Transitverkehr: Landespolitik belastet Raum Wörgl

Die Tiroler Landtagsdirektion organisierte im Vorfeld des internationalen Verkehrsgipfels am 12. Juni 2018 am 29. Mai 2018 einen Lokalaugenschein bei der Kontrollstelle Radfeld sowie beim RoLa-Verladeterminal in Wörgl für die Mitglieder des Landtagsausschusses für Wohnen und Verkehr sowie für Medienvertreter. „Je mehr LKW Sie hier verladen, umso mehr freut sich der Tiroler Landtag“, verabschiedete sich der ÖVP-Klubobmann LA Jakob Wolf nach Besichtigung des Verladeterminals in Wörgl-West, bei der auf eine Auslastung bis an die Kapazitätsgrenzen des Terminals gedrängt wurde. Wörgl wird damit zum Flaschenhals der Tiroler Verkehrspolitik – denn bis hierher dürfen selbst 44-Tonner anfahren, eine bevorzugte Behandlung der RoLa-Kunden bei der Lkw-Blockabfertigung sei nicht möglich und die Bahn argumentiert, dass der Terminal bereits ausreichend Parkfläche vorhalte.

Kurt Codemo ist seit 2001 Terminalleiter der ROLA-Brennerachse und damit zuständig für die Verladeterminals in Wörgl und am Brennersee. Der Terminal Wörgl wurde 1993 in Betrieb genommen, 2007 adaptiert mit Vorstauflächen und Brückenwaagen und 2012 folgte die Inbetriebnahme des 3. RoLa-Ladegleises  und der Neubau des Abfertigungsgebäudes. Der Terminal weist 70 Stellplätze am neuen Vorstauparkplatz auf – 36 Stellplätze am alten Vorstauplatz – und könnte entlang des Ladegleises 21 Stellplätze aktivieren.

„Die Fahrer dürfen erst eine Stunde vor Beladung des Zuges auf das Gelände fahren“, informiert Codemo über den Ablauf. Auf der Brückenwaage wird mit dem Ticketkauf eingecheckt, ab diesem Zeitpunkt läuft die Ruhezeit des Fahrers. Auf dem Vorstauplatz wird bis zum Verladeaufruf gewartet, dann fahren die Lkw im Konvoi auf die Niederflurwagen.  Am Wochenende erfolgen Verladungen bis Samstag um 19 Uhr und sonntags wieder ab 13 Uhr.

„Derzeit fertigen wir pro Tag 20 Züge ab, das sind 40 Be- und Entladungen mit 750 Lkw“, erklärt Codemo. Möglich wären 1.300 Lkw täglich – doch das scheitere an der italienischen Infrastruktur, die derzeit ausgebaut wird. „90 % fahren auf der Achse Wörgl-Brennersee, 10 % bis nach Trient“, so Codemo. Die Auslastung Wörgl-Trento sei aufgrund einer baustellenbedingten Nachtsperre eingeschränkt. Die Bauarbeiten sollen im Jänner 2019 abgeschlossen sein. Die Nutzung der Achse Wörgl-Trento sei zudem aufgrund der billigen Straßenmaut in Italien für die Frächter uninteressant.

Und damit schon zu Gründen, weshalb Frächter die RoLa nützen: „Um Ruhezeiten einzuhalten, wenn die Lkw über 40 Tonnen wiegen, vom sektoralen Fahrverbot betroffen sind oder der Kontrollstelle ausweichen wollen“, listet Codemo auf. Das Ticket Wörgl Brennersee koste 140 Euro, die Fahrt inklusive Be- und Entladen dauert 2 Stunden, die voll als Ruhezeit angerechnet werden. Das Ticket Wörgl-Trento kostet 217 Euro. In Deutschland und Italien wurde das zulässige Höchstgewicht bereits auf 44 Tonnen erhöht, in Österreich gilt nach wie vor das 40 Tonnen-Limit. Nicht allerdings für jene, die in Österreich auf die Bahn verladen werden. Die 44-Tonner dürfen sogar bis Hall durch Tirol fahren!

Die mangelnde Attraktivität des derzeit in Ausbau befindlichen Terminals Trient liege einerseits an der zu billigen Straßenmaut – ein Lkw zahle vom Brenner bis Trient gleich viel wie ein Pkw, rund 23 Euro – und benötige aufgrund der dortigen Infrastruktur eine Rangierzeit von mindestens 4 Stunden.  „In Wörgl beträgt die Systemzeit 60 Minuten“, so Codemo.

Wie die Auslastung der RoLa – die als Ergänzung zum Straßentransit, nicht aber als Lösung gesehen wird – generell von den gesetzlichen Rahmenbedingungen und damit von der Verkehrspolitik abhänge. Die Achse Wörgl-Brennersee ist derzeit die attraktivste: Brennersee-Manching/Ingolstadt wurde 2002 eingestellt, ebenso die Strecke Wörgl-Verona und Regensburg-Trento ist seit 2012 Geschichte. Dass Fahrverbote Lkw-Transit auf die Bahn bringen, zeigte sich in der Vergangenheit: „Schon vor Bau des 3. Ladegleises 2012 fertigten wir bis zu 48 Züge in Wörgl ab“, so Codemo. Die höchsten Abfertigungszahlen wies die Brennerachse im Jahr 2010 mit 244.000 Lkw auf, die Strecke Wörgl-Trento 2011 mit über 58.000 Lkw (2017 waren es rund 13.300).

