Drei Wochen konzentriertes Kulturprogramm – am besten im Freien! Das nahmen sich die Organisatoren des ersten Wörgler Guggifestivals nach der langen, Corona-bedingten Zwangspause im Kulturveranstaltungssektor vor und füllten den „Guggifestival-Kalender“ von 8. bis 31. Juli 2021 mit Konzerten, Theater, Kabarett, Film und weiteren Veranstaltungen. Namensgebend fürs Festival war der vom Verein komm!unity herausgegebene Wörgler Kulturwertschein Guggi, der ehrenamtliches Engagement mit der Förderung Wörgler Kultur verbindet.
Der Guggi, in Anlehnung ans Wörgler Freigeld-Experiment im Wert von 1, 5 und 10 Euro ausgegeben, wandert noch bis 31. Dezember 2023 von einer Hand zur anderen – ausgegeben als Belohnung für ehrenamtliche Unterstützung oder als Geschenk und einlösbar in der Wörgler Kulturszene. Nur Kulturvereine können den Gutschein mit einem Abschlag von 10 % wieder in Euro einwechseln.
Joytopia – wie Geld anders funktionieren kann
Die Regeln des Guggi als Komplementärwährung für den Wörgler Sozial- und Kulturbereich erarbeitete der Verein Komm!unity und holte sich dabei auch Ratschläge beim Unterguggenberger Institut, bei dem das Thema Währungsdesign neben der Dokumentation des Wörgler Freigeldes ganz oben auf der Agenda steht.
Wie ändert sich das eigene Verhalten, wenn sich Geld-Spielregeln ändern? Mit dieser Themenstellung befasste sich 2005 ein Maturaprojekt der HAK Wörgl in Kooperation mit dem Unterguggenberger Institut, bei dem SchülerInnen Wirtschaftsraumspiele zur Abbildung des jetzigen Geldsystems, des Tauschkreises, des Wörgler Freigeldes und des Joytopia-Lebensgeldes entwarfen. Joytopia basiert auf natürlichem Kreislaufdenken – dem auch das Geld unterworfen wird: Einerseits geschöpft aus der Fülle für jeden Menschen als bedingungsloses Grundeinkommen und in gleicher Höhe für die Gemeinschaft zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Andererseits belegt mit gezielter Abwertung nach dem Prinzip des Vergehens uns Alterns.
Um ganz praktisch ein ganz anderes Geldmodell zu testen, spielte der CryptoCircle des Unterguggenberger Institutes im Rahmen des Guggifestivals am 14. Juli 2021 einen Abend lang Joytopia, als Spielleiter fungierte Heinz J. Hafner. Da wurden Schicksale, Vermögen und Schulden per Los ermittelt, Investionen und Lebensereignisse simuliert. Nach spannenden fünf Runden, bei deren Ende Geldvermögen jeweils um die Hälfte entwertet wurden, zogen die SpielerInnen Bilanz. Würde man in so einem System leben wollen? Jedenfalls stand nach simulierten fünf Jahren keiner schlechter da als am Beginn. Externe Schulden wurden in kürzester Zeit in die Gruppe verlagert, was die Rückzahlung ohne Zins ermöglichte. Der Geldverfall in dieser Spielvariante regt zum Konsum an, nicht im Sinn von Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Vermögensaufbau oder Sparen geht nicht – dafür steigt die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit. Spaß gemacht hat´s jedenfalls! Den nächsten CryptoCircle (diesmal zum Thema wie funktionen Kryptowährungen und Blockchain?) gibt´s am Mittwoch, 11. August 2021 in der Zone Wörgl, Beginn 19:30 Uhr.
Das Unterguggenberger Institut beteiligte sich am Guggifestival weiters mit zwei Dokumentarfilmen – „Mind the Gap“ über den Zustand unserer Demokratien in Europa und „Aus Liebe zum Überleben“ über nachhaltige Alternativen in der Landwirtschaft.
Bruckhäusler Wirtschaftsgeschichte in Ton und Bild
„Bruckhäusl seinerzeit – die Arbeitswelt“ – unter diesem Motto stand der historische Bilderbogen, den der Verein LA21 Bruckhäusl aktiv am 24. Juli 2021 als Open-Air-Kino in der Zone beim Guggifestival präsentierte. Das Interesse an der Dorfgeschichte war groß – trotz drohender Regenwolken fanden sich rund 60 ZuschauerInnen ein, die konzentriert der Stimme von Florian Adamski zu den über 250 historischen Bildern lauschten. Dabei zeigte sich die Flexibilität der Zone: Als dann doch ein Gewitterschauer mit Windböen zum Abbruch der Filmvorführung zwang, konnte nach kurzer Umbaupause im Innenraum der Zone die Vorführung beendet werden.
Theater unterLand: „Extrawurst“
Esskultur vereint – scheidet aber auch die Geister, wie die neue Theater unterLand-Produktion „Extrawurst“ auf die Bühne bringt. Einen Vorgeschmack auf das Stück, das 2022 auf den Spielplan kommt, gaben Mike Zangerl, Jovi Christian Zangerl, Othmar Haller, Leonie Höck und Johannes Schlögl am 28. Juli 2021 beim Guggifestival.
