In der zweiten Sitzung der laufenden Legislaturperiode bewilligte der Wörgler Gemeinderat am 5. April 2022 mehrheitlich die Jahresrechnung 2021 der Hoheitsverwaltung. Dabei enthielten sich sechs MandatarInnen der Listen Wir für Wörgl und der Wörgler Grünen der Stimme, begründet mit fehlenden Unterlagen zur Nachvollziehbarkeit der Finanzgebarung rund um die WERGEL AG.
Wie bei der Beschlussfassung der Jahresrechnung üblich verließ Bürgermeister Michael Riedhart den Saal und übergab die Sitzungsleitung an Vizebgm. Kayahan Kaya. Mit der Jahresrechnung 2021 lag die letzte der vergangenen sechsjährigen Gemeinderatsperiode vor, die von drei Merkmalen geprägt war – von der Budgetkonsolidierung, notwendiger Investitionen und der Bewältigung der Coronakrise.
Der Jahresabschluss umfasst drei Haushalte – den Ergebnis-, den Finanzierungs- und den Vermögengshaushalt. Im Ergebnishaushalt lagen die Einnahmen bei 43,8 Millionen Euro, die Ausgaben bei 42,6 Millionen Euro, was ein positives Wirtschaftsergebnis von rund 1,2 Millionen Euro bedeutet. Der Finanzierungshaushalt befasst sich mit den Geldflüssen und der Vermögenshaushalt beziffert mit einer Bilanzsumme von rund 122,3 Millionen Euro das gemeindeeigene Vermögen.
Die Konsolidierung des Gemeindehaushaltes wirkte sich in höheren Rücklagen (2017 wurden 6,1 Millionen Rücklagen ausgewiesen, 2021 7,8 Millionen) und höheren Barguthaben (2017 9,1 Millionen, 2021 14,5 Millionen Euro) aus. Die aushaftende Kredithöhe stieg im Fünfjahreszeitraum von 19,2 auf 23,5 Millionen Euro, der Verschuldungsgrad sank von 30,31 auf sehr niedrige 18,16 %.
Im selben Zeitraum wurden an Investitionen rund 6,8 Millionen Euro für die Sanierung von Straßen und den Radwegbau ausgegeben, 6,2 Millionen Euro für den Bau des neuen Feuerwehrhauses und fast 6 Millionen Euro für die Errichtung des „Hauses der Musik“ mit Landesmusikschule und Probelokal der Stadtmusikkapelle sowie Räumlichkeiten der Volkshilfe. Insgesamt flossen 18,9 Millionen Euro in Investitionen. Gleichzeitig belasteten in den vergangenen zwei Jahren Corona-bedingte Mehrausgaben und verringerte Einnahmen den Gemeindehaushalt mit Kosten in der Höhe von rund 2,6 Millionen Euro.
Durch den Aufbau von Rücklagen sei es nun möglich, die für 2022 geplanten und budgetierten Vorhaben (Ankauf Kinderkrippe ca. 2 Millionen Euro, Fußgängerzone ca. 2 Millionen Euro, neues Feuerwehrauto ca. 600.000 Euro, Sanierung Nordtangente ca. 500.000 Euro) ohne Neuverschuldung durchzuführen. Wobei Bgm. Riedhart einräumte, dass er in der Bahnhofstraße eine Begegnungszone bevorzugen würde.
Diskussion im Gemeinderat
„Mit liquiden Mitteln von 1.000 Euro pro Kopf liegt Wörgl deutlich über den Tiroler Durchschnitt von 500 Euro pro Kopf. Es ist genug Geld da für Investitionen“, eröffenete Gemeinderat MBA Roland Ponholzer sein Statement zur Jahresrechnung. Wörgl solle nicht weiter „kaputtgespart“ werden wie beim WAVE – es brauche einen Investitionsplan. Die Kommunalsteuerentwicklung sei nicht zufriedenstellend, hier solle durch Betriebsansiedelungen entgegen gesteuert werden.
Die Ablehnung des vorgelegten Jahresrechnungs-Entwurfes durch die „Wir für Wörgl“-Fraktion begründete Ponholzer mit fehlenden Unterlagen zur Beurteilung der Finanzgebarung der 2021 gegründeten WERGEL AG. Unternehmensgegenstand der Aktiengesellschaft WERGEL AG ist die Ausübung der Funktion einer Holding-Gesellschaft. Ins Aufgabengebiet fallen Erwerb, Verwaltung, Veräußerung von Beteiligungen an Unternehmen und Gesellschaften aller Art, die Vermögensverwaltung der Stadt, der Betrieb, die Übernahme und Vermittlung von Geschäften und Beteiligungen finanzieller, kommerzieller und gewerblicher Art (ausgeschlossen sind Bankgeschäfte). Die AG ist berechtigt, Grundstücke und Baurechte zu erwerben, zu verwalten und zu veräußern – und im In- und Ausland Zweigniederlassungen zu errichten. Das Grundkapital in Höhe von 70.000 Euro ist zerlegt in 70.000 nennbetragslose Aktien. Die Gründung erfolgte mit 13 Stimmen der Liste Hedi Wechner und der FWL. Die Gegner kritisierten die Wergel AG als „Geldverbrennungsmaschine“ (Zitat GR Götz) und aufgrund ihrer Intransparenz gegenüber dem Gemeinderat.
