„Lebendige Erde“ – unter diesem Motto stellten am 15. März 2022 der passionierte Hobbygärtner und Terra Preta-Profi Ing. Georg Miggitsch aus Bad Häring sowie Wörgls Stadtwerke-Geschäftsführer Mag. Reinhard Jennewein Anwendung und Wirkung von Pflanzenkohle auf unsere Natur, das Klima und die künftige Energiewirtschaft vor und begeisterten damit über 30 Interessierte im Tagungshaus Wörgl.
Nachdem im Jänner der Dokumentarfilm „Zwischen Himmel und Eis“ den Zusammenhang des vom Menschen verursachten CO2-Anstieges in der Atmosphäre mit dem daraus resultierenden Klimawandel aufgezeigt hat, lud das Unterguggenberger Institut in Kooperation mit dem Tagungshaus Wörgl zum Infoabend über die Methode, mit der jeder dazu beitragen kann, CO2 wieder langfristig zu binden und dabei den Boden zu beleben, biologische Prozesse in Garten und Landwirtschaft zu optimieren, umweltfreundlich erneuerbare Energie zu produzieren und die Regionalwirtschaft zu stärken.
Beim Vortrag über die Terra Preta-Methode mit belebter Pflanzenkohle für den Wörgler Obst- und Gartenbauverein im September 2021 (nachzulesen unter https://vero-online.info/garteln-mit-pflanzenkohle-hilft-dem-klima/) gab Georg Miggitsch erstmals in Wörgl sein Wissen über die „schwarze Wundererde“ der Indios weiter. Archäologen entdeckten im Amazonasgebiet menschengemachte, sehr fruchtbare Schwarzerde-Böden aus der Zeit vor der spanischen Eroberung. „Holzkohlestaub wurde auch in Europa im 19. Jahrhundert als Dung gepriesen – doch das wurde wieder vergessen“, gab der gelernte Techniker, der über Jahrzehnte weltweit Personal für Forstseilkräne einschulte und dabei die Veränderungen im Wald durch die Holzindustrie hautnah miterlebte. Sein Augenmerk gilt liegengebliebenem Altholz, das sonst verrottet und CO2 in die Atmosphäre abgibt: Mit Holzkohle entsteht der Grundstoff für die fruchtbare Terra Preta-Methode.
Denn Pflanzenkohle allein führt noch nicht zu mehr Fruchtbarkeit: „Die Holzkohle bildet ein stabiles Gerüst und bietet sehr viel besiedelbare Oberfläche für das Bodenleben in Form von Mikroorganismen und Pilzen. Sie wirkt wie ein Löschblatt, zieht Nährsalze an und weist enorme Wasserspeicherfähigkeit auf – jeder Liter Pflanzenkohle speichert einen Liter Wasser“, schildert Miggitsch die Eigenschaften der Pflanzenkohle, die somit Nährstoffe zu 80 bis 90 % im Boden bindet und vor dem Auswaschen schützt. Die Nährstoffe bleiben damit in der obersten Bodenschicht gespeichert. Ein Gramm Pflanzenkohle vergrößert die besiedelbare Bodenoberfläche um 300 bis 500 Quadratmeter! „Pflanzenwurzeln haben mit Pilzen ihre Symbioten, sie holen sich Wasser und Nährstoffe aus der Kohle“, so Miggitsch.
Das Resultat bestaunte er wiederholt bereits im eigenen Versuchsgarten: Der Boden wird lockerer, fruchtbarer und gibt bei Trockenheit viel länger Wasser an die Pflanzen ab. Und mit der Pflanzenkohle bleiben nicht nur die Nährstoffe im Boden, sondern auch der Kohlenstoff wird dauerhaft gebunden – über Jahrhunderte. Die aktivierte Pflanzenkohle finden übrigens auch Regenwürmer sehr attraktiv, sie ziehen Kohleteilchen in tiefere Schichten und lockern damit zusätzlich den Boden.
Terra Preta in der Landwirtschaft
Was jeder für den eigenen Garten nutzen kann, entfaltet in der Landwirtschaft noch mehr Wirkung in Kombination mit Tierhaltung. Wobei Miggitsch bereits zur Verfütterung der Kohle rät, bestenfalls schon als Beigabe zur Sillage. „Die ideale Anwendung ist bereits als Futterzusatz, da die Kohle durch die Verdauung der Tiere bestens aktiviert wird. Als Richtwert gilt ein Liter Kohle pro Tag und Großvieheinheit“, schildert Miggitsch die Praxis, die von vielen Landwirten speziell im bayerischen Raum bereits erfolgreich umgesetzt wird. „Das verbessert nachweislich die Tiergesundheit und Fruchtbarkeit, steigert die Futterverwertung, erhöht Milchfett- und Eiweißgehalt“, so Miggitsch. Holzkohle kann auch alternativ als Stalleinstreu (ein halber Liter pro Tag und Großvieheinheit) oder als Güllezusatz (ca. 1,5 m3 auf 100 m3 Gülle zwei Wochen vor Ausbringung) verwendet werden. Mit dem Vorteil, dass die Pflanzenkohle den Stickstoffverlust und den Geruch stark reduziert.