So spiegelt sich auch die Aushebelung des sektoralen Fahrverbotes 2017 in der Auslastung wider: „Im Mai 2017 fertigten wir in Wörgl 14.500 Lkw nach Brennersee ab – im Mai 2018 kommen wir auf ca. 12.500“, so Codemo. 2017 wurden in Wörgl insgesamt rund 160.000 Lkw verladen – möglich wären derzeit 210.000.

Ohne Stützung aus Steuergeld wäre der Bahn Güterverkehr generell nicht möglich. Schon jetzt subventioniert der Steuerzahler pro Lkw zwischen 100 und 170 Euro das RoLa-Ticket, dessen Kalkulation sich am Straßen-Frachttarif orientiert. Das heißt bei der Strecke Wörgl-Brennersee: Auf der Straße kostet die Maut 75-80 Euro und der Diesel für moderne Lkw bei den derzeit steuerlich begünstigten Dieselpreisen rund 50 Euro. Die Fahrt Nord-Süd ist übrigens teurer als das Ticket Süd-Nord – denn da rollt der Lkw vom Brenner abwärts. „Der Frächter kalkuliert im Centbereich“, weiß Codemo und hält eine RoLa-Tarifsenkung als Anreiz für eine bessere Auslastung des Bahnangebotes.

Parkplatz und andere Probleme

„Man hört immer wieder, die ÖBB stellen zu wenig Parkplätze zur Verfügung. Und stimmt es, dass beladene Züge nicht fahren konnten, weil keine Lokführer zur Verfügung standen?“ wollte LA Ing. Alois Margreiter wissen. „Das Parkplatz-Problem auf der Nordtangente verursachen zu 99 % nicht Nutzer der RoLa“, sagt Codemo. „Wir haben unsere Kunden informiert, dass sie maximal eine Stunde vor dem Check-In hier sein können, sonst müssen sie den Terminal verlassen.“ Dafür seien die von der Bahn vorgehaltenen Parkflächen ausreichend. Was den Personalmangel betrifft: „Derzeit sind 220 Triebfahrzeugfahrer in Ausbildung“, so Codemo.

Welche Anreize und Infrastruktur wie Duschen und Aufenthaltsräume für die Fahrer geboten würden, lautete eine weitere Frage. „Wir bieten keine Duschen und keinen Anreiz für den Aufenthalt – die Fahrer sollen hier so schnell wie möglich rein- und rausfahren“, erklärt Codemo das Unternehmenskonzept der 8 Terminals in Österreich.

Dass die RoLa mit den Lkw an Bord rund ein Drittel Totlast transportiert, veranlasste zu Kritik an der Wirtschaftlichkeit: „Da sollte man doch lieber den Container-Verkehr fördern.“ Denn volle Containerzüge fahren bereits durchs Land. „Dazu braucht es die Logistik, und da ist die Industrie gefordert“, räumt Codemo ein. Container-Verkehr können sich große Frächter leisten – die RoLa sei ein Angebot  für Klein- und Mittelunternehmen.

Gefragt wurde auch, ob RoLa-Kunden bei der Blockabfertigung bevorzugt behandelt werden können. Die Antwort der Exekutive: „Eine Entflechtung vor Ort auf der Autobahn ist derzeit nicht möglich.“

Und was würde sich in Wörgl mit dem Bau des Brenner Basistunnels ändern? „Dann können längere Züge fahren. Derzeit ist die Last über den Brenner mit 1.600 Tonnen pro Zug begrenzt, das entspricht maximal 23 Niederflurwagen. Derzeit prüfen wir eine Verlängerung auf 30 bis 35 Niederflurwagen und damit einen Terminalausbau Richtung Osten mit 100 bis 200 Meter mehr Gleislänge“, so Codemo. Das ist allerding Zukunftsmusik. Die Ausbaustrecke der Unterinntal-Bahn endet in Radfeld/Kundl. Ein weiterer unterirdischer Ausbau ist derzeit nicht vorgesehen. Wie überhaupt der weitere Bahnausbau von der Entscheidung Deutschlands über die Zulaufstrecke zum Brennerbasistunnel abhängen wird.

Die Schlussfolgerung der Abgeordneten nach der Terminal-Besichtigung, die beim Verkehrsgipfel transportiert werden soll: Der Knackpunkt ist die Erhöhung der Maut in Italien, um einen Anreiz für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Bahn zu forcieren. Die Situation entlang der Zulaufstrecke zum RoLa-Terminal in Wörgl war beim Lokalaugenschein in Wörgl übrigens kein Thema.