Trotz erschwerter Bedingungen, verwehrtem Datenzugang und dem Schweigen Beteiligter förderte der WIG-Sonderausschuss des Wörgler Gemeinderates brisante Details und zahlreiche Ungereimtheiten zu Tage. Am 18. Februar 2016 legte der Leiter des „WIG-Untersuchungsausschusses“ Grün-Gemeinderat Richard Götz den Abschlussbericht des Gremiums, das nicht die Handlungsvollmachten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses hatte, dem Gemeinderat vor. Dieser nahm ihn zur Kenntnis, eine Weiterreichung an die Staatsanwaltschaft durch den Gemeinderat wurde nicht beschlossen. Zu den haarsträubenden Details zählen „enorme Überschreitungen bei den Straßenbaukosten“ und Ungereimtheiten bei der Hochwasserentschädigung.
Auf Antrag der Wörgler Grünen setzte der Gemeinderat am 25. Mai 2014 einen Sonderausschuss zur Untersuchung der Vorgänge rund um die WIG – Wörgler Infrastrukturgesellschaft ein, die mittlerweile aufgelöst wurde und damit alle Straßenbauprojekte wieder über die Hoheitsverwaltung der Gemeinde abgewickelt werden. Der Untersuchungszeitraum reicht von der Gründung der WIG 2003 bis zum Jahr 2012. „Dem Ausschuss standen nur Unterlagen in Papierform zur Verfügung“, erklärte Götz die schwierigen Rahmenbedingungen. Die Herausgabe elektronischer Daten wurde von Bürgermeisterin Hedi Wechner unterbunden, die sich auf Datenschutz berief und den gewünschten Ankauf eines Programmes zur Wiederherstellung gelöschter Daten ablehnte. Götz interpretiert den rechtlichen Spielraum anders: „Rechtsanwalt Dr. Praxmarer hatte gegen ein Öffnen keine rechtlichen Bedenken, vorausgesetzt dem betroffenen Beamten werden 2 Termine angeboten und die Öffnung erfolgt im Beisein von Vertrauenspersonen.“ Doch gelöschte Dateien wieder herzustellen war Bürgermeisterin Hedi Wechner „zu heiß“. So blieb nur die Möglichkeit, den ehemaligen WIG-Geschäftsführer auf freiwilliger Basis einzuladen. „Hilfe vom Amt hatte ich dabei keine, ich erhielt nicht einmal die Kontaktdaten“, so Götz. Mehrmalige Versuche eines Treffens seien an kurzfristigen Absagen seitens des mittlerweile pensionierten Beamten gescheitert. Trotz Einladung kam auch der ehemalige Bürgermeister Arno Abler nicht zur Aussage in den Sonderausschuss.
Die Bautätigkeit der WIG umfasste die Errichtung der Nordtangente inklusive der Rad- und Fußwegunterführung beim Bahnhof sowie den Bau der Rupert Hagleitner-Straße. „Die Länge der Nordtangente beträgt rund 2.500 Meter, die Gesamtkosten bis heute betragen inklusive Grundablösen bis Wörgl-Mitte rund 16.5 Millionen Euro. 2003 ging man von Gesamtkosten für die gesamte Nordtangente in Höhe von 12 Millionen Euro ohne Mehrwertsteuer aus „, berichtete Götz und zeigte die eklatanten Kostenüberschreitungen anhand eines Vergleiches mit den Landesstraßen-Baukosten auf: „Die Laufmeterkosten bei Landesstraßen betragen 900 Euro pro Laufmeter. Die Laufmeterkosten der Nordtangente liegen bei 2.765 Euro exklusiv Mehrwertsteuer, bei der Hagleitnerstraße bei 1.875 Euro pro Laufmeter.“ Wodurch dieser gravierende Unterschied entstanden ist, war für den Sonderausschuss durch „fehlende Tiefbaukenntnisse, fehlende Unterlagen und fehlende Auskunftspersonen“ nicht nachvollziehbar. Aus dem Ruder gelaufen sind auch die Kosten für Rad-Fußweg-Bahnunterführung: Statt veranschlagter 1,8 Millionen Euro schnellten die Baukosten auf 2,7 Millionen Euro. Alle Angaben ohne Mehrwertsteuer – und die musste ebenfalls bezahlt werden, nachdem der getätigte Vorsteuerabzug nicht zulässig war.
