Über 40 Grundeigentümer und die Radfelder Gemeindeführung leisten weiter Widerstand gegen die vom Land forcierten Hochwasserschutz-Maßnahmen im Unteren Inntal. Radfeld legte gegen die Zwangsverpflichtung zum Beitritt zum Wasserverband 2019 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof des Landes ein, das Verfahren läuft. Und der wehrhafte Bürgermeister Josef Auer wird nicht müde, Studien vorzulegen, die die Sinnhaftigkeit alpinen Wasserrückhaltes belegen und damit Kritik am Landesprojekt untermauern. Radfeld würde Retentionsflächen abtreten, aber nicht die geforderten 140 Hektar.
„Das Land Tirol hat die Gemeinden jahrelang falsch informiert! Jetzt steht unzweifelhaft fest, dass alpiner Wasserrückhalt sehr wohl für den Inn wirksam ist. Das ganze Land würde davon mehrfach profitieren“, meldet sich Radfelds Bürgermeister Josef Auer neuerlich zum geplanten Hochwasserschutzprojekt des Landes im Inntal zu Wort.
Auers Argumentation stützt sich auf die Schlussfolgerung, dass Speicherkraftwerke Hochwasserschutz mit der Gewinnung von sauberer, nachhaltiger und klimafreundlicher Energie verbinden. Daher laute sein Ansatz „WASSERKRAFT for FUTURE“.
„Das bereits 2014 vom Land in den wesentlichen Grundzügen vorausgeplante Projekt (HW Schutz im Wesentlichen nur im Inntal ab Innsbruck und dort nur bis Wörgl) basiert nämlich auf einer Reihe von mindestens 10 falschen Annahmen bzw. vom Land unrichtig behaupteten Punkten bzw. vom Land nicht beachteten Möglichkeiten oder nicht eingehaltenen Vorgaben von Bund und/oder EU. Daneben gibt es noch wesentliche Mängel und Benachteiligungen für die Gemeinde Radfeld ganz spezifisch! Dies trifft aber auch auf eine Reihe von anderen Gemeinden zu. Ich habe gemeinsam mit einigen anderen in den letzten Jahren sehr umfangreich recherchiert und mit einer Unzahl von Leuten aus vielen Gemeinden und Organisationen gesprochen. Schön langsam wird auch immer mehr Leuten klar, dass es eine echte Zukunftslösung braucht und dass die vom Land immer wieder über die Medien ausgeschickten Angaben unrichtig sind“, ist Auer überzeugt und fordert, dass die Landespolitik die notwendige Gesetzesgrundlage für Hochwasserschutz mithilfe von Speicherkraftwerken schafft.
„Der Wasserwirtschaftliche Rahmenplan wurde im März 2014 fertig gestellt. Dort steht, dass der Wasserrückhalt in den Hochgebirgsspeichern sich positiv auf die Hochwasserabflüsse des Inns auswirkt, das wurde von Hofer (2005) klar aufgezeigt“, teilt Auer mit (Siehe Link: https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/umwelt/wasser/wasserkraft/WWRP%20Tiroler%20Oberland.pdf
„Trotzdem wurden die Gemeindevertreter der Gemeinden von Brixlegg bis Wörgl im Dezember 2014 dahingehend informiert, dass eine alpine Retention mehr oder weniger wirkungslos ist und deshalb das vom Land Tirol schon damals fix geplante Vorhaben alternativlos ist“, so Auer. Er zitiert das Protokoll zur „Besprechung Hochwasserschutz und Wasserverband Brixlegg – Wörgl“ vom 17.12.2014 im Landhaus (Protokoll Info Landhaus- 17.12.2014): „Dort steht: Es gibt auch Überlegungen zur sogenannten alpinen Retention (in den Seitentälern), jedoch hat diese nur eine sehr geringe bis keine Auswirkung auf den Inn. Hätten wir damals den Informationsstand von heute gehabt, wäre sicher vieles anders verlaufen. Wir haben aber damals nicht angenommen, dass das Land Tirol die Gemeinden, trotz anderer Faktenlage, falsch informiert. Das ist wirklich erschütternd!“
In weiterer Folge gab es ab 2014 hauptsächlich von den Gemeinden Kundl und Radfeld viele Einwände gegen dieses Projekt des Landes. Vor allem wurde argumentiert, dass es auch einen alpinen Wasserrückhalt braucht und nicht nur Maßnahmen im Inntal. Durch alpinen Wasserrückhalt könnten die Retentionen im Inntal wesentlich verkleinert werden und auch die Grundwasserproblematik würde deutlich entschärft.
„Schließlich wurde vom Land die sündteure Blöschl Studie alibimäßig in Auftrag gegeben. Aber mit solchen Vorgaben, dass das vom Land offensichtlich gewünschte Ergebnis `Alpiner Wasserrückhalt nützt nichts´ herauskommt“, kritisiert Auer.
„Die Retentionsfläche für Kundl wurde von 142 ha auf 33,2 ha reduziert. Seit damals ist die Gemeinde Kundl für das Projekt und alle von Kundl bis dahin vorgebrachten Argumente werden nicht mehr vorgebracht. Radfeld, allen voran der Radfelder Bürgermeister wurde und wird als „Sündenbock“, „Verhinderer“, „Blockierer“, „Gallier“, „Radfeld pokert hoch“ und sogar „schuldig für ein zukünftiges Hochwasser“ hingestellt. Obwohl Radfeld bereit wäre, ca. doppelt so viel Retentionsfläche wie Kundl zur Verfügung zu stellen“, heißt es in Auers Presseaussendung.