Die gut gefüllte Publikumstribüne wurde gleich einbezogen ins Stück aus der Feder der beiden deutschen Autoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, das für Wörgl von den DarstellerInnen selbst textlich adaptiert und erarbeitet wird. Mike Zangerl schlüpft in die Rolle des Tennisclub-Präsidenten Herbert, der sich schnurstraks durch die Tagesordnung der gerade tagenden Generalversammlung hantelt und eigentlich schnell zum kulinarischen Abschluss kommen will. Wäre da nicht der Tagesordnungspunkt „Ankauf eines neuen, leistungsstarken Webergrills“, für den Vorstandsmitglied Matthias, dargestellt von Johannes Schlögl, buchstäblich entbrennt. Damit der „Wurschtausstoß“ beim Vereinsfest endlich zügiger von statten geht.
Da zündet der Zwischenruf von Melanie (TuL-Neuzugang Leonie Höck) einen hitzigen Schlagabtausch abseits des „roten Platzes“: Wäre es nicht eine nette Geste gegenüber türkischen Vereinsmitgliedern, einen zweiten Grill anzuschaffen, auf dem kein Schweinefleisch gebraten wird? Wobei Erol (dargestellt von Jovi Zangerl) zunächst davon garnichts wissen will – er brauche keinen eigenen Griller.
Grillen wäre damit aber für ihn und seine Familie – die Buben sind auch beim Club – allerdings aus religiösen Gründen tabu. Melanie erhält Unterstützung von Sebastian (verkörpert von Othmar Haller), Atheist und Vegetarier. Daraufhin entspinnt sich der Disput, Emotionen kochen hoch, gut gemeinte Lösungsvorschläge gießen nur noch mehr Öl ins Feuer und werfen essentielle Fragen auf. Herkunft und Ausgrenzung, Toleranz und Nationalstolz, Religion und Angst vor Identitätsverlust – es prallen nicht nur kulinarische Welten aufeinander. Braucht es noch mehr Griller für Vegetarier, Veganer, Flexitarier, Fruktarier…? Wie weit kommt man mit Demokratie beim Umgang mit Minderheiten? Wo wird Meinungsfreiheit zur Beleidigung? Und kann sich ein Tennisclub schließlich auf den Ankauf eines Grillers einigen oder nicht? Die Lösung gibt´s erst nächsten Sommer bei den „Extrawurst“-Aufführungen von Theater unterLand in der Zone Wörgl.
Ganz anders als im Theaterstück verlief nach der Vorpremiere der gemeinsame Grillabend im Garten der Zone, bei dem die Gäste selbst Mitgebrachtes auf Tischgrillern zubereiten und in gemütlicher, fröhlicher Atmosphäre genießen konnten.
Radio Wörgl+ Café mit Sonnenschein
Nach dem turbulenten Juli-Wetter zeigte sich das Wetter zum Abschluss des ersten Guggifestivals am 31. Juli 2021 von der freundlichen Seite und verwöhnte die Gäste des ersten Wörgler Radio+ Cafés mit Sonnenschein. Moderatorin Lilly Staudigl bat als Gäste Bürgermeisterin Hedi Wechner, Lois Neuner, bekannt von der Kabarett-Formation Lachgas, Tierschützerin Inge Welzig und den Musiker Martin Locher vors Mikrofon, der mit seinem Live-Auftritt mit Eigenkompositionen aus seinem neuen Album „Hamweh“ Konzert-Atmosphäre in den Zone-Garten brachte. Die Corona-Quarantäne nützte der Sänger und Songwriter, funktionierte seine Wohnung in ein Aufnahmestudio um und gab medial international beachtete Balkonkonzerte. Mit seiner neuen Produktion erwarb er sich nun auch Anerkennung in der Tiroler Musikszene, nachdem seine Songs in Ostösterreich schon lang im Radio zu hören waren. Seine schauspielerischen Fähigkeiten zeigt Martin Locher übrigens derzeit beim Dreh für die Universum-History-Doku über die Fugger, bei der er einen Heiler mimt. Die nächsten Live-Auftritte stehen beim Harley-Festival im DEZ Innsbruck am 5. August und bei der Calimero-Night in Weer am 6. August am Tour-Plan von Martin Locher, den viele WörglerInnen von den gemeinsamen Auftritten beim Stadtfest mit David Mana kennen.
Für die Gäste des Radio Wörgl+ Cafés gab´s nach dem Live-Programm, bei dem gemütlich gefrühstückt wurde, die Möglichkeit, Studio und Regieraum in der Zone zu besichtigen – hier werden Radiosendungen und Filmbeiträge für WIB Wörgl im Bild produziert. Radio Wörgl+ ist als neuer Informationskanal der Stadtgemeinde Wörgl seit 1. Juni 2021 online, als Internet-Radiosender konzipiert und bietet neben dem laufenden Musikprogramm viele Podcasts zum Nachhören.
Dieser Rückblick umfasst nur eine Auswahl an Guggifestival-Veranstaltungen in den beiden Austragungsorten Zone und Komma. Kooperationspartner waren der Verein SPUR, die Stadtwerke Wörgl, das „Lost in Wörgl“-Kabarett-Team, das Unterguggenberger Institut, der Verein LA21 Bruckhäusl aktiv, die Stadtmarketing-GmbH mit einer Wörgler Sommernacht-Jam Session und das Theater unterLand, das außer der Extrawurst-Vorpremiere auch einen Theaterworkshop durchführte.