschafteten seine Nachfahren den Traditionsgasthof, der 1989 vom jungen Paar Hannes und Hanni Silberberger übernommen wurde. „Ich war ja schon seit 1957 da“, warf Hannes ein, dessen ursprünglicher Berufswunsch nicht Wirt, sondern Metzger war. Nachdem seine Schwester schon die Hotelfachschule besucht hatte und „dann von einem Koch weggeheiratet wurde“, trat auch Hannes zunächst widerwillig dort ein – und entdeckte seine Liebe zum Kochen.

Dann das elterliche Gasthaus zu übernehmen, war für das junge Paar keine leichte Entscheidung. Hanni kam nicht aus einer Gastronomenfamilie – für sie war der Quereinstieg ins Service ein Sprung ins kalte Wasser, wobei Hanni anfangs auch noch in der Küche beim Nachspeis- und Eisherrichten eingespannt war. Die beiden meisterten daraufhin gemeinsam auch schwierige Zeiten und könnten mit dem Erlebten wohl selbst ein Buch schreiben. Wobei Hannes einräumte: „Wenn andere es lustig hatten, war ich beim Kochen!“ Ein Schicksal, dass er mit Sohn Stefan teilte, der bis zum Zusperren ebenfalls als Koch im Familienbetrieb mitarbeitete.

Wirtshaus als Zentrum im gesellschaftlichen Leben

An „Action“ mangelte es nicht beim „Astner“. Einerseits durch unzählige Veranstaltungen im Haus mit Familienfeiern zu allen Anlässen inklusive großer Hochzeiten und Vereinsversammlungen, andererseits durch das kulturelle Leben im Astnersaal, zu dem in Glanzzeiten große Bälle und Auftritte von Schlagerstars wie Roy Black und den „Bambis“ zählten. Als Freddy Quinn 1968 als Übernachtungsgast in der Alten Post weilte, bedankte er sich mit einem Bild samt Autogramm.

Die Alte Post setzte im Lauf der Jahrzehnte immer wieder kulinarische Highlights im Verbund mit weiteren Traditionsgasthäusern. Ob beim Fest „Über die Gassn“, das 1985 erstmals Tiroler Wirtshauskultur hochleben ließ, oder bei den Feinspitzwochen. Hannes erlebte im Lauf seines langen Berufslebens als Koch auch die Änderung der Ernährungsgewohnheiten inklusive dem Trend zu vegetarischen und veganen Gerichten mit. Die Alte Post blieb stets der heimischen gutbürgerlichen Küche treu, wobei der absolute Renner auf der Speisekarte die Tiroler Kalbsleber blieb.

Viele Anekdoten

Beim Museumshoagascht wurden viele Erinnerungen wach – an legendäre Kellnerinnen ebenso wie an die „Hölle“, jene kleine Schnapsbar unter dem Astnersaal, die nur über eine kleine Treppe erreichbar war. „Runter kam man leicht, rauf war´s dann schwerer“ – diese Erfahrung machten zahlreiche interessierte ZuhörerInnen auch selbst.

Hannes und Hanni waren Wirtsleute mit Leib und Seele und würzten den Museumshoagascht auch mit einer gesunden Portion Humor. „Ich war der erste Fernsehkoch“, ließ Hannes aufhorchen. Um dann nachzusetzen: „Ich hatte schon einen Fernseher in der Küche stehen!“ Oder angesichts der vielen Auf und Ab´s im Wirtshausbetrieb: „Ich hab in der Küche gerührt – und die Hanni war emotional gerührt.“ Denn nicht selten war sie auch als Psychologin und Ratgeberin gefragt.