„Wir haben keine Info von der Stadtamtsdirektion erhalten, was in den 350 Seiten steht“, kritisierte Ponholzer fehlende Einsicht in Verträge und Dokumente: „Von transparenter Politik ist das weit entfernt.“ Stadtamtsdirektor Mag. Philipp Ostermann-Binder wies den Vorwurf zurück: „Da wurden Unterlagen angefordert, die mit der Jahresrechnung nichts zu tun haben.“ Er berief sich auf die Tiroler Gemeindeordnung, die regle, welche Unterlagen herauszugeben seien – besonders Unterlagen von selbständigen Unternehmen könnten nicht ausgehändigt werden. Ostermann-Binder verwies darauf, dass dem Überprüfungsausschuss die Jahresrechnung vorgelegt wurde. Amtsseitig müsse er sich an gesetzliche Vorgaben halten. Volle Akteneinsicht habe nur der Bürgermeister.
„Unterstellen Sie mir nicht, dass ich Unrechtmäßiges fordere“, konterte Ponholzer und beharrte auf Akteneinsicht zur Beurteilung der WERGEL AG. „Die WERGEL AG ist ein massiver Eingriff, der jetzige Gemeinderat sollte alle Unterlagen erhalten, um prüfen zu können, welche Steuervorteile erzielt werden können. Ponholzers Antrag wird im Stadtrat behandelt.
„Ich bezweifle, dass diese Auseinandersetzung zum besseren Verständnis der Bürger beiträgt“, meldete sich GR Christian Kovacevic von der Liste Hedi Wechner zu Wort. „Liquide Mittel sind vorhanden, die Stadt steht auf soliden Beinen“, so Kovacevic, der den Vorwurf zurückwies, die Stadt sei „kaputtgespart worden“. Viele wichtige Projekte seien umgesetzt worden. Jetzt gelte es, nicht übermütig zu werden und zu sorglos mit dem Geld umzugehen.
„Von totsparen kann keine Rede sein“, erklärte auch Dr. Herbert Pertl (LiWe), den der Überschuss von 1,2 Millionen Euro im Ergebnishaushalt freut. „Beim Verschuldungsgrad liegen wir mit 18,6 % mit einem absoluten Spitzenwert im untersten Bereich. 644 Euro Pro-Kopf-Verschuldung ist ein Top-Wert“, so Pertl, der folgert, „dass die letzten sechs Jahre gut gearbeitet wurde, das zeigt dieser Abschluss.“
Die Wörgler Grünen enthielten sich ebenso wie die Liste Wir für Wörgl bei der Beschlussfassung zur Jahresrechnung der Stimme, begründet mit etlichen nicht beantworteten Fragen rund um die WERGEL AG, die mit fast einer Million Euro zu Buche schlage. Im Tagesordnungspunkt Allfälliges stellten sie eine weitere Anfrage zur WERGEL AG und wollten u.a. wissen, weshalb die verlustträchtigte WAVE-Gesellschaft nicht eingegliedert wurde – mit ihr könne man 5,5 Millionen Euro Verlust steuerlich geltend machen. Zudem wollten die Grünen wissen, wie sich die 970.000 Euro Aufwand für die WERGEL AG zusammensetzen. 70.000 Euro Grundkapital des Gründungsausschusses seien durch die Stadt gedeckt, 900.000 Euro wurden als Startzuschuss beschlossen, informierte Ostermann-Binder. Diese seien in den nächsten 10 Jahren als Dividende zurückzuzahlen. Die 970.000 Euro sollten die Gründungskosten, die Halbjahresrate für die WAVE-Rückzahlung mit 380.000 Euro und die Halbjahres-Subvention fürs Stadtmarketing in Höhe von 175.000 Euro abdecken.
„Die WERGEL AG wurde fürs Steuersparen gegründet – warum ist der WAVE-Verlust von 5,5 Millionen Euro nicht gegengerechnet?“ hakte Grün-GR Iris Kahn nach. Die WERGEL AG sei ein „gutes Konzernmodell zur Senkung der steuerlichen Ausgaben durch Gruppenbesteuerung“, aber auch in der Organisation ergäben sich Vorteile im Management, so Ostermann-Binder. Der WAVE-Posten wurde noch nicht berücksichtigt, da noch nicht feststehe, ob die Gesellschaft liquidiert oder nun doch weitergeführt wird, dieser Prozess laufe. Zudem sei dieses Unternehmen als „Liebhabereibetrieb“ eingestuft worden, nicht als wirtschaftlich ertragreicher Betrieb wie bei anderen Bädern.