Kontroverse über Baurechtsverträge

Die Wörgler Gemeinderatsitzung am 9. Oktober 2024 wies unter den 24 Tagesordnungspunkten etliche mit Diskussionsbedarf aus, wobei Bürgermeister Michael Riedhart eingangs gleich zwei heikle Themen mit Hinweis auf weiteren Gesprächsbedarf absetzte – unter Punkt 8 den Grundankauf und die Vorbereitung für ein neues Amtsgebäude am Schachnter-Areal  sowie unter Punkt 13 eine Änderungen betreffend den Bebauungsplan für den Sparkassen-Neubau in der Speckbacher Straße.

Neun Mandatare (namentlich Vizebgm. Roland Ponholzer, LA STR Christian Kovacevic, Iris Kahn, Özlem Harmanci, Astrid Rieser, Patricia Kofler, LA Gabi Madersbacher, Christopher Lentsch und Walter Altmann) wollten am liebsten mittels Dringlichkeitsantrag noch einen Tagesordnungspunkt absetzen: Den Abschluss von zwei Baurechtsverträgen mit Josef Scheiber für zwei Grundstücke an der Federer-Straße, von denen das größere nach Wunsch des Bürgermeisters der neue Schwimmbadstandort werden soll. Die Absetzung wurde mit 12 zu 9 Stimmen abgelehnt.

Die Abstimmung über den Abschluss der beiden Baurechtsverträge mit einer Dauer von 99 Jahren und einem monatlichen Baurechtszins von 1 Euro pro Quadratmeter (indexiert) ging dann knapp mit 11 Ja-Stimmen bei vier Gegenstimmen und fünf Stimmenthaltungen aus.

Die Konditionen

Dem Antrag des Bürgermeisters sind die Konditionen zu entnehmen: Fürs neue Schwimmbad wird das 21.148 Quadratmeter große Grundstück 267/1 EZ 90005 (derzeit landwirtschaftliche Nutzung) vorgesehen, für das Riedhart im Vorjahr bereits einen Vorvertrag abgeschlossen hatte. Scheiber bot der Gemeinde auch das auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegene Grundstück 266/2 im Ausmaß von 2.471 Quadratmeter an, das bereits eine Baulandwidmung aufweist und für eine Kinderbildungseinrichtung (Kindergarten) verwendet werden könnte.

Der Baurechtszins wird erstmalig beim Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung fällig. Für das größere Grundstück fallen dann jährlich rund 254.000 Euro Kosten an, für das kleinere rund 29.700 Euro (beide index-angepasst). Sofort zu bezahlen sind allerdings die Nebenkosten für Vertragserrichtung und Grunderwerbssteuer sowie Grundbuchgebühr in Höhe von 235.000 Euro.

Die Diskussion im Gemeinderat

Pro- und Kontra-Argumente der Gemeindemandatare sind im vollen Wortlaut der Online-Aufzeichnung der Gemeinderatsitzung zu entnehmen, weshalb hier nur eine gekürzte Version davon wiedergegeben wird. Bürgermeister Riedhart bezeichnete die Höhe des Baurechtszinses als „sehr angemessen“ und als „einmalige Chance für Wörgl.“ Mit der Sicherung des Baurechtes habe die Stadt in der Hand, was künftig auf diesen zentrumsnahen Flächen passiere.

„Mein Optimismus hält sich in Grenzen“, meldete sich STR LA Christian Kovacevic mit Hinweis auf die Stadtfinanzen zu Wort, die „derzeit noch halbwegs stabil sind. Die letzten beiden Jahre wurden aber sehr viele Mittel ausgegeben.“ Dadurch seien die für nötige Großprojekte wie Hochwasserschutz, Pflichtschulerweiterung oder Straßenbau (Nordtangente) angesparten Mittel nicht mehr vorhanden.  Kovacevic kritisierte die Vorgangsweise, ohne Gesamtprojekt, Visualisierung und Kostenschätzung jetzt schon den Grund für ein Regionalbad anzupachten. „Andere Gemeinden wollen auch Geld aus dem Bäderfonds und haben beim Land bereits konkrete Projekte eingemeldet – Wörgl hat das nicht“, so Kovacevic. „Beide Verträge binden jährlich 300.000 Euro auf mehrere Generationen! Über 99 Jahre gerechnet ist das kein Pappenstiel – das sind 30 Millionen Euro (Anm. d. Red. – ohne die Index-Anpassungen).“ Da Bgm. Riedhart auf die Abstimmung mit dem Hinweis, er habe nachmittags ein Gespräch mit Landeshauptmann Mattle zwecks Regionalbadförderung drängte, schlug Kovacevic vor, diesen Termin abzuwarten und den Beschluss zu verschieben. Kovacevic: „Aus heutiger Sicht müssen wir den Abschluss der Baurechtsverträge ablehnen.“

Riedhart bestand auf der Abstimmung – er wolle „nicht ohne Grundstück“  zu Mattle fahren und unterstellte: „wer nicht zustimmt, ist gegen das Schwimmbad.“ Was prompt zurückgewiesen wurde. Als erstes von der neuerdings in den Landtag eingezogenen GR Mag. Gabi Madersbacher: „Ich setze mich sehr wohl für das Wörgler Schwimmbad ein – aber ich stimme Christian Kovacevic zu. Mit diesen Baurechtsverträgen legen wir uns auf Jahrzehnte fest.“ Man müsse die Gesamtkosten für unumgänglich nötige Projekt im Auge behalten. Zum neuen Schwimmbad gäbe es keine Prognosen: „Wir brauchen Zahlen. Was kostet das. 30, 60 oder 80 Millionen Euro?“, so Madersbacher, die Riedharts Vorgehen als „Salamitaktik“ ablehne. Madersbacher sprach sich für einen weiteren Vorvertrag aus. „Jetzt die Pacht beschließen wäre groß fahrlässig“, so Madersbacher.