„Im Namen der Gemeinde Radfeld habe ich bei Univ. Prof. DI Dr. Bernhard Pelikan (er ist Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Wasserkraftanlagen, Technisches Büro für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft) eine Stellungnahme zu den vom Land zwingend vorgegebenen Randbedingungen der Blöschl Studie in Auftrag gegeben. Diese Stellungnahme von Univ. Prof. DI Dr. Bernhard Pelikan zeichnet ein vernichtendes Bild über die vom Land für die Blöschl Studie zwingend vorgegebenen Randbedingungen“, so Auer. Siehe dazu die Stellungnahme als PDF Stellungnahme von Prof. Pelikan zur Blöschl Studie und eine Zusammenfassung seiner Aussagen Zusammenfassung der Stellungnahme von Pelikan-05.09.2020
„Nach der Fertigstellung der Blöschl Studie wurde vom Land landauf-landab gepredigt: „Nicht einmal 130 Standorte nützen etwas!“ Jeder, der dem etwas entgegensetzte wurde als „nicht ganz gescheit“ abgekanzelt. So wurden die Bevölkerung und auch die Gemeinderatsgremien in die Irre geführt“, kritisiert Auer, der auf weitere Studien verweist, u.a. zum Thema „Hochwasserschutz durch Hochwasserrückhalt – Analyse der Rückhaltewirkung von Gebirgsspeicheranlagen im Raum Tirol von Ao.Univ. Prof. Dr. DI Friedrich Schöberl der UNI Innsbruck, aus dem Jahr 2007. Auer zitiert: „Die Ergebnisse zeigen, dass das Retentionsvermögen der Speicher eine im Ernstfall wirksame Entschärfung des natürlichen Hochwassergeschehens in den von Speichern betroffenen Einzugsgebieten ermöglicht. Dieser Sachverhalt wird auch durch die positiven Erfahrungen bei bestehenden Anlagen während Extremhochwässern der letzten Dekaden eindrücklich unter Beweis gestellt. Aus der Sicht eines integrativen Schutzmanagements sollten daher Maßnahmen zum Speicherrückhalt, infolge ihres Beitrages zur Schadensreduzierung von Extremereignissen, ein entsprechender Stellenwert eingeräumt werden.“ Trotzdem behaupte das Land bis jetzt das Gegenteil. „LR Geisler ist noch dazu so unverfroren und meint, dass wir Dinge nicht einsehen bzw. nicht verstehen wollen. Das Ganze sei auch politisch. Es ist wohl umgekehrt! Dieses Verhalten ist widerwärtig im Sinne von der Sache nicht dienlich!“, stellt Auer fest und bringt ein weiteres Praxisbeispiel: „Im Juni 2019 hat die TIWAG nachweislich öffentlich darauf hingewiesen, dass allein durch den Wasserrückhalt der Kraftwerke „Sellrain-Silz“ und „Kaunertal“ Innsbruck vor einem HQ100 geschützt wurde.“
Die hohe Wasserführung im letzten Jahr habe auch vielen in der Bevölkerung „die Augen geöffnet“ und den Menschen sei bewusst geworden, dass es nicht nur um eine Verhinderung des „Über die Ufer Tretens des Inn“ gehe, sondern auch um eine Reduzierung der steigenden Grundwassergefahr.
Studie der Hunziker, Zarn & Partner AG
„Ich verweise auch noch auf eine Studie im Auftrag der Internationalen Regierungskommission Alpenrhein IRKA Projektgruppe Energie mit dem Titel „Speicherseen und Hochwasserrückhalt“, die ebenfalls die große Wirkung von alpinem Wasserrückhalt belegt“, so Auer. Siehe Link: https://www.alpenrhein.net/Portals/0/Content/Publikationen/Speicherseen_und_Hochwasserr%C3%BCckhalt_Bericht.pdf
Der Radfelder Bürgermeister weist weiters auf die Grundlagenstudie der i.n.n. für den Verein Hochwasserschutz Tirol aus dem Jahr 2018 hin: „Auch diese Studie spricht eigentlich Bände! Die Fachleute der i.n.n. Ingenieursgesellschaft für Naturraum-Management GmbH & Co KG wurden aber bisher vom Land Tirol immer als nicht kompetent abgetan. Dann fragt man sich aber schon, warum sie bei der Erstellung des Wasserwirtschaftlichen Rahmenplans (2014) mit im Team waren und z.B. auch bei der Erstellung der Potentialstudie der ENERGIE WEST.“ Und hier die i.n.n. Grundlagenstellungnahme zur Blöschl Studie-08.08.2018
Kritik an Datenbasis des Gefahrenzonenplanes
Auer kritisiert auch die Datenbasis, die das Land bei Erstellung des Gefahrenzonenplanes herangezogen hat: „Da wird von falschen Wassermengen ausgegangen. Das würde für Wörgl bedeuten, dass Gebiete aus der roten Zone herauskommen.“