Wirkungen, die von den Bauern auch dokumentiert werden. Anhand eines Betriebes mit 18 Hochleistungsrindern demonstrierte Miggitsch, dass mithilfe der Pflanzenkohle im Futter der Fettgehalt dauerhaft um 10 %, der Eiweißgehalt dauerhaft um 3 % gesteigert wurde und die Tiere früher wieder Kälber zur Welt brachten – von 1,8 Zyklen bis zur erfolgreichen Befruchtung sank die Spanne auf 1,1 Zyklen.
Besonders angetan ist Miggitsch von der CO2-senkenden Wirkung auf die Atmosphäre: „Ein Kubikmeter Holz entspricht ca. einer Tonne CO2. Mit der Holzmenge abgestorbener Bäume in Tirol könnten alle mehrmädigen Wiesen Tirols mit Pflanzenkohle versorgt werden“, erklärt Miggitsch und hat dazu auch die Zahlen parat: Die Altholzmenge entspricht 569.000 Kubikmeter, die Wiesen haben ein Ausmaß von rund 80.000 Hektar. Mit dem Ergebnis, dass auf behandelten Flächen die Artenvielfalt ansteigt – „von derzeit fünf auf wieder bis zu 25“, so Miggitsch.
Als Techniker befasste sich Miggitsch auch mit der Herstellung der Pflanzenkohle und dem Verfahren, um ein hochwertiges Endprodukt zu erhalten. Wichtig ist ihm dabei der regionale Kreislauf, um lange Transportwege und damit erneute CO2-Belastungen zu verhindern. Industriell erfolgt die Herstellung in geschlossener Retorte (z.B. PYREG), privat und in Vereinen mithilfe offener Retorte (z.B. Kon-Tiki), wobei Miggitsch selbst Pyrolyseöfen zum rauchfreien Verkohlen von Strauchschnitt und Holzabfällen baut und verleiht. Der Hobbygärtner tüftelte auch an der Entwicklung verschiedener Gartenwerkzeuge, die er selbst herstellt und ebenso wie fertige Anwendungspakete mit Pflanzenkohlepulver mit EM-A, Urgesteinsmehl, Weizenkleie und Kaffeehäutchen verkauft.
Georg Miggitsch durchforstete selbst Literatur, nennt als lohnenswerte Quellen die Website www.ithaka-institut.org sowie die Bücher „Terra Preta – die schwarze Revolution aus dem Regenwald“ von Ute Scheub, „Gärtnern nach dem Terra-Preta-Prinzip“ von Andrea Preißler und „Das leise Sterben“ von Martin Grassberger. Weltweit liegen bereits tausende wissenschaftliche Studien über den Einsatz von Pflanzenkohle vor. Miggitsch: „Der Tenor ist eindeutig – die Wirkung wird als gut bis ausgezeichnet beschrieben.“ Übrigens ohne negative Nebenwirkungen. „Und wenn ein Studienergebnis schlecht ist, dann wurde reine Kohle ohne vorherige Aktivierung verwendet – und das mindert vorerst die Bodenfruchtbarkeit“, so Miggitsch.
Wörgler Energiewende mit Holzgas-Kraftwerk
Nach einer Vorstellung der Wörgler Stadtwerke und ihrer Geschäftsfelder sowie des 2012 erstellten Energieentwicklungsplanes stellte Stadtwerke-Geschäftsführer Mag. (FH) Reinhard Jennewein das geplante Projekt „CraftWERK Wörgl“ vor, mit dem Ökostrom und Wärme zur Einspeisung ins Wörgler Fernwärmenetz aus fester Biomasse wie Hackgut hergestellt werden soll.
„Derzeit findet die größte Revolution in der europäischen Energiewirtschaft statt. Die Energieversorgung wird kleinteilig“, erklärte Jennewein, wobei die 4 D der große Leitfaden seien: Dezentralisierung, Digitalisierung, Demokratisierung und Dekarbonisierung. Partner der Stadtwerke ist das 2009 gegründete Unternehmen SYNCRAFT, das nach einigen Pilotversuchen nun marktreife Anlagen liefert und weltweit bereits 29 Holzgaskraftwerke errichtet hat.
