Keine schöne Bescherung steht Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen ins Haus, die jetzt einen Pflegeplatz benötigen. Weil das Land Tirol „aus budgetären Gründen“ nicht mehr Geld für die Pflege ausgeben will, machen Seniorenheime jetzt „dicht“ und verhängen so wie Wörgl bei der Gemeinderatsitzung am 17. Dezember 2019 einen Aufnahmestopp für Angehörige anderer Gemeinden, um nicht auf Mehrkosten sitzen zu bleiben. Vorerst ausgesetzt wird in Wörgl auch die Kurzzeit- und Übergangspflege, um das Limit von 135 Betten nicht zu überschreiten. Die Heimgebühren werden ab 1. Jänner 2020 um 5 % erhöht.
Grund für den kuriosen Aufnahmestopp, der betroffene Familien vor Riesenprobleme stellt, ist der Abrechnungsmodus des Landes Tirol, der eigenartigerweise davon ausgeht, dass die Pflege ab dem 136. Heimbewohner billiger wird. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass bei mehr BewohnerInnen mit Pflegebedarf weniger Pflegepersonal benötigt wird“, heißt es im Antrag zur Heimgebührenfestsetzung im Wörgler Gemeinderat, mit dem der Aufnahmestopp für Pflegebedürftige von auswärts verhängt wurde. Betroffen sind davon vor allem die Nachbargemeinden Angath, Angerberg, Mariastein und Kirchbichl. „Wir können es uns als Stadt nicht leisten, Mehrkosten von 250.000 Euro jährlich in Kauf zu nehmen“, rechtfertigte Bürgermeisterin Hedi Wechner die Vorgangsweise.
Im Wörgler Seniorenheim stehen 156 Pflegebetten zur Verfügung, erst vor zwei Jahren wurde der Erweiterungszubau mit 36 Pflegebetten in Betrieb genommen. Das war vor der Entscheidung des Landes, ab 136 Betten die Tagsätze zu verringern, die vom Land pro Bewohner genehmigt werden. „Dienstleistungen können nicht wie Industrieprodukte kalkuliert werden“, ärgert sich Heimleiter Harald Ringer, der mit der Problematik im April 2019 konfrontiert wurde, als weitere Teile des Zubaues in Betrieb genommen wurden und Wörgl damit in die nächste Größenkategorie der Heime mit verringerten Tagsätzen fiel.
Die Mehrkosten für die Stadt ergeben sich daraus, dass die Kosten für die Pflege zwar anfallen und das benötigte Pflegepersonal auch vorgeschrieben ist, das Land mit verminderten Tagsätzen aber nicht mehr für die tatsächlichen Kosten aufkommen will. So betrug 2019 der nach tatsächlich anfallenden Kosten errechnete Tagsatz je nach Leistungsumfang von 49,82 bis zu 154,62 Euro bei Vollpflege – allerdings nur bis zur Heimgröße von 135 Betten. Darüber erhielten die Heime nur mehr Tagsätze von 47,40 bis 148,66 Euro refundiert.
„135 Plätze sind die Deadline“, stellte Bürgermeisterin Hedi Wechner fest. Derzeit sind 133 Bewohner im Haus, wobei nächste Woche zwei Entlassungen vorgesehen sind. Mit der Festlegung auf maximal 135 Betten stehen damit noch Plätze für WörglerInnen zur Verfügung.
Zwei Drittel vom Zubau stehen leer
„Was ist mit den leeren Betten im Zubau?“ wollte Gemeinderätin Carmen Schimanek wissen. „Diese stehen für andere Nutzungen offen – von betreubarem Wohnen bis hin zur Kinderbetreuung“, teilte Harald Ringer mit. Entscheiden müsse das die Politik. Die auf Landesebene den Pflegesektor auch anderweitig derzeit vor Herausforderungen stellt: durch Umstellung der Pflegeausbildung, die aufgrund mangelnder Attraktivität nicht den benötigten Nachschub an Pflegekräften bringen wird, fehlt Personal. Heuer gibt es keine Pflegefachkraft-AbsolventInnen, Personal kann eigentlich nur von auswärts oder von anderen Einrichtungen abgeworben werden. Auch deshalb sei eine weitere Inbetriebnahme des Zubaues derzeit nicht realistisch.
„In der Altenbetreuung hakt es an allen Ecken und Enden“, stellte Bgm. Hedi Wechner fest und empfahl den Nachbarbürgermeistern, selbst Kontakt mit dem Land aufzunehmen.
Heimgebühren Erhöhung um 5 %
„Letztes Jahr erhöhten wir die Heimgebühren um 3 %. Die Pensionen steigen um 2 %. Einer 5%igen Erhöhung jetzt stimmen wir nicht zu“, erklärte Gemeinderat Richard Götz und meinte: „Es ist nicht sinnvoll, die Leute durch die Gegend zu karren. Hier wird ein Politikum auf dem Rücken der Patienten ausgetragen.“
Bgm. Wechner wies den Vorwurf als Polemik zurück, „denn wir können nicht auf Stadtkosten Bewohner aus anderen Gemeinden aufnehmen.“ Auf die Erhöhung habe man wenig Einfluss, da sie auf Basis der Kostenwahrheit kalkuliert seien. „Kalkuliert wird auf Basis der Kosten in 29 Pilot-Heimen, dabei darf kein Gewinn gemacht werden“, erläuterte Harald Ringer. Auch Wörgl zählt zu diesen Pilotheimen. „Die ursprüngliche Idee des Projektes, einheitliche Tagsätze für alle Heime in Tirol zu vereinbaren, war gut. Bisher hat jedes Heim andere Gebühren, gewachsen aus der Geschichte und örtlichen Gegebenheiten. Das Pilotprojekt ist der Versuch, einheitliche Qualitätsstandards und Gebühren sowie Transparenz zu schaffen“, so Ringer, wobei hier zwei Kategorien für kleine und größere Einrichtungen angedacht seien. Ringer betont, dass die Heimbewohner von den Abrechnungsmodalitäten nicht direkt betroffen sind: „Die Bewohner sind nicht Leidtragende der Erhöhung. Sie bezahlen mit 80 % ihrer Pension und 80 % des Pflegegeldes. Die Restkosten werden aus der Mindestsicherung aufgebracht, die das Land zu 65 % und die Stadt zu 35 % finanziert.“
Die neuen Tagsätze mit 52,31 Euro im Wohnheim, 65,85 Euro für erhöhte Betreuung1, 83,27 Euro für erhöhte Betreuung2, 104,58 für Teilpflege1, 125,91 für Teilpflege2, 141,72 Euro für Vollpflege (5), 155,47 Euro für Vollpflege (6) und 162,35 Euro für Vollpflege (7) gelten ab 1.1.2020. Ob sie so bewilligt werden, entscheidet das Land. „Wir hoffen, dass die Tagsätze vom Landtag noch heuer beschlossen werden. Eine nachträgliche Anhebung ist nicht möglich“, erklärte Sozialreferent GR Christian Kovacevic. Sollten die Tagsätze dann niedriger sein, werde die Differenz den Heimbewohnern zurückgezahlt.
Der Gemeinderat bewilligte die Gebührenerhöhung sowie die vorläufige Reduzierung der stationären Pflegebetten auf 135 Betten ab 1.1.2020 mit 19 Ja- bei 2 Nein-Stimmen der Wörgler Grünen. Das Angebot der Kurzzeit- und Übergangspflege ist damit ab 1.1.2020 ausgesetzt, die Aufnahme zur stationären Pflege im Seniorenheim auf Wörgler BürgerInnen beschränkt.