Im Rahmen einer dreitägigen Tour durch die Tiroler Gemeinden nahmen am 6. März 2020 bei einem Pressetermin in Wörgl die beiden neuen Grünen Nationalräte Hermann Weratschnig und Barbara Neßler Stellung zu aktuellen Themen, vor allem zu Verkehr und Tourismus. Wobei in Wörgl vor allem das Thema Verkehr ganz oben auf der Agenda steht – auch im Hinblick auf den vom Land geplanten Ausbau der „Rollenden Landstraße“ von derzeit 220.000 Lkw auf 380.000 Lkw, der von den Wörgler Grünen aufgrund der massiven Mehrbelastung mit Luftschadstoffen, Lärm, Flächenverbrauch beim Terminal und Überlastung der Nordtangente abgelehnt wird.
1.000 Lkw am Tag sollen durch Verfrachtung auf die Bahn beim Rola-Terminal in Wörgl-West auf der Transitroute bis zum Brenner „eingespart“ werden. Die Wörgler Grünen kritisieren, dass schon jetzt Engpässe beim Autobahn Kreisverkehr West auftreten und die Grenze der Verkehrsbelastung erreicht, wenn nicht schon überschritten sei. Das zusätzliche Lkw-Aufkommen sei eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität in Wörgl, weshalb die Wörgler Grünen „Nein danke zum Ausbau der ROLA“ sagen.
„Die Rollende Landstraße ist ein Baustein für das Land Tirol, um die sektoralen Fahrverbote aufrecht erhalten zu können. Das verlangt die EU“, rechtfertigt der Grüne Verkehrssprecher im Nationalrat Hermann Weratschnig die Maßnahme, die „es als Übergangslösung bis zur Inbetriebnahme des Brenner Basistunnels braucht“. Weratschnig räumt zwar ein, dass „der Terminal im IG-Luftsanierungsgebiet langfristig nicht sinnvoll ist“, unterstützt aber die Landesposition, die ab 2021 eine weitere Verschärfung des sektoralen Fahrverbotes auf der Autobahn vorsieht. Eine Alternative wäre der kombinierte Verkehr, aber auch ein gut durchdachter Containerverkehr brauche Terminals, die noch nicht existieren und im süddeutschen Raum nötig wären. „Bei den anstehenden Gesprächen mit der ÖBB wird es auch darum gehen“, so Weratschnig.
Über Aufhebung der Grenzkontrollen verhandeln
Zur Transitproblematik generell stellt Weratschnig fest, dass bei den anstehenden Verhandlungen mit Bayern über Aufhebung der Grenzkontrollen bei Kufstein das von Tirol eingeführte Lkw-Dosiersystem „als temporäre Notmaßnahme“ nicht angetastet werde. Im Gegenteil – man rate den Bayern, bereits vor München zu dosieren, nicht am letzten Stück vor der Grenze: „Vor München können sich die Fahrer dann noch für eine andere Route entscheiden.“ Bei 2,5 Millionen Lkw-Transitfahrten jährlich seien Maßnahmen nötig, die den Lkw-Verkehr verringern. Dazu gehöre auch die Verhandlung über eine Korridormaut von München bis Verona, da derzeit diese Strecke mit einem Kilometerpreis von 42 Cent zu billig sei und deshalb Umwegtransit anziehe. Auf der Gotthard-Route durch die Schweiz koste die Maut bei annähernd selber Strecke 86 Cent pro Kilometer.
Korridormaut gegen Umwegtransit
„Die Maut ist zu vier Fünftel Verursacher des Umwegtransites, zu einem Fünftel ist es der billige Treibstoffpreis in Österreich“, erklärt Weratschnig. Um Tanktourismus zu unterbinden, stehen Fahrverbote an den Rampen in Diskussion, gegen die die Firma Shell vorgehen will. Der Konzern kündigte ein Vertragsverletzungsverfahren bei der EU an. „Auch diese Fahrverbote sind temporäre Notmaßnahmen, um unsere Orte zu schützen. Da muss belegt werden, dass es aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendig ist“, so Weratschnig und weist darauf hin, dass hier Fehler der Vergangenheit von Gemeinden und Land in der Raumordnungspolitik begangen wurden. Zur Problematik des teureren Treibstoffes an den Tankstellen direkt an der Autobahn meint Weratschnig, dass hier neue Rahmenbedingungen zwischen ASFINAG und Tankstellenbetreibern nötig seien. Derzeit erhöhe die Tankstellenpacht den Treibstoffpreis, weshalb viele Frächter lieber billigere Vertragstankstellen abseits der Autobahn anfahren.