Ein Saal mit Theatertradition

Wie sehr die Gastfreundschaft der Beiden und die Rolle des Astnersaals für das kulturelle Leben in Wörgl geschätzt wurden, brachten beim Museumshoagascht gleich vier „Urgesteine“ der Gaststubenbühne Wörgl zum Ausdruck. „Es war eine tolle Zeit! Der Astner war für uns wie eine Familie. So etwas werden wir in Wörgl nicht mehr finden“, betonte Stuart Kugler, seit 29 Jahren Obmann der Bühne und immer noch auf der Suche nach einer geeigneten Spielstätte. Als der Laienspielverein vor 20 Jahren den bereits verkleinerten Astnersaal als Theater adaptierte, wurde unter Anleitung von Bühnenmeister Otto Gartelgruber in Zusammenarbeit mit dem Verein der Fahrtensegler der Astnersaal gemeinsam renoviert. Die Saalhöhe ermöglichte außergewöhnliche Bühnengestaltungen – und damit die Produktion anspruchsvoller Theaterstücke.

Im Gasthaus zu spielen war für die Gaststubenbühne namensgebend und von Anfang an Konzept, wie Gründungsmitglied Irene Turin in Erinnerung rief. Mit Sigi Zimmerschieds gesellschaftskritischem Stück „Für Frieden und Freiheit“ brachten Theaterbegeisterte 1987 ein völlig neues Theaterkonzept abseits vom traditionellen Bauerntheater nach Wörgl. Die erste Spielstätte war im Gasthof Aufinger. Gespielt wurde für freiwillige Spenden, die in Klingelbeuteln gesammelt wurden. Nicht angepasst, sondern provokativ – so ging es weiter mit dem Stück „Zwölfeläuten“ und der Vereinsgründung als Gaststubenbühne 1988.

Zu den Gründungsmitgliedern zählt Mike Zangerl, der an die lange Theatertradition des Astnersaales (seit den 1920er Jahren) und die Aufführungen der Laienspielbühne seines Vaters erinnerte. Er selbst entdeckte mit 30 seine Leidenschaft fürs Theater, stand im Astnersaal viele Male auf der Bühne, inszenierte wiederholt Jugendtheaterstücke und führte Regie, etwa bei „Einer flog über das Kuckucksnest“. An legendäre Aufführungen wie „Biedermann und die Brandstifter“ erinnerte Susanne Vikoler. Wobei in allen Statements die tiefe Dankbarkeit für das Entgegenkommen der Wirtsleute zum Ausdruck kam.

Von der Gummistiefelparty bis zum Faschingskehraus…

Nicht immer verlief die Zusammenarbeit mit Vereinen so harmonisch wie mit der Gaststubenbühne. Stichwort Gummistiefelparty der Landjugend. „Die fanden immer im Jänner am gleichen Tag wie der Neujahrsempfang des Kameradschaftsbundes im Astnersaal statt und waren ein enormer Aufwand. Wir mussten alles ausräumen“, schilderte Hanni, „Sogar die Klobrillen mussten wir aushängen und brauchten dann zwei Tage zum Aufräumen“, ergänzte Hannes und lieferte damit auch die Erklärung, warum schließlich Schluss mit Gummistiefelparties war. Dass ausgelassen gefeiert werden kann auch ganz ohne Renovierungsbedarf zeigte über viele Jahre der bestens besuchte Faschingskehraus der Fahrtensegler im Astnersaal, der zu Wörgls Faschings-Highlights zählte.

Der Saal war zudem Bühne für Konzerte aller Art – von der Blasmusik bis zu Pop, Rock, Jazz und Reggae und wiederholt Austragungsort für Freiwirtschafts-Kongresse und Festveranstaltungen wie 1951 zur Stadterhebung.

Der Museumshoagascht blickte auch auf das Abschiedsfest des Traditionsforums Ende April zurück und Wörgls Alt-Bürgermeisterin Hedi Wechner dankte den beiden Wirtsleuten noch einmal persönlich und überreichte Hanni Blumen: „Mit euch ist eine Institution in Wörgl und ein Stück Alt-Wörgl zu Ende gegangen. Ihr wart mit Leib und Seele Wirte – herzlichen Dank dafür!“