Bejubelte Premiere bei der Gaststubenbühne Wörgl

Die Gaststubenbühne Wörgl kündigte zum Abschied vom Astnersaal ganz großes Theater an – und löst dieses Versprechen mit Ödön von Horváths „Geschichten aus dem Wienerwald“ in der Inszenierung von Stefan Bric genial ein. Da ist alles drin – vom intimen Kammerspiel bis zur glanzvollen Varieté-Revue im Rotlichtmilieu. Ein großartig agierendes Stamm-Ensemble glänzt gemeinsam mit jungen Ausnahme-Talenten und neuen Gesichtern, zieht alle Register der Bühnenkunst inklusive Live-Musik und Tanzeinlagen. Das Premierenpublikum am 4. April bejubelte das Theaterereignis mit frenetischem Applaus.

Der morbide Charme des Astnersaals passt perfekt zu  Horváths Meisterwerk von der großen, enttäuschten Liebe eines Vorstadtmädels, ihrem geplatzten Traum von der Freiheit im Wien der Zwischenkriegszeit. Der Saal erlaubt, nicht nur zu „ebener Erd“, sondern auch eine Etage höher zu spielen, wird zur „hochromantischen Ruine in der Wachau“ ebenso wie zur Wohnung des Zauberkönigs über dessen Puppenwerkstatt. Effektvoll eingesetzte Bühnenausstattung und Lichttechnik unterstreichen stimmungsvoll die tragikomische Handlung rund um das Vorstadtleben in der Wirtschaftskrise mit erschreckend zeitloser Aktualität.

Herzensbrecher Alfred (von naiv bis abgründig brillant dargestellt von Elias Häusler) hat seinen Job bei der Bank mangels fehlender kreativer Entfaltungsmöglichkeiten an den Nagel gehängt, schlägt sich mit Wetten durch und lässt sich von der Trafikantin Valerie (umwerfend von Alexandra Adelsberger verkörpert) aushalten, als er Marianne (ergreifend gespielt von Christina Daum) begegnet. Ihr Vater, der Zauberkönig (mit Enthusiasmus von Thomas Kraft gespielt, der auch als Choreograf die Fäden zieht) hat längst die Heirat seiner Marianne mit dem benachbarten Metzger Oskar (emotional interpretiert von Max Pfister) angebahnt.

Da funkt die Liebe dazwischen – die Marianne just am Verlobungstag erstmals so richtig fühlt und auch Alfred trifft, dem der Sinn zwar nach Abenteuer, nicht aber nach Ehe steht. Keine Heirat mit Oskar, dafür ein Kind mit Alfred, der dieses nicht und so „schmerzlos wie möglich aus der unglücklichen Bindung“ ausbrechen will. Alfred,  nun als erfolgloser Hautcreme-Kosmetikagent statt am Rennplatz unterwegs, bringt den Kleinen bei seiner Mutter in der Wachau (fürsorglich von Priska Mey gespielt, die auch als Zinnsoldaten-Kundin auftritt) unter und Marianne über seinen Unterwelt-Freund Ferdinand Hierlinger (charmanter Mike Gruber, auch als virtuoser Gitarrist im Einsatz) im Tanzensemble eines Etablissements.

Horváth zeichnet die Charaktere mit scharfem Blick und schonungslos, demaskiert die Wiener Gemütlichkeit. Mit dem Jus-Studenten und Zauberkönigs Neffen Erich (großartig als Hosenrolle von Lilith Marceline-Pointner verkörpert) kommt der Hitler-Gruß auf den Heurigen, bei dem sich die Wiener Vorstadtgesellschaft trifft. Vom Ensemble auf der Bühne ist ständige Präsenz gefordert – nicht nur im Rampenlicht, auch beim Bühnenumbau zwischen den Szenen und bei den live gespielten und gesungenen musikalischen Einlagen, die von Heurigen-Liedern über Austropop-Hits wie „Die Blume aus dem Gemeindebau“ (top von Nando Reisinger!) bis zur  Performance von Wienerliedern wie „Da draussen in der Wachau“ (zart von Christina Daum und trashig von Lilith Pointner) reichen.

Live musizieren unter der Leitung des Akkordeonisten Stefan Schimmele  und des Gitarristen Mike Gruber Nando Reisinger an Gitarre und Bass, Eva Bodner/Gitarre, Susanne Vikoler am Klavier und Thomas Kraft am Schlagzeug. Beim Heurigen wird das Ensemble zum Chor und nebst weiteren musikalischen Überraschungen tritt etwa weinbeseelt der Zauberkönig im Duett mit dem Gast aus Amerika auf (als Zigarre rauchender reicher Ami überzeugt Stuart Kugler), dessen falsche Anschuldigung Marianne zum Verhängnis wird.

Stefan Bric, unterstützt von Regieassistentin Simone Holzner, fand offenbar die Idealbesetzung für das anspruchsvolle Stück, wobei einige DarstellerInnen in Doppelrollen ihre Wandlungsfähigkeit zeigen. Markus Jäger als grobschlächtiger Metzger und herumtollendes Kind im Wienerwald, Eva Bodner als Baronin und Tante Henriett, Susanne Vikoler als Helene und 2. Tante und Carmen Bichler als verführerisches Fräulein Emma und als Kind. Großartig gibt Birgit Hermann-Kraft Alfreds bitterböse Großmutter und Anna Etzelstorfer hat ihren großen Auftritt als Conférenciere im Maxim.

Die sehenswerte Produktion der Gaststubenbühne ist die letzte im Astnersaal und steht noch bis 26. April 2025 am Spielplan, einige der Vorstellungen sind bereits ausverkauft. Info über Termine und noch vorhandene Plätze sowie den Kartenvorverkauf gibt´s online auf www.gsbw.net