Lob für Tirols Transitwiderstand
Weratschnig weiß um die diffizile Verflechtung von Tanktourismus, Korridormaut, Ökologisierung der Maut und Grenzkontrollen. Für Lösungen brauche man die Nachbarn. Den Raum Wörgl-Kufstein sieht er als Mittelpunkt der österreichischen Verkehrspolitik – was für Tirol ausverhandelt werde, gelte dann auch für alle EU-Staaten. „Viele Maßnahmen jetzt sind ein Erfolg des Tiroler Transitwiderstandes. Sie haben die Politik vorausgetrieben – Hut ab vor Fritz Gurgiser und dem Transitforum“, so Weratschnig.
Wie stehen die Grünen im Nationalrat zur Abschaffung des Dieselprivileges bei der Besteuerung? Hier gab es kein klares Ja oder Nein. Es werde als Teil der ökosozialen Steuerreform betrachtet und im Paket mit CO2-Bepreisung, Pendlerpauschale und Einkommenssteuer betrachtet. „Pendler, die auf das Auto mangels Öffi-Alternative angewiesen sind, sollen aber mit keinem Cent mehr belastet werden“, so Weratschnig. Hier ein System zu finden, brauche kreative Ideen. „Und einen Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel“, wie NR Barbara Neßler betont. Dieser sei für den ländlichen Raum auch zur Einbremsung der Abwanderung in die Städte wichtig.
Mehr Nachhaltigkeit im Tourismus
Barbara Neßler beschäftigt sich als Abgeordnete vorwiegend mit den Themen Kinder, Jugend, Familie und Tourismus. Sie begrüßt die Verkehrsberuhigung der Wörgler Bahnhofstraße und weist auf den wirtschaftlichen Aspekt hin, dass Gastronomiebetriebe in verkehrsberuhigten Zonen aufblühen und dort auch eine Lokalszene entstehe. Zu ihren Anliegen zählen Maßnahmen gegen das „Gasthaus-Sterben“: „Wir werden uns jetzt ein Maßnahmenpaket für EPU´s ansehen hinsichtlich Abschreibedauer und sozialer Absicherung.“ Sie wolle ein Maßnahmenpaket entwickeln, das auch die Attraktivierung der Jobs in der Gastronomie hinsichtlich Arbeitszeit, Kinderbetreuung und Weiterbildung beinhalte.
„Eine MCI-Studie zeigt, dass 92 % der Tiroler Bevölkerung keine Erhöhung der Nächtigungszahlen mehr will. Die Politik muss darauf reagieren“, so Neßler, die den Tourismus breiter aufstellen will und auf dessen Bedeutung für Kultur und Identifikation hinweist. Der Tourismus müsse sich weiterentwicklung. „Langfristig macht er nur Sinn, wenn die Bevölkerung davon profitiert und die Natur nicht leidet“, wo Neßler, die mehr Nachhaltigkeit und seinen sozialen Tourismus will. So solle bei größeren Projekten die Bevölkerung vermehrt eingebunden werden.
Neßler sieht die Hotelbetriebe mit einer unfairen Konkurrenz durch airbnb-Angebote ausgesetzt und will hier gleiche Rahmenbedingungen schaffen – mit Registrierungspflicht und gleichen Steuern und Abgaben. Es gehe darum, die gewerbliche Vermietung zu erweitern, ohne die Privatzimmervermieter zu bestrafen – die wolle man erhalten. Ein Richtwert für die Klassifizierung sei, privaten Raum für touristische Zwecke maximal 90 Tage pro Jahr zu nützen.