Wörgler Freigeld versus 9+1-Gutscheine…

Vom Start der 9+1-Gutscheinaktion der Stadtgemeinde Wörgl am 27. April bis zum 8. Mai 2020 seien schon 10.255 Einkaufsgutscheine im Wert von 102.550 Euro verkauft worden, teilt die Stadt Wörgl am 11. Mai 2020 mittels Presseaussendung mit und wirbt für die bis 31. August 2020 weiterlaufende Aktion, bei der um 9 Euro Einkaufsgutscheine mit dem Wert von 10 Euro erworben und in rund 250 Wörgler Handelsbetrieben sowie in Dienstleistungs- und Gastronomiebetrieben eingelöst werden können. Die Stadt zahle die Differenz von 1 Euro pro Gutschein – in Summe 100.000 Euro.

„Ganz in der Tradition des Wörgler Freigeldes“ – heißt es in der Bewerbung der Aktion, deren Ziel es sei , „eine zusätzliche kurzfristige regionale Wertschöpfung von 1 Mio. Euro freizusetzen.“  Bei genauerer Analyse stellt man aber fest, dass es da doch gravierende Unterschiede gibt. Während das Reglement zur Durchführung der Wörgler Freigeld-Aktion 1932/33 vom gesamten Gemeinderat einstimmig beschlossen wurde, liegt für die beabsichtigte Ausgabe von 100.000 Euro Steuergeld kein gültiger Gemeinderatsbeschluss vor.

Während das Wörgler Freigeld so konzipiert war, dass es Steuergeld in die Gemeindekasse brachte, kostet die 9+1-Gutscheinaktion Steuergeld. Mit Wörgler Freigeld wurde ein Infrastruktur-Bauprogramm durchgeführt, von dem die Gemeinde langfristig profitierte – Straßen- und Brückenbau, Tourismus- und Sporteinrichtungen wie Sprungschanze und Wanderwege. Die ausbezahlten Löhne milderten Armut und Not und kamen für dringend benötigten Konsum in die lokalen Geschäfte, die damit Gemeindesteuern und –abgaben bezahlten. Mit den Einnahmen wurden gemeindeeigene Baumaßnahmen sowie Armenfürsorge finanziert, der Geldkreislauf im Ort angekurbelt.

Die 9+1-Gutscheine bringen kurzfristig eine Million Euro Umsatz, wobei nicht davon auszugehen ist, dass das alles zusätzlicher Umsatz ist. Denn schlaue Leute werden sich Gutscheine und damit einen Rabatt von 10 Prozent auch für Einkäufe holen, die sie ohnehin vorhaben. Der Anteil der regionalen Wertschöpfung war in den 1930er Jahren auch noch deutlich höher als in der globalisierten Wirtschaft heute.

Und so stellt sich die Frage, ob eine gezieltere, nachhaltigere Förderung der Regionalwirtschaft nicht besser mit der Energy.Card erzielt werden könnte – schließlich kommt bei dieser Form der Kaufkraftbindung jede Kundin bzw. jeder Kunde zumindest zweimal in die Wörgler Betriebe, da die gewährten Rabatte und Vergünstigungen erst beim nächsten Einkauf in den ausgewählten Partnerbetrieben eingelöst werden können. Als Prepaid-System kann die Energy.Card, von der bereits 21.000 in Umlauf sind, auch als Gutscheinkarte verwendet werden.

Text: Veronika Spielbichler

Rückseite der Wörgler Arbeitswertscheine, die als Freigeld 1932/33 in Umlauf waren. Foto: Unterguggenberger Institut

Rückseite der Wörgler Arbeitswertscheine, die als Freigeld 1932/33 in Umlauf waren. Foto: Unterguggenberger Institut