„Die Planung kann erst erfolgen, wenn eine Finanzierungszusage vom Land da ist. Wörgl allein kann sich ein Freibad leisten – für alles andere brauchen wir Partner“, erklärte Bgm. Riedhart. Deshalb wolle er erst das Gespräch mit dem Landeshauptmann führen. Mit Imst und Wörgl bestehen in Tirols Bäderlandschaft (ganzjährig geöffnete) zwei weiße Flecken. Wenn beide Regionalbäder bauen wollen, sei der Bäderfonds gleich leer, deshalb erwarte er sich „heute klare Zusagen“.

FWL-GR Christopher Lentsch findet den neuen Schwimmbad-Standort in der Federer-Straße gut – aber nicht den Vertragsabschluss. „Im Vorvertrag war der Baurechtszins in der Höhe von 85 Cent. Warum ist es jetzt 1 Euro?“ wollte Lentsch wissen und plädierte ebenso für eine Vertagung. Riedhart meinte, die Teuerung sei wegen des Zuwartens zustande gekommen: „Später wird es noch teurer“, so Riedhart. Außerdem sei die Begrenzung des Verwendungszweckes herausgenommen worden und die Gemeinde habe ein Vorkaufsrecht nach 99 Jahren vereinbart.

Wirtschaftsreferent GR Andreas Deutsch sprach sich für den Vertragsabschluss aus – dieser solle nicht auf die lange Bank geschoben werden, die Gemeinde müsse da ein „Grundrisiko eingehen.“

Vizebgm. Roland Ponholzer (Wir für Wörgl) kritisierte die Vorgangsweise – beim Vorvertrag mit dem Grundeigentümer sei der Gemeinderat demokratisch ausgehebelt worden, da diesen der Bürgermeister im Alleingang abgeschlossen habe und dieser dem Gemeinderat nie zur Kenntnisnahme vorgelegt wurde. „In diesem Vorvertrag mit dem Baurechtszins von 85 Cent steht, dass die Stadt oder eine Tochtergesellschaft dem Hauptvertrag bis 1. Juni 2024 zustimmen muss. Wir hätten den Vertrag bis 1. Juni zu diesen Konditionen abschließen können und uns damit 4 Millionen Euro gespart“, so Ponholzer, der auch darauf hinwies, dass laut diesem Vertrag die Stadt dazu verpflichtet sei, nach 99 Jahren den Rückbau vorzunehmen und bei Vertragsabschluss durch eine Tochtergesellschaft die Gemeinde in der Haftung sei. Was die Verwendung der Grundflächen betrifft, habe „die Gemeinde ohnehin die Widmungshoheit“. Als Alternative stünde immer noch das erschlossene Wave-Areal zur Verfügung.

Riedhart verwies auf die Auskunft des Landes, das in der Raumordnung auf den Scheiber-Flächen „einen Lückenschluss im Wohnbau“ sehe. Was Grün-GR Iris Kahn irritierte. Sie forderte eine „Prioritätenliste, welche Projekt wirklich nötig sind.“ Riedhart plane ein neues Stadtamt mit Grundkosten von 4,4 Millionen Euro und Errichtungskosten von 18 Mio. Euro. Den indexierten Baurechtszins über 99 Jahre beziffert Kahn mit einer Summe von 70 Millionen Euro (!) – und dabei sei bisher von anfallenden Ausgaben für den Krankenhaus-Ausbau in Höhe von 3 bis 4 Millionen Euro, für Hochwasserschutz und Nordtangente noch nicht einmal die Rede, so Kahn, die kritisiert, dass es keine Gegenfinanzierung für die Pacht etwa durch eine Verwertung des WAVE-Areals gäbe.

GR Dr. Herbert Pertl, Vorsitzender des Überprüfungsausschusses, wies auf Vorbelastungen des Budgets sowie bereits eingetretene Überschreitungen hin und meinte, „es würde einen absoluten Investitionsstopp brauchen.“ Andererseits wollen alle ein Schwimmbad, das immer defizitär sein werde. „Nur sparen wäre schlecht“, so Pertl, der bei den beiden Bäder-Standorten Wave und Scheiberfeld letzterem den Vorrang gibt – das Wave würde als Gewerbegrund mehr einbringen. Pertl bezeichnete die Baurechtsverträge als „unumgänglich“, um die Flächen für die Stadt zu sichern.

GR Patricia Kofler (WfW) plädierte für eine Absetzung der Beschlussfassung, die dann im  Bugdet-Gemeinderat im Dezember erfolgen solle. Keine Zustimmung vor Vorlage der Kosten und der Abklärung, ob dieses künftige Schwimmbad für Wörgl leistbar sei, meinte STR LA Christian Kovacevic, der das Bad dort bauen will, „wo es am effizientesten und kostengünstigsten ist.“

Vizebgm. Ponholzer beantragte schließlich eine Vertagung der Gemeinderatsitzung auf den Abend, um das Ergebnis des Gespräches von Bgm. Riedhart mit LH Mattle abzuwarten und dann zu entscheiden, was mehrheitlich vom Gemeinderat abgelehnt wurde. Grün-GR Kahn wollte ausgeschlossen wissen, dass die Pachtgründe künftig als Gewerbegebiet genützt werden. GR Dander schlug vor, das über die Raumordnung festzulegen.