„Der Vorsteuerabzug wurde 2007 bereits aberkannt“, teilte Götz mit. Erst 2010 setzte der Gemeinderat einen Aufsichtsrat ein, der nach Durchsicht der WIG-Unterlagen bereits eine Liste mit „45 Grobfehlern“ erstellte, darunter mangelhafte Jahresabschlüsse und Rechnungslegungen, verspätete Zahlungen und dadurch Verfall von Skonti bzw. zusätzliche Kosten durch Mahnspesen und Verzugszinsen. Fazit des Aufsichtsrates: „Die Auslagerung der WIG war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.“
Der Sonderausschuss brachte neben dem Straßenbau noch weitere Ungereimtheiten im WIG-Handlungsbereich ans Licht, die die Deponie Schanze, den Winterdienst, den Zuschuss für einen Werkshallenbau sowie Hochwasserentschädigungen betrifft. Die WIG zahlte über 66.000 Euro für Wegbau und Deponierung von Schuttmaterial, obwohl beide Vorgänge nicht eindeutig der WIG zuzuordnen waren.
„Bei Durchsicht diverser Rechnungen sind uns die hohen Kosten für den Winterdienst aufgefallen. In 8 Wintern wurden von der WIG 685.000 Euro und 1.236 Tonnen Streusalz verrechnet“, so Götz. Die WIG habe damit einerseits Aufgaben der Stadt übernommen, die bereits 1998 eine weitere, kostspielige Fehlentscheidung getroffen hatte: „1998 wurde die ehemalige, alleinige Zufahrtsstraße zum ÖBB-Terminal um 4,9 Millionen Schilling gekauft und in die Instandhaltung der Gemeinde übernommen. Damit wollte man die erwarteten Betriebsansiedelungen im Gewerbegebiet von der“Mautgebühr“ durch die ÖBB entlasten. Nach dem Bau des Kreisverkehrs Wörgl West und der Tangente ist die Zufahrt überflüssig geworden und drückt durch Straßenerhaltung und Winterdienst auf die Stadtkasse. Empfehlung des Ausschusses: „Man sollte dringend eine Lösung überlegen, die zur Verringerung der Betriebs-und Erhaltungskosten führt.“
Bei all den vergeudeten Millionen fallen 200.000 Euro Zuschuss für einen nicht notwendigen Hallenabriss und -neubau dann schon fast nicht mehr ins Gewicht. Der Sonderausschuss hält dazu fest, dass es „bemerkenswert ist, dass diese Vereinbarung auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Bürgermeisters erstellt wurde.“
Offene Fragen werfen eigenartige Überweisungen in Höhe von 50.000 Euro unter dem Titel „Hochwasserentschädigung lt. Vereinbarung Pumpwerk TIWAG“ ebenso auf wie höchst unterschiedliche Grundstückspreise bei Grundablösungen, die zwischen 75 und 150 Euro pro Quadratmeter liegen.
„Die Nordtangente wurde bis zum Schluss mittels Baustellenverordnung gebaut, weil entsprechende Verträge und Genehmigungen fehlten“, erklärte Götz. Es gab kaum schriftliche Aufträge, insgesamt ergab die Vorgehensweise ein „sehr ungeordnetes Bild“. Für Interessierte – der WIG-Untersuchungsbericht kann hier in voller Länge nachgelesen werden: Schlussbericht Sonderauschuss WIG 12-02-2016
„Was passiert jetzt? Ist mit diesem Bericht die WIG vom Tisch oder poppt das Thema dann alle drei Monate wieder auf? Wird der Staatsanwalt eingeschalten?“ wollte STR Dr. Daniel Wibmer wissen. „Mit Vorlage des Abschlussberichtes ist die Arbeit des Ausschusses erledigt. Weitere Schritte wie Anzeige beim Staatsanwalt sind Sache des Gemeinderates. Die Grünen werden nichts Weiteres einleiten“, so Götz, für den viele Fragen offen bleiben. Warum etwa die Daten nicht gleich sichergestellt wurden. Warum erst 2011 die Katastrophe festgestellt wurde, die schon 2007 offensichtlich war. Als Schlussfolgerung will Götz auch eine Prüfung des Hochwasserspendenkontos um sicher zugehen, dass da alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Götz: „Sonst erwarte ich mir da rechtliche Schritte.“
„Ein derartiges Konstrukt wird die Gemeinde sicher nicht mehr machen“, schließt Bürgermeisterin Hedi Wechner aus dem Abschlussbericht. Die WIG sei „wie ein Kartenhaus zusammengefallen, wobei der Geschäftsführer nicht ohne Auftrag gehandelt hat.“
„Eine Schlussfolgerung aus der Untersuchung wird in punkto Datenschutzregelung bereits umgesetzt“, merkte Götz an und bedankte sich abschließend bei der Leiterin der städtischen Finanzabteilung DI Carola Schatz für die gute Zusammenarbeit.
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