„Nachhaltige Energie bereitstellen und gleichzeitig der Atmosphäre CO2 entziehen – das sind klimapositive Energiesysteme“, ist Jennewein überzeugt. Standort für das geplante CraftWERK ist beim ehemaligen Tiefbrunnen in unmittelbarer Nähe des Wörgler Wertstoffhofes. „Aus Waldrestholz aus der Region wird eine ganze Bandbreite von nachhaltigen Energieprodukten und Dienstleistungen gewonnen“, so Jennewein. Neben Strom und Wärme entstehen aus dem „grünen Kohlenstoff“ Futterkohle, „Grüner Asfalt“ (zur Beimischung), Wasserreiniger, Pflanzenkohle für Terra Preta und Grillkohle, die im Burgenland aus österreichischen Zulieferungen gepresst wird. Die Anlagentechnik verwendet nach der Trocknung der Hackschnitzel und Pyrolyse bei 500 Grad C einen Schwebefestbettreaktor mit 1.000 Grad C und nachgeschaltener Filterung, Kühlung und Verbrennung im Gasmotor. Zum Einsatz kommen bei Syncraft bis 400 kW 2G Motoren sowie ab 400 kW Innio Jenbacher Gasmotoren und damit die besten am Markt befindlichen Holzgasmotoren.
Durch die Verwendung von Waldrest-Hackgut steht ein günstiger Rohstoff aus der Region zur Verfügung. Für die Beschaffung wolle man sich bei der Einkaufsgenossenschaft der TirolMilch einklinken, so Jennewein. Diese liefert jetzt schon das Hackgut für die Energiezentrale der Molkerei, deren Abwärme von der Wörgler Fernwärmezentrale genutzt und aufbereitet wird. Syncraft startete die Entwicklung der Holzgas-Kraftwerkstechnik im Jahr 2005, nach Pilotanlagen in Schwaz, Südtirol und bei den Innsbrucker Kommunalbetrieben im Klärwerk Rossau hat das Tiroler Unternehmen jetzt die Serienreife und erzielt einen Wirkungsgrad von über 90 %.
Regionalität ist Trumpf
In der Publikumsdiskussion wurden Fragen nach Gewinnung der Fernwärme sowie nach Anwendung der Pflanzenkohle im eigenen Garten gestellt. Jennewein beschrieb den aktuellen Energiemix der Fernwärme-Rohstoffe: „80 % ist erneuerbar, 20 % aus fossiler Energie.“ Erdgas könne auch in Zukunft nicht vollständig ersetzt werden, es dient zur Spitzenlastabdeckung und als Notfall-Brennstoff, wobei hier in Zukunft auch die Verwendung von Biogas, Klärgas oder Wasserstoff denkbar wäre. Verhandelt wird derzeit mit einem weiteren Abwärme-Einspeiser, da die TirolMilch-Abwärme nicht mehr ausreicht. Aufbereitet wird die industrielle Abwärme mit einer Ökostrom-betriebenen Wärmepumpe. Wärmeabnehmer seien in Wörgl nicht nur Haushalte, sondern auch Betriebe – etwa die Sparzentrale mit Bäckerei und Fleischwerk – was zur Ganzjahresauslastung der Fernwärme beitrage.
Keinen Zeitpunkt konnte Reinhard Jennewein auf die Frage nennen, wann das Wörgler Holzgas-CraftWERK gebaut wird: „Das steht noch nicht fest und hängt mit der Strompreisentwicklung wie auch mit Tarif-Förderprogrammen zusammen.“
Nicht erst auf künftige Kraftwerksprojekte warten, sondern Pflanzenkohle gleich einsetzen – dafür plädiert Georg Miggitsch und bricht eine Lanze für regionale Stoffkreisläufe: „Die Transportwege sollen nicht aus den Augen verloren werden – maximal 100 km sollte der Umkreis sein.“ Und was bei großen Kraftwerksprojekten hinsichtlich „ökologischem Fußabdruck“ auch zu berücksichtigen sei, ist die CO2-Bilanz des Bauwerkes.
Für alle, die sofort mit Terra Preta starten wollen, gab Miggitsch noch Anleitungen und Tipps für die Anwendung im Garten und am Balkon. Interessierten bietet er im Sommer Besuche in seinem Schaugarten in Schwoich wie auch den Verleih von Pyrolyse-Öfen aus dem Selbstbau samt Anleitung an.