Kritik an der Vorgangsweise zur Strompreiserhöhung durch die Wörgler Stadtwerke kommt von der Wörgler Opposition, die wie bereits berichtet eine Sondergemeinderatsitzung und die Einrichtung des einstimmig im Gemeinderat beschlossenen Krisenstabes verlangt. Am 29. Juli 2022 erläuterten Mandatare der Listen Wir für Wörgl – Liste Roland Ponholzer, der Liste Hedi Wechner, der Wörgler Grünen und der FWL ihre Forderungen.
Eine derart tiefgreifende Maßnahme am Gemeinderat vorbei umzusetzen stößt sauer auf. Am 7. Juli wurde einstimmig die Einsetzung eines Krisenstabes beschlossen. „Genau um so ein Szenario zu verhindern“, ärgert sich GR Christian Kovacevic von der Liste Hedi Wechner „über das absolut unverständliche, nicht nachvollziehbare Vorgehen und die schlechte Kommunikation. Das war das falsche Signal zum falschen Zeitpunkt, viele Leute sind von der Teuerung überfordert.“ Vor dem drastischen Schritt der Vertragskündigung hätte es eine Vorab-Bürgerinformation gebraucht. Auch Vizebgm. Roland Ponholzer „fühlt sich gehäkelt – der Krisenstab wird zu spät einberufen und tagt erst am 5. August.“ Die Strompreiserhöhung war bereits im Juni in Stadtwerke-Gremien beschlossen, der Gemeinderat sei darüber am 7. Juli nicht informiert worden.
Konkret steigen die Strompreise heuer bereits zum 2. Mal – bis 31. Mai lag der Arbeitspreis bei 7 Cent, wurde danach auf rund 10 Cent angehoben und soll nun neuerlich ab 1. Oktober auf ca. 30 Cent steigen. Der Gesamtpreis für eine Kilowattstunde (kWh) Strom liegt österreichweit laut E-Control zwischen rund 18 Cent und gut 72 Cent.
Mit der digitalen Aussendung der Vertragskündigungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden „ist ein Sturm durch Wörgl gefegt“, so Ponholzer. „Eine nochmalige Erhöhung von 50 Euro monatlich können sich viele Haushalte nicht leisten, besonders betroffen sind auch Kleinbetriebe – da wird es existenzgefährdend.“ Ponholzer will Einblick in Unternehmensdaten der Stadtwerke GmbH. Die Intransparenz sei „Ergebnis der Wergel AG und Stadtholding-Gründung. Uns als Gemeinderat sind hier Informationen und Entscheidungen entzogen worden. Wir wollen deshalb auch auf die Tagesordnung bringen, über eine Rückabwicklung der WERGEL AG zu reden. Es macht keinen Sinn, öffentliche Bereiche in privatwirtschaftliche Strukturen zu verlagern“, so Ponholzer.
Was die Stadtwerke GmbH betrifft, soll „eine Tiefenprüfung aller Sparten erfolgen. Wir wollen wissen, wo welcher Absatz erzielt wird, wieviel Strom Eigenproduktion ist, wieviel wann und zu welchen Konditionen zugekauft wird. Wird der selbst produzierte Strom an eigene Kunden geliefert oder am Markt verkauft? Was ist mit dem Gewinn?“ bohrt Ponholzer nach und will, dass sich Bürgermeister Michael Riedhart auf Bundesebene bei der ÖVP dafür einsetzt, „mittels Gesetzesänderung das Merit-Order-Prinzip bei der Strompreisfestsetzung abzuschaffen“.
Ob die angekündigte drastische Preiserhöhung gerechtfertigt ist, will auch die FWL wissen. „Sind diese Maßnahmen notwendig? International will jetzt jeder auf den Zug der Energiepreiserhöhung aufspringen. Sind die Stadtwerke Wörgl da auch Trittbrettfahrer?“, fragt sich Gerhard Unterberger von der FWL. Andererseits verstehe er auch die Stadtwerke-Geschäftsführung, die auf den eigenen Betrieb schauen. Vor allem kritisiert man, dass „über die Leute drübergefahren wird. Da werden Teuerungsraten heraufbeschworen. Wo wird von den Stadtwerken Energie zugekauft? Wohin wird der Strom dann verkauft? Für den Stromhandel braucht es Experten mit fundiertem Grundwissen“, so Unterberger, der eine stufenweise, sozial verträglichere Preisanpassung befürwortet und „die jetzigen Probleme als Anlass sieht, um genau hinter die Kulissen zu schauen“. Eine Bevölkerungsinformation in schriftlicher Form, nicht nur übers Internet, sei Aufgabe der Stadtpolitik, zudem schlage man eine Preisdeckelung vor. Jedenfalls solle es Unterstützung für besonders betroffene Bevölkerungsgruppen geben.
„Wir kritisieren die Vorgehensweise massiv“, ärgert sich Grün-GR Iris Kahn. Allerdings sei bei einem Preisvergleich am Stromanbietermarkt die Stadtwerke GmbH immer noch „unschlagbar günstig“. Kritisiert wird von den Grünen vor allem die Intransparenz der WERGEL AG und dass viele Entscheidungen am Gemeinderat vorbeigeschleust werden.“ Der Krisenstab solle sich auch mit Unterstützungsmöglichkeiten für die Bevölkerung befassen. „Im Herbst starten wir im Stadtmagazin eine Stromsparkampagne“, kündigt die Referentin für Nachhaltigkeit an. Der beste Verbrauch sei der, der garnicht erst stattfinde. Kahn ortet in Wörgl zudem viel Potenzial für Photovoltaik – man solle sich von den Strombörsen unabhängiger machen und neuerlich städtische Förderungen für Sonnenstrom andenken und bei Land und Bund Druck für den Umstieg auf erneuerbare Energieträger wie Wasserkraft und Strom aufbauen. „Wir geben jetzt 200.000 Euro für die Bädereuro-Gutscheine aus“, so Kahn. Jetzt müsse man die Strompreissteigerung „abpuffern, damit sich die Leute im Herbst noch den Strom leisten können.“ Zur Finanzierung der Bädergutscheine wurden vom Gemeinderat 100.000 Euro freigegeben, vom Stadtrat noch zwei mal je 50.000 Euro – die Gutscheine, die in umliegenden Schwimmbädern gelten, sind mittlerweile alle weg.
Christian Kovacevic stößt sich weniger an der WERGEL AG und Holding-Konstruktion, die er in der vergangenen Gemeinderatsperiode mit beschlossen hatte. Diese sei „nicht Schuld an den Kündigungsschreiben. Von Anfang an hieß es, bei gravierenden Entscheidungen ist der Gemeinderat einzubinden – das hätte passieren müssen.“ Kovacevic erinnert daran, dass der ursprüngliche Vorschlag, den gesamten Stadtrat als Aufsichtsrat bei der WERGEL AG einzubinden, aus juristischen Gründen abgelehnt worden sei. „Rechtlicher Vertreter ist nur der Bürgermeister – der könnte aber das Recht auf Mitbestimmung umsetzen.“ Da die Stadtwerke zu 100 % im Eigentum der Stadtgemeinde sind, bestehe auch die politische Verantwortung.
Der gemeinsam unterschriebene Antrag für den Sondergemeinderat umfasst auch anstehende Gebührenänderungen. „Aufgrund der Intransparenz der Preisgestaltung wollen wir wissen, wie Erhöhungen in anderen Bereichen wie Wasser, Abwasser oder Müll aussehen werden“, so